Wir wissen schon ziemlich viel über die Sterne. Das ist ein wenig überraschend wenn man berücksichtigt das wir bis heute noch so gut wie keinen dieser Himmelskörper gesehen haben. Ok, wir haben die Sterne natürlich gesehen. Der Himmel ist voll davon und in den Katalogen haben die Astronomen Milliarden von ihnen erfasst. Aber die Sterne sind eben auch in unseren Teleskopen so gut wie immer nichts anderes als Lichtpunkte. Mit dem Licht kann man tolle Dinge anfangen und jede Menge wichtige Eigenschaften der Sterne bestimmen. Aber es bleiben eben immer Punkte. Die Sterne sind viel zu weit entfernt als das wir irgendwelche Details ihrer Oberflächen beobachten können. Sieht man von der Sonne ab, dann gibt es keine detaillierten Bilder von Sternen.
Aber es ändert langsam. Langsam werden die Instrumente und Methoden der Astronomen gut genug um auch bei fernen Sternen Details erkennen zu können. Keiichi Ohnaka von der Universidad Católica del Norte in Chile und seinen Kollegen ist es kürzlich gelungen den Stern Antares so detailliert wie nie einen Stern zuvor abzubilden (“Vigorous atmospheric motion in the red supergiant star Antares”):
Man muss allerdings auch gleich dazu sagen: Das was das Bild zeigt ist NICHT das was man sehen würde, wenn man ein Teleskop auf Antares richtet. Es handelt sich bei dem Bild um eine Rekonstruktion die zeigt was man sehr vermutlich sehen würde. Denn um Sterne wirklich direkt und detailliert sehen zu können fehlen uns immer noch die passenden Teleskope. Das was das Bild zeigt haben Ohnaka und seine Kollegen auf sehr knifflige Art und Weise bestimmt.
Sie haben den circa 600 Lichtjahre entfernten Stern mit den Teleskopen des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte in Chile beobachtet. Dort wird die Leistung von vier Teleskopen mit jeweils einem Spiegeldurchmesser von 8,2 Metern so kombiniert dass am Ende ein Teleskop simuliert wird, das in seinem Auflösungsvermögen einem Teleskop von 200 Metern entspricht. Und das Auflösungsvermögen ist es worum es hier geht.
Wie der Name schon vermuten lässt geht es dabei um die Fähigkeit eines optischen Instruments zwei getrennte Objekte auch noch tatsächlich als getrennt zu erkennen. Mit unseren Augen können wir zum Beispiel von der Erde aus auf dem Mond nichts erkennen was kleiner als 130 Kilometer ist. Zwei 70 Kilometer große Krater die direkt nebeneinander liegen könnten wir also nicht als zwei einzelne Objekte sehen – dazu brauchen wir bessere Instrumente; zum Beispiel Teleskope.
Der Stern Antares hat am Himmel eine Größe von ungefähr 37 Millibogensekunden. “Bogensekunden” sind ein Maß für einen Winkel: Ein Kreis hat 360 Grad, ein Grad hat 60 Bogenminuten, eine Bogenminute 60 Bogensekunden und 1 Bogensekunde besteht aus 1000 Millibogensekunden. Zieht man also einen gedachten Kreis einmal um den ganzen Himmel herum, dann bedeckt Antares nur 37 Tausendstels einer Bogensekunde von diesem Kreis. Zum Vergleich: Der Vollmond hat eine Größe von 0,5 Grad – das ist knapp 49.000 Mal mehr als die Größe von Antares. Der Stern erscheint uns also winzig – aber ist gerade noch groß genug damit ein Teleskop wie das VLTI mit einem Auflösungsvermögen von etwa 5 Millibogensekunden zumindest ein paar Details registrieren kann.
