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Skalarwellen – Chimäre oder doch ein Faktum?
Ich bin Ingenieur im Ruhestand. Ich habe mich immer für Wissenschaft interessiert und lese seit 35 Jahren Spektrum der Wissenschaft, was ich nur empfehlen kann. Auch versuche ich mich an Experimenten, die meist höchst erstaunliche Resultate zeigen. Allerdings eher selten die erwarteten.
Haben Sie schon einmal von Skalarwellen gehört? Bitte nicht gleich aufhören zu lesen, ich weiß, welchem Verdacht ich mich jetzt aussetze. Jetzt kommt einer dieser Tesla-Fans, der uns von drahtloser Energieübertragung erzählen will. Oder noch schlimmer von Konstantin Meyls Neutrinopower. Keine Angst, so schlimm wird es nicht. Es stimmt allerdings, dass ich diesen Artikel nicht geschrieben hätte, wenn ich nicht im Jahr 2009 zufällig auf den Infostand von Professor Meyl auf dem Mannheimer Maimarkt gestoßen wäre. Seine Experimente blieben mir unverständlich, ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Um es kurz zu machen: Meyls Thesen sind inzwischen widerlegt, wie man im Internet an vielen Stellen nachlesen kann. Spätestens mit seiner „Neutrinopower“ hat er sich endgültig ins Abseits manövriert.
Dies noch nicht wissend, habe ich sein Buch gekauft und bevor es dann estoterisch wird, berichtet Meyl von einem höchst interessanten akademischen Streit gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die von Heinrich Hertz entdeckt Radiowellen waren eindeutig transversaler Natur, das heißt sie vollziehen Schwingungen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Als Beispiel können hier Wasserwellen dienen. Womit Hertz sogleich sämtliche Wissenschaftler in Europa überzeugen konnte, nicht aber Nikola Tesla in den USA. Dieser behauptete, die Wellen seien skalarer Natur, also Longitudenalwellen, die nur in Ausbreitungsrichtung schwingen. Ein Beispiel dafür sind Schallwellen. Nun war Tesla ja nicht irgendwer, er hat den Wechselstrom erfunden und unbestreitbar geht eine Vielzahl von nützlichen Patenten auf sein Konto. Um den Streit zu schlichten, wurde Lord Kelvin zu Tesla geschickt, die damals führende Kapazität. Sein Resümee war, dass beide recht hatten. Dieser Teil der Geschichte stimmt und hat sich so zugetragen. Ja, aber was sind nun Skalarwellen und wie kann man sie messen? Das blieb unbeantwortet.
Teslas Behauptung, er könne mit Skalarwellen Energie durch die Luft übertragen, ist hier besonders hervor zu heben. Hierzu wurde ein riesiger Turm gebaut, der Wardenclyffe-Tower und die Energieübertragung habe an Vorgängermodellen auch funktioniert, wie es heißt. Allerdings wurde der Tower nie fertiggestellt, Teslas Geldgeber zogen sich zurück und der Tower wurde am Ende abgerissen. Um dieses Ereignis ranken sich unzählige Gerüchte, eines davon behauptet, die Übertragung sei verlustlos möglich. Oder gar mit Overunity, die ja heute nie fehlen darf. Soweit ich sehe, hat Tesla weder das eine noch das andere jemals behauptet. Der Erfinder war offenbar deutlich kompetenter als seine Fans.
