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Warum die Erde nicht auftauen darf
von Nadja Kuhl
Aktuell studiere ich Geoökologie im Master an der Universität Potsdam. In meiner Masterarbeit, die ich am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Potsdam schreibe, beschäftige ich mich, ganz grob gesagt, mit Permafrostböden. Unter anderem deswegen folgt nun: Warum die Erde nicht auftauen darf.
In meinem Blogartikel möchte ich euch auf die große Bedeutung von Permafrostböden aufmerksam machen, gerade auch im Kontext der globalen Erwärmung. Häufig werden das Abschmelzen der Gletscher und der resultierende Meeresspiegelanstieg in den Vordergrund gestellt, sobald es um den Klimawandel geht. Aber auch Permafrostböden spielen eine große Rolle im Erderwärmungsprozess. Warum der dauerhaft gefrorene Boden im Kontext der globalen Erwärmung bedeutend ist, möchte ich euch im Folgenden zeigen.
Was ist eigentlich Permafrost?
Als Permafrostboden wird ein Boden bezeichnet, wenn seine Temperatur für mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre 0 °C oder kleiner beträgt. 24 % der Fläche der Nordhalbkugel sind von Permafrost bedeckt (siehe dazu auch die Abbildung 1). Dem Großteil von Sibirien und weite Teile von Kanada unterliegt Permafrost, er ist allerdings auch in Hochgebirgsregionen zu finden (z. B. in den Alpen und im Himalaya-Gebirge).
Mit Beginn des Sommers, wenn die Oberflächentemperatur ansteigt, taut die oberste Schicht des Permafrosts an. Diese Auftauschicht (auch active layer oder Mollisol genannt) kann je nach Temperaturen unterschiedliche Mächtigkeiten aufweisen und erfordert in besiedelten Gebieten besondere Anpassung. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit Einsetzen kälterer Temperaturen gefriert der Boden dann wieder.
In Sibirien kann die Mächtigkeit des dauerhaft gefrorenen Bodens mehrere hundert Meter betragen, es wurden allerdings auch schon Tiefen von 1500 Metern gemessen. Man kann sich vorstellen, dass es Jahrtausende dauert, bis ein Permafrostboden so eine enorme Mächtigkeit erlangt; und es braucht ebenso Jahrtausende, bis er unter Erwärmung wieder auftaut. Da stellt sich die Frage: Warum ist das Auftauen des Permafrosts eigentlich so schlimm?
Warum ist Permafrost relevant?
Aufgrund der polaren Verstärkung (engl. Polar Amplification) erfolgt die Erwärmung an den Polen deutlich schneller als auf globaler Skala (Hauptgrund dafür sind verändertes Strahlungsverhalten und höhere Albedo). Dadurch taut der Boden in den Sommermonaten deutlich tiefer auf. Permafrostböden sind enorme Kohlenstoffspeicher, die größten Mengen befinden sich in der Auftauschicht der Böden. Aktuell wird angenommen, dass sich im Permafrost 1300 bis 1600 Gigatonnen Kohlenstoff befinden (als Vergleich: die gesamte Erdatmosphäre enthält circa 800 Gigatonnen an Kohlenstoff). Dieser stammt von Pflanzen- und Tierresten, die über Jahrtausende abgelagert wurden. Durch die globale Erwärmung tauen die Permafrostböden auf und Mikroorganismen und Bakterien werden aktiv. Die Zersetzung der eingelagerten Tier- und Pflanzenreste hat eine Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Methan zur Folge – bekanntlich zwei der wichtigsten Treibhausgase. Diese fördern nun die weitere Erhöhung der Temperaturen und tragen somit zum weiteren Auftauen des Permafrost bei. Diesen Kreislauf nennt man einen sich selbst verstärkenden Effekt oder auch Permafrost-Kohlenstoff-Rückkopplung:
Und genau dieser Effekt kann enorme Auswirkungen auf die Erwärmung weltweit haben. Modellierungen haben ergeben, dass das Auftauen von Permafrost unter anhaltender Erwärmung einen Temperaturanstieg von 0,29 °C bis zum Jahr 2100 zur Folge hat (bis 2300 von 0,4 °C). Aktuell wird davon ausgegangen, dass es sich global bis zum Ende des Jahrhunderts um 1,8 (± 1,1-2,9) bis 4,0 (± 2,4-6,4) °C erwärmt. Bei diesen Werten klingt der Beitrag zum Temperaturanstieg durch Permafrost nicht viel, aber das Zusammenspiel der einzelnen Erwärmungsfaktoren kann Auswirkungen haben, die heute noch nicht bekannt sind. Auch der eben beschriebene Rückkopplungseffekt kann dafür sorgen, dass der Einfluss vom tauenden Permafrost größer ist, als es bisher angenommen wird.
Was wir bei all dem nicht vergessen dürfen ist, dass es sich hierbei nur um Modellierungen handelt! Diese können vielen Unsicherheiten unterliegen und häufig nicht alle Faktoren berücksichtigen, die zur Änderung beitragen.
Permafrost ist nur ein einziger Faktor, der zum globalen Temperaturanstieg beiträgt. Der dauerhaft gefrorene Boden ist ein riesiges Forschungsfeld, ich habe hier lediglich einen winzig kleinen Teil abdecken können. Wer weiteres Interesse daran hat, dem empfehle ich wärmstens, sich auf dieser Internetseite mal umzuschauen.
genutzte Quellen:
Alfred-Wegener-Institut (2015): Kohlenstoff im Permafrost. (URL: https://www.awi.de/forschung/nachwuchsgruppen/peta-carb/kohlenstoff.html)
Alfred-Wegener-Institut (2017): Permafrost. (URL: https://www.awi.de/im-fokus/permafrost.html)
Ehlers, J. (2011): Das Eiszeitalter. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg.
IPCC (2007): Climate Change 2007: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fourth Assess-ment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. IPCC. Genf.
Umweltbundesamt (2013): Zu erwartende Klimaänderungen bis 2100. (URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimawandel/zu-erwartende-klimaaenderungen-bis-2100)
Vaughan, D.G., J.C. Comiso, I. Allison, J. Carrasco, G. Kaser, R. Kwok, P. Mote, T. Murray, F. Paul, J. Ren, E. Rignot, O. Solomina, K. Steffen and T. Zhang (2013): Observations: Cryosphere. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
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