Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 250: Die Hubble-Konstante
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich ausführlich über die Expansion des Universums gesprochen. Bis in die 1920er Jahren hinein waren eigentlich so gut wie alle Wissenschaftler davon überzeugt dass der Kosmos statisch ist, also weder größer noch kleiner wird und keinen Anfang und kein Ende hat. Dann aber machten Edwin Hubble und seine Kollegen Milton Humason und Vesto Slipher die Entdeckung über die ich in der letzten Folge gesprochen habe. Alle Galaxien entfernen sich von allen anderen Galaxien und zwar um so schneller je größer die Distanz zwischen ihnen ist.
Das demonstriert, dass das Universum in der Vergangenheit einen Anfang – den wir “Urknall” nennen – hatte bei dem alle Materie sich sehr viel näher war als heute und sich seitdem immer weiter ausdehnt. Die Galaxien bewegen sich daher auch nicht DURCH das Universumn- man darf sich den Urknall nicht so wie eine große Explosion vorstellen bei der irgendwann in der fernen Vergangenheit alles in alle Richtungen geschleudert worden ist. Es ist der Raum selbst der expandiert und die Objekte im Raum dabei einfach mit sich nimmt. Das bedeutet übrigens auch das es kein Zentrum des Universums gibt; keinen konkreten Ort an dem der Urknall stattgefunden hat. Das ist zwar bei einer Explosion der Fall, aber das ist ja, wie gesagt, eine falsche Vorstellung. Wenn es der Raum selbst ist, der sich ausdehnt, dann gibt es heute mehr Raum als früher. Und ganz früher noch weniger Raum; der gesamte Raum war quasi nur ein einziger Punkt. Dieser Punkt begann sich auszudehnen. Nicht in irgendeinen schon bestehenden Raum hinein, sondern – vereinfacht gesagt – in sich selbst. Der Raum wurde immer mehr und deswegen gibt es auch kein Zentrum. Wenn früher die Distanz zwischen allen Orten geringer war als heute beziehungsweise alle Orte quasi der selbe Ort waren, dann kann man genau so gut sagen dass heute jeder Ort im Universum der Ort ist an dem Urknall stattgefunden hat.
Aber es soll in der heutigen Folge der Sternengeschichten ja nicht um die Feinheiten der kosmischen Expansion gehen sondern um die Hubble-Konstante. Diese Zahl beschreibt die Rate mit der das Universum expandiert. Und eigentlich ist “Hubble-Konstante” der falsche Ausdruck, denn wie wir sehen werden, ist diese Zahl alles andere als konstant. Deswegen verwendet man in der Wissenschaft auch oft den Ausdruck “Hubble-Parameter”. Aber egal wie man sie nennt: Beschrieben wird mit dieser Zahl der Hubble-Fluss was nichts anderes als ein anderer Begriff für die Expansion des Kosmos ist.
Ich habe vorhin schon erwähnt das Edwin Hubble in den 1920er Jahren beobachtete das sich jede Galaxie von jeder anderen Galaxie entfernt und das die beobachtete Geschwindigkeit von der Distanz zwischen den Galaxien abhängt: Je größer die Distanz, desto schneller die Geschwindigkeit. Genau das beschreibt der Hubble-Parameter. Der aktuelle Wert dieser Zahl beträgt 67,74 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Die Einheit des Hubble-Parameters ist also eine Geschwindigkeit (Kilometer pro Sekunde) geteilt durch eine Entfernung (gemessen in Megaparsec wobei ein Megaparsec 3,3 Millionen Lichtjahren entspricht). Bei einer Galaxien die sich ein Megaparsec, also 3,3 Millionen Lichtjahre weit entfernt von uns befindet sehen wir also wie sie sich von uns mit einer Geschwindigkeit von 67,74 Kilometer pro Sekunde entfernt. Bei einer zwei Megaparsec weit entfernten Galaxien würde wir eine Geschwindigkeit von 135,48 Kilometer pro Sekunde (also das doppelte von 67,74) beobachten, und so weiter.
So weit, so klar. Das Problem an der Sache ist erstmal, dass man sehr lange nicht wirklich genau wusste, welchen Wert der Hubble-Parameter hat. Man muss ihn aus konkreten Beobachtungen bestimmen und das ist knifflig. Edwin Hubble selbst gab 1929 einen Wert von 500 km/s pro Megaparsec an. 1956 änderten Kollegen den Wert auf 180 km/s pro Megaparsec – eine ziemlich Korrektur! Nur zwei Jahre später wurde ein Wert 75 publiziert und in den 1970er Jahren sank der vermutete Wert auf ungefähr 55 km/s pro Megaparsec. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts waren dann Wert zwischen 50 und 100 km/s pro Megaparsec in Umlauf aber niemand hatte wirklich exakte Messungen.
Dass neue Messungen die Werte physikalischer Parameter korrigieren ist an sich nicht bemerkenswert; so etwas passiert immer wieder. Aber normalerweise handelt es sich um kleine Korrekturen, irgendwo in den hinteren Nachkommastellen und normalerweise wird der Wert immer genauer je mehr Messungen man hat. Beim Hubble-Parameter dagegen waren die Korrekturen massiv: von 500 auf 50! Außerdem schwankte der Wert wild hin und her und dachte gar nicht daran, sich irgendwo fix einzupendeln.
