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Zwei vegetarische Wiener Kochbücher aus der Zeit um 1900

von Birgit Pack

Ich bin Historikerin und seit langem Vegetarierin. In meinem aktuellen Forschungsprojekt über die Wiener Vegetarier/innen-Bewegung von 1870-1938 kann ich beide Leidenschaften verbinden.

Vegetarisch – was kann man denn da noch essen? Diese Frage, Vegetarier/innen der Gegenwart sattsam bekannt, stellte sich Marie Schmall nach ihrer Heirat mit Josef Schmall im Jahr 1894. Ihr vegetarisch lebender Ehemann setzte voraus, dass Marie Schmall für ihn fleischlose Leckerbissen auf den Tisch brachte. Rückblickend erinnerte sie sich: “Obzwar mir dies im Anfange eine fast unmögliche Aufgabe schien […] gieng’s auch mit der neuen Küche bald besser, ja ich fand sehr bald vielen Gefallen daran und kam schon nach ganz kurzer Zeit mit Überraschungen, welch’ neue damals noch ganz unbekannte Speisen meinem Manne immer viele Freuden bereiteten und diese wieder meinen Eifer anfachten” (Schmall 1900: 53). Als das Ehepaar Schmall um 1895 im 8. Bezirk das erste Reformhaus Wiens eröffnete, gab Marie Schmall ihre Koch-Erfahrungen auf Flugblättern an ihre Kundinnen weiter. Das große Interesse an den Tipps und Rezepten veranlaßte sie, wenig später ein vegetarisches Kochbuch zu veröffentlichen. Die Zukunftsküche, 1900 erschienen, war dabei nicht das erste fleischlose Kochbuch Österreichs: Bereits im Jahr davor hatte Franz Kanitsár sein gebündeltes Wissen darüber, Wie die österreichischen Vegetarier kochen publiziert. Anhand dieser Kochbücher und ihren Autor/innen skizziere ich in diesem Blogbeitrag die Geschichte der Wiener vegetarischen Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts: Wer entschloß sich um die vorletzte Jahrhundertwende, fleischlos zu leben und welche Gründe gab es dafür? Wie verbreitet war ein vegetarischer Ernährungsstil und welche kulinarischen Alternativen fanden Vegetarier/innen in der Backhendl- und Schnitzelmetropole anno 1900?

Die ersten beiden österreichischen vegetarischen Kochbücher (gemeinfrei)

Die ersten beiden österreichischen vegetarischen Kochbücher (gemeinfrei)

Franz Kanitsár und der Wiener Vegetarierverein
Franz Kanitsár (ca. 1840-1937) war eines der aktivsten Mitglieder des Wiener Vegetariervereins und für einige Jahre dessen Vorsitzender. Der Verein war 1881 gegründet worden und versuchte vor allem über Vorträge, die Wiener/innen zum Vegetarismus zu bekehren (Vgl. dazu und zu anderen Angaben zur Wiener vegetarischen Bewegung die Beiträge auf dem Blog Vegetarisch in Wien um 1900).

In Kochbüchern der Jahrhundertwende war es üblich, zusätzlich zu Rezepten Speisezettel abzudrucken, die Menüvorschläge lieferten. Mit der Menüfolge Vorspeise – Hauptgericht – süße Mehlspeise hielten sich die Vegetarier/innen an die in bürgerlichen Kreisen obligatorischen drei Gänge. (aus: Kantisár: Wie die österreichschen Vegetarier kochen. 1899: 39, gemeinfrei)

In Kochbüchern der Jahrhundertwende war es üblich, zusätzlich zu Rezepten Speisezettel abzudrucken, die Menüvorschläge lieferten. Mit der Menüfolge Vorspeise – Hauptgericht – süße Mehlspeise hielten sich die Vegetarier/innen an die in bürgerlichen Kreisen obligatorischen drei Gänge. (aus: Kantisár: Wie die österreichschen Vegetarier kochen. 1899: 39, gemeinfrei)