Wenn man sich Teslas Patente ansieht, bemerkt man, dass er nicht wie Hertz mit einer Antenne arbeitete, vielmehr tauchen immer wieder Metallkugeln und Flachspulen auf. Es wundert mich sehr, dass dies nirgends erwähnt wird, denn natürlich erzeugt man mit unterschiedlichem Equipment auch unterschiedliche Phänomene. Teslas Hardware konnte keine Radiowellen erzeugen, das einzige, wozu eine Metallkugel imstande ist, ist der Aufbau eines elektrischen Feldes. Nehmen wir eine geladene Metallkugel, dann umgibt diese ein radiales elektrisches Feld. Damit kann man keine Energie übertragen, das ist erst dann möglich, wenn man auf die Kugel eine Wechselspannung gibt. Eine Testladung in der Nähe der Kugel wird dann im Takt der Spannung hin und her schwingen. Eine ortsfeste Metallkugel in der Nähe wird anfangen, im Gegentakt zur sendenden Kugel zu schwingen. Auch damit ist Energieübertragung durchaus möglich. Keine Frage, dass man dieses Feld auch zur Kommunikation nutzen könnte. Ist nun das von einer Kugel ausgehende elektrische Wechselfeld eine Skalarwelle? Eindeutig ja. Ich verstehe nicht, dass sich alle Beteiligten mit dieser einfachen Erklärung so schwer taten.
Noch ein Detail spricht für die Richtigkeit dieser Annahme: es wird berichtet, dass die Kühe bei vorhergehenden Übertragungsversuchen (vor dem Wardenclyffe-Tower) ziemlich verrückt spielten, als der Sender eingeschaltet wurde. Dann aber, als die Übertragung funktionierte, beruhigten sie sich wieder. Das ist genau das zu erwartende Verhalten, wenn sich die Empfängerkugel erst einschwingen muss. Erst breiten sich die Feldlinien des Senders in alle Richtungen aus, aber wenn der Empfänger auf Resonanz ist, konzentrieren sie sich auf diesen. Das Verfahren wäre natürlich eleganter zu lösen, indem man zwei Kugelsegmente passend zueinander ausrichtet. Oder aber mit einer Flachspule. Diese sendet ein gerichtetes axiales Feld aus, allerdings in beide Richtungen.
Nächste Frage natürlich: ist etwa der Elektrosmog etwa ein rein elektrisches Feld? Gemessen werden in diesem Zusammenhang immer die elektromagnetischen Feldstärken, die aber zu keinem eindeutigen Resultat führen. Eine EM-Welle kann nicht aufgebaut werden, ohne dass vorher eine elektrische Spannung gleicher Frequenz erzeugt wurde, welche dann ein entsprechendes Feld induziert, sodass beide Phänomene immer gleichzeitig auftreten. Mit dem Unterschied, dass man EM-Felder mühelos messen kann, rein elektrische Felder hingegen nicht. Da ist schon die Messung eines statischen Feldes sehr aufwendig, ein Gerät zu Messung der Wechselfelder habe ich schlichtweg nicht gefunden. Gibt es das? Ich habe dazu ausgiebig das Internet befragt, dabei fand ich, dass Wünschelrutengänger behaupten, sie könnten genau diese Felder muten. Nur leider überzeugt das die Wissenschaft nicht letztlich. Man legt hier Wert auf eine Digitalanzeige.
Noch ein Unterschied: EM-Wellen können durch eine Blechwand abgeschirmt werden, überwiegend sogar durch einen Maschendraht. Das elektrische Feld ist damit nicht aufzuhalten, man muss sich komplett in einen Faradayschen Käfig setzen, um das abzuschirmen. Das würde die Wirkungslosigkeit vieler Abschirmversuche erklären. Resümee also: man müsste erst einmal die Gefährlichkeit der Felder abschätzen, bevor man mit Übertragungsversuchen beginnt. Die einzige bisher bekannte Testperson gibt erstmal Anlass zur Entwarnung. Nikola Tesla wurde immerhin fast 87 Jahre alt.
Das Thema hätte ja Potential: eine drahtlose Energieübertragung wäre höchst wünschenswert. Heutige Systeme schaffen nur kurze Distanzen und das bei hohen Verlusten. Eigentlich könnte man darauf die gesamte Kommunikation aufbauen und das vielleicht mit geringerem Energieaufwand als heute. Und last not least: vielleicht senden fremde Zivilisationen rein elektrisch, wir aber horchen nicht. Das wäre fatal.
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