Das Problem war das man den Wert der Expansionsrate des Universums nicht einfach direkt irgendwo ablesen kann. Man muss ferne Galaxien beobachten; je mehr und je ferner umso besser. Dann bestimmt man die Entfernung dieser Galaxien und die Geschwindigkeiten mit der sie sich von uns fort bewegen und berechnet daraus den Hubble-Parameter. Sowohl die Entfernung als auch die Geschwindigkeiten ferner Galaxien zu bestimmen ist aber nicht simpel! Über die Probleme der Entfernungsbestimmung habe ich in den Folgen 20 und 21 der Sternengeschichten ausführlich erzählt. Hubble und seine Kollegen waren die ersten, die überhaupt in der Lage waren die Entfernung zu einer Galaxie zu bestimmen. Sie benutzten dazu ganz bestimmte Sterne deren Helligkeit sich auf eine ganz bestimmte Art und Weise veränderte woraus man schließlich die Entfernung berechneten. Was sie damals aber noch nicht wussten: Es gibt verschiedene Arten dieser Sterne mit veränderlicher Helligkeit und man muss für jede Art die Entfernung auf eine andere Weise berechnen. Erst als man das herausfand und verstanden hatte, konnten die Messungen verbessert werden und das ist der Grund warum sich der Wert des Hubble-Parameters zu Beginn so stark verändert hatte.
Erst durch Messungen die mit Weltraumteleskopen gemacht wurden, konnte man die Sache halbwegs genau durchführen. Das erste war – sehr passend in diesem Fall – das Weltraumteleskop Hubble das 2001 einen Wert von 72 km/s pro Megaparsec bestimmte. Noch genauere Werte kamen von den Satelliten WMAP und Planck, die zur Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung eingesetzt wurden, also wirklich weit entfernte Objekte sehen konnten. Aus den Messungen von Planck stammt auch der 2016 veröffentlichte und heute allgemein akzeptierte Wert von 67,74. Obwohl es immer noch andere Messungen anderer Beobachtungskampagnen gibt, die Werte von circa 72 km/s pro Megaparsec veröffentlichen. Die Sache ist immer noch kompliziert – aber zumindest schwanken die Werte nicht mehr völlig irre durch die Gegend!
Wenn man über den Hubble-Parameter spricht, dann muss man auch immer dazu sagen von welcher Zeit man spricht. Die 67,74 km/s pro Megaparsec gelten für das heutige Universum! Früher war der Wert anders und in Zukunft wird er wieder anders sein. Dass die Hubble-Konstante NICHT konstant ist sondern sich in der Geschichte des Universums geändert hat, hatten Astronomen schon vermutet. Als man dann aber 1998 entdeckte WIE sie das tat, war das eine große Überraschung. Ich habe schon in Folge 26 der Sternengeschichten ausführlich darüber gesprochen. Die Astronomen gingen damals davon aus, dass die Rate der Expansion des Universums im Laufe der Zeit immer langsamer wird. Die Gravitationskraft der gesamten Masse im Kosmos sollte der Expansion entgegenwirken, sie immer weiter verlangsamen und schließlich vielleicht sogar zum Stillstand bringen bzw. umkehren. Das Universum würde dann irgendwann in Zukunft wieder in sich zusammenfallen und zu seinem Ausgangszustand zurück kehren. Genau das wollten die Astronomen durch Beobachtungen bestätigen. Ferne Galaxien sind ja auch ALTE Galaxien beziehungsweise junge Galaxien; je nachdem wie man es betrachten will. Je weiter wir ins All hinaus blicken, desto weiter blicken wir in der Zeit zurück. Das Licht braucht lange, bis es uns erreicht hat und wenn wir ferne Galaxien sehen, sehen wir Objekte die einen viel früheren Zustand des Univerums entsprechen. Die Wissenschaftler wollten Ende der 1990er Jahren mit solchen Beobachtungen herausfinden, wie der Hubble-Parameter zu früheren Zeitpunkten im Universum ausgesehen hatte. Und entdeckten, dass die Expansion nicht immer langsamer wurde wie sie eigentlich vermutet hatten. Sondern im Gegenteil immer schneller und schneller wurde.
Irgendetwas treibt die Expansion des Universums an und man hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Das wissen wir heute immer noch nicht, weswegen wir das Phänomen einfach nur als “dunkle Energie” bezeichnen. Nach allen Messungen und allem was wir bisher davon wissen scheint es sich aber genau um das zu handeln, was Albert Einstein 1915 mit der Einführung seiner kosmologischen Konstante beschrieben hat. In der letzten Folge habe ich ja erklärt, dass er damals seine Gleichungen ein wenig modifizierte. In der ursprünglichen Form beschrieben sie ein dynamisches Universum; er wollte aber ein statisches Universum haben. Als sich das reale Universum dann aber eben als dynamisch herausgestellt hat, strich man diese Konstante wieder. Mit der Entdeckung der dunklen Energie war das Universum aber quasi NOCH dynamischer als man angenommer hatte und sein Verhalten entspricht genau dem, das Einsteins Gleichungen für ein dynamisches Universum beschreiben wenn man zusätzlich noch die besagte kosmologische Konstante verwendet und damit eine – noch unbekannte – Kraft beschreibt die die Expansion antreibt.
Astronomen werden den Hubble-Parameter und die Expansion des Universums weiterhin beobachten und probieren noch genauer zu vermessen als heute. Mehr kann man derzeit nicht tun um das Rätsel der dunklen Energie zu lösen. Aber wenn wir die Expansion des Kosmos gut genug verstehen, verstehen wir vielleicht auch irgendwann warum sie immer schneller wird…
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