Da keine Mitgliederverzeichnisse erhalten blieben, kann über die Vereinsangehörigen (deren Zahl sich meist im zweistelligen Bereich bewegte) keine statistische Aussage getroffen werden. Sieht man sich die Funktionäre und Vortragenden an, trifft jedoch der Befund, den Hans-Jürgen Teuteberg für den Deutschen Verein für naturgemäße Lebensweise für das Jahr 1884 erstellte, auch auf Wien zu: Der Großteil der deutschen Vereinsmitglieder gehörte dem Bürgertum und Kleinbürgertum an (Teuteberg: Sozialgeschichte 1994: 57). Als Eisenbahnbeamter entsprach Franz Kanitsár diesem Trend. Die Gründe dafür, dass die Vegetarier/innen-Bewegung ein bürgerliches Phänomen war, sind vor allem ökonomischer Natur: Für Arbeiter/innen stellte sich die Frage, ob sie regelmäßig Fleisch konsumieren wollten nicht, da sie sich das nicht leisten konnten. Die aktive Vereinsmitgliedschaft setzte außerdem Freizeit voraus (vor Einführung der 5-Tages-Woche mit 8-Stunden Arbeitstagen keine Selbstverständlichkeit) und finanzielle Ressourcen für gemeinsame Restaurantbesuche oder Beiträge für beispielsweise das Drucken von Flugblättern.

Die naturgemäße Lebensweise
Franz Kanitsár war in den 1870er Jahren über eine Krankheit zur vegetarischen Ernährung gekommen und ist auch damit repräsentativ für die erste Generation von Vegetarier/innen im 19. Jahrhundert. Für diese stand eine „reizarme“ Diät im Vordergrund, neben Fleisch mieden sie auch Gewürze, Alkohol und Tabak. Zusätzlich zu dem gesundheitlichen Hauptargument wurden ethische bzw. religiöse und ökonomische Gründe für den Fleischverzicht angeführt. Vegetarismus und Tierschutz wurden dabei oft als Maßnahme zur Steigerung der Moral betrachtet, wie Franz Kanitsár ausführte: „Alles Blutige soll vom Tische des Kindes verschwinden, damit seine Seele sich nicht belaste. Die Pflanzenkost macht den Menschen fähig, sich der Laster zu erwehren, welche überall auf ihn lauern“ (Kanitsár: Vegetarier 1899: 2).

Viele Vegetraier/innen im 19. Jahrhundert aßen sehr einfach (aus: Kantisár: Wie die österreichschen Vegetarier kochen. 1899: 27, gemeinfrei)

Viele Vegetraier/innen im 19. Jahrhundert aßen sehr einfach (aus: Kantisár: Wie die österreichschen Vegetarier kochen. 1899: 27, gemeinfrei)

Ähnlich puristisch wie die Moralvorstellungen waren auch die „Kochvorschriften“ (so der zeitgenössische Ausdruck für Rezept) in Wie die österreichischen Vegetarier kochen: Die einzelnen Gerichte bestanden aus wenigen Zutaten und waren kaum gewürzt. Verwendet wurden die damals in Ostösterreich verbreiteten Gemüse- und Getreidesorten wie Kraut, unterschiedliche Rübenarten, Grünkern oder Polenta sowie Hülsenfrüchte. Auffällig ist, dass Franz Kanitsár ebenso wie Marie Schmall Mehlspeisen großen Raum gibt. Süße Hauptgerichte oder Nachspeisen wie Grießschmarren mit Obst, Topfenstrudel oder Äpfel im Schlafrock waren aus der Wiener Küche nicht wegzudenken und die österreichischen vegetarischen Kochbüchern hoben sich dadurch deutlich von ihren deutschen Pendants ab. Trotz der internationalen Vernetzung mit Gleichgesinnten, die für die Vegetarier/innen im 19. Jahrhundert eine große Rolle spielte, waren die Rezepte der Wiener vegetarischen Kochbücher stärker an der lokalen Küche orientiert als an überregionalen lebensreformerischen Trends wie beispielsweise der Rohkost.