Aber nicht direkt: Die Methode von Ohnaka und seinen Kollegen funktioniert anders. Sie haben unterschiedliche Bereiche auf der Oberfläche von Antares betrachtet und probiert zu bestimmen ob sie sich auf uns zu oder von uns weg bewegen. Denn so ein Stern besteht ja aus Gas und dieses Gas ist in ständig in Bewegung. Heiße Gasmassen aus dem Inneren steigen an die Oberfläche; kühlere Gasmassen von oben sinken wieder hinab. Das ganze wird auch noch durcheinander gewirbelt; es gibt dunkle (und damit kühlere) Flecken; manchmal wird ein wenig von dem Gas bei großen Explosionen auch direkt ins All geschleudert, und so weiter. All diese Details kann man bei Antares (noch) nicht wahrnehmen. Aber das Licht das unsere Teleskope erreicht unterscheidet sich je nachdem ob es von Gasmassen stammt die gerade aufsteigen oder von welchen die gerade absinken. Das ist nichts anderes als der Doppler-Effekt: So wie sich auch die Tonhöhe eines Signalton eines Einsatzfahrzeuges verändert je nachdem ob es sich auf uns zu oder von uns weg bewegt, ändert sich die Farbe des Lichts je nachdem wie die Quelle sich bewegt. Und genau das lässt sich bei Sternen messen – was Ohnaka und seine Kollegen getan haben:
Aus diesem Diagramm der Geschwindigkeitsverteilung der Gasmassen (der schwarze Ringe ist übrigens keine reale Struktur sondern nur ein Bereich in dem aus technischen Gründen keine Messung möglich war) konnten die Astronomen dann die Temperatur- und Helligkeitsverteilung des Sterns selbst rekonstruieren und zu dem “Bild” der Sternoberfläche gelangen das zu Beginn des Artikels zu sehen ist.
Zweck dieser Forschung war es auch übrigens auch nicht unbedingt nur so ein Bild zu machen – obwohl das schon ziemlich cool ist. Es ging Ohnaka und seinen Kollegen darum, die spezielle Art von Sternen besser zu verstehen zu denen Antares gehört. Denn der ist ein roter Riese, also ein Stern der sich gegen Ende seines Lebens enorm stark aufbläht. Würde man Antares statt der Sonne in unser Sonnensystem setzen, dann würden die äußeren Schichten des Sterns bis weit über die Bahn des Mars hinaus reichen! Antares ist wirklich riesig; sein Radius beträgt circa 300 Millionen Kilometer – bei der Sonne sind es nur 700.000 Kilometer.
Diese Größe macht eine Untersuchung wie die von Ohnaka natürlich einfacher. Aber die Astronomen wollten eben auch wissen, was genau ein Stern in dieser Spätphase seines Lebens treibt. Wir wissen dass ein Stern der sich so sehr aufbläht dabei auch viel Masse verliert und sie ins All hinaus pustet. Aber wie das im Detail abläuft ist noch nicht bekannt. Der erste Schritt um das herauszufinden besteht darin Bilder zu machen die uns zeigen wie sich die Gasmassen des Sterns verhalten. Also genau das was jetzt passiert ist. Und schon jetzt zeigen sich erste Erkenntnisse: Ohnaka und seine Kollegen haben zum Beispiel entdeckt dass sich das Gas auch noch in den äußersten Bereichen der Atmosphäre von Antares recht turbulent bewegt. Die bisherigen Modelle der Sternentwicklung haben so etwas nicht vorhergesagt, weil die Energie für die Gasbewegung durch Konvektion – also das Auf- und Absteigen von heißen/kühlen Gasmassen – aus dem heißen Inneren des Sterns nach außen übertragen wird und das so weit außen nicht mehr so gut funktioniert. Ohnaka und seine Kollegen schließen daraus, dass es bei so großen Sternen wie Antares noch bisher unbekannte Arten des Energietransportes geben muss.
Die Forschung muss also – wie immer! – weitergehen. Und am Ende werden wir nicht nur besser verstehen wie die Sterne funktionieren. Sondern sie auch immer besser sehen können!
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