Marie Schmall: Frauen in der Lebensreformbewegung
Weniger karg als die Ernährungsstipp von Franz Kanitsár präsentierte Marie Schmall (1868-1943) ihr Kochbuch. Als (Mit-)Betreiberin eines Reformhauses und Kochbuchautorin zählte sie zu jenen wenigen Frauen der Lebensreformbewegung, die öffentlich sichtbar waren. Während heute Vegetarismus weiblich konnotiert ist, war der Großteil der (organisierten) Vegetarier/innen um die Jahrhundertwende Männer. Der Grund dafür harrt noch der Erforschung, möglicherweise liegt er im gesundheitlich-medizinischen Schwerpunkt der frühen Lebensreformer(innen) oder darin, dass der Verzicht auf Fleisch einen Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen bedeutete, zu dem Frauen nicht so sehr in der Lage oder bereit waren. Zudem lag die Entscheidung, was in einem Haushalt gegessen wurde, meist beim männlichen Haushaltsvorstand. Für fortschrittliche und gesellschaftskritische Frauen dürfte die Vegetarier/innen-Bewegung auch wenig attraktiv gewesen sein, da konservative Geschlechterrollenbilder vorherrschten, wie das Zitat von Marie Schmall am Anfang dieses Beitrags zeigt: Auch jene Männer, die sich vorstellen konnten, von der Tradition des Fleischessens abzugehen, hielten es offensichtlich für undenkbar, sich die vegetarischen Speisen selbst zu zubereiten. Frauen wurden auch von jenen, die einen alternativen Lebensstil wählten, primär in der Küche verortet. Während sich unter Vortragenden zum Thema Vegetarismus selten Frauen fanden, ist ihr Anteil unter Wirt/innen oder Kochbuchautor/innen dementsprechend höher.

Marie Schmall (aus: Schmall: Die ZUkunftsküche. 1900: 52, gemeinfrei)

Marie Schmall (aus: Schmall: Die Zukunftsküche. 1900: 52, gemeinfrei)

Diese Rollenverteilung ist auch in Die Zukunftsküche präsent: Ein theoretischer Abschnitt über den Vegetarismus wurde von Josef Schmall verfasst, den nachfolgenden praktischen Rezeptteil steuerte Marie Schmall bei. Sie hatte dabei den Anspruch, einen umfassenden Küchenratgeber zu liefern, indem sie beispielsweise auch Tipps zur Küchenausstattung gab. Die Rezepte sind, für heutige Leser/innen ungewohnt, aber durchaus nicht selten um 1900, nach dem Modulsystem aufgebaut: Es wurden nicht vollständige Gerichte mit einer Hauptspeise und Beilagen vorgestellt, sondern einzelne Komponenten, die beliebig kombiniert werden konnten, wozu Marie Schmall auch Empfehlungen abgab.

Reformwaren und Konsumgesellschaft
Die Reformhausbetreiberin Schmall führte in ihren Rezepten viele Markenprodukte überregionaler Firmen an. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden durch technische bzw. chemische Entwicklungen neue Produkte wie Haferflocken (für die Haferkörner gewalzt wurden) oder Kokosfett, das besonders für Vegetarier/innen eine wichtige Alternative zu dem in der Wiener Küche omnipräsenten Schmalz darstellte. Durch industrielle Produktionsverfahren waren diese Produkte auch für das (Klein-) Bürgertum und zumindest teilweise für (Fach-)Arbeiter/innen leistbar. In vielen Fällen wurden die Firmennamen der Hersteller zum Synonym für das von ihnen entwickelte Produkt, so wie in Marie Schmalls Rezept „Laureol“ für Kokosfett stand. Prominente Beispiele sind die Maggi Würzsauce oder Knorr Suppenwürfel, die beide im Jahr 1890 auf den Markt kamen und besonders in Vegetarier/innen-Kreisen beliebt waren.

Marie Schmall verwendete für ihre Rezepte häufig Produkte, die es in ihrem Reformhaus zu kaufen gab. (aus: Schmall: Die Zukunftsküche. 1900: 75, gemeinfrei)

Marie Schmall verwendete für ihre Rezepte häufig Produkte, die es in ihrem Reformhaus zu kaufen gab. (aus: Schmall: Die Zukunftsküche. 1900: 75, gemeinfrei)

Auch wenn Vegetarier/innen einzelne Entwicklungen am Ernährungssektor kritisierten (wie den Trend zum Weißbrot), bildeten viele Menschen, die sich fleischlos ernährten eine Konsument/innengruppe, die Innovationen am Lebensmittelmarkt positiv gegenüber stand und diese auch durch Empfehlungen bewarb – vorausgesetzt sie waren vegetarisch. Reformhäuser boomten um 1900 und sind, neben vegetarischen Restaurants die es um die Jahrhundertwende in jeder Großstadt gab, ein Beleg für die Verbreitung des Vegetarismus in dieser Zeit, die über die Mitglieder in Vegetarier/innen-Vereinen hinaus ging.

Ob sich Franz Kantisár und Marie Schmall kannten und häufig aufeinandertrafen, wissen wir nicht. Führten sie Streitgespräche über die Frage ‚Konsumverzicht – ja oder nein?‘ oder sahen sich beide als Vertreter/innen einer Bewegung, die auf unterschiedliche Art und Weise dasselbe Ziel (die Abkehr vom Fleischkonsum) hatten? Rückblickend kann man anhand ihrer Beispiele feststellen, dass es um 1900 unter den Vegetarier/innen vielfältige Vorstellungen zur Ernährung gab. Die theoretische Überzeugungsarbeit mittels Vorträgen und die praktische Werbung für den Vegetarismus durch das Angebot von fleischlosem Essen in Restaurants und Reformhäusern waren zwei Schienen, über die möglichst viele Wiener/innen von den gesundheitlichen und ethischen Vorteilen eines vegetarischen Lebensstils überzeugt werden sollten. Das Speisenangebot umfasste dabei traditionell fleischlose Gerichte ebenso wie Neuerungen im Lebensmittelbereich. Die Grundlage blieben Elemente der Wiener Küche des Bürgertums.

Literatur und Quellen:
Pack, Birgit: Vegetarisch in Wien um 1900. Blog zum Forschungsprojekt, abrufbar unter

Teuteberg, Hans-Jürgen: Zur Sozialgeschichte des Vegetarismus. In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 81 (1994), S. 33-65.

Kanitsár, Franz: Wie die österreichischen Vegetarier kochen. Liesing: Eigenverlag 1899.

Schmall, Josef / Schmall, Marie: Die Zukunftsküche. Letzter Rettungsanker zur Verhütung völliger Entartung der Menschheit. In zwei Theilen: 1. Ungeschminkte Worte zur rechtzeitigen Umkehr von Josef Schmall. 2. Praktische Unterweisungen in der Zukunftsküche von Marie Schmall. Wien: Eigenverlag 1900.

Kommentare (44)

  1. […] am 22.09.2017: Link zum Artikel […]

  2. #2 tomtoo
    22. September 2017

    War jetzt mal was ganz anderes , hat mir aber sehr gut gefallen.

  3. #3 Dampier
    22. September 2017

    Mir hat’s auch gefallen. Interessanter Blick in die Vergangenheit.

    süße Mehlspeisen

    Die sind ja kaum rein pflanzlich herzustellen. Gab es damals schon die Unterscheidung zwischen Puristen und Ovo-Lacteo-Vegetariern (Bzw. zwischen “nichts außer Gemüse” und “alles außer Fleisch”)?

  4. #4 Birgit
    22. September 2017

    @Dampier: Alle Vegetarier, die auch Eier und Milch(produkte) mieden, wurden damals als “Vegetarianer strengster Observanz” bezeichnet. Der Begriff “vegan” wurde dann in den 1940er Jahren geprägt. In Wien gab’s aber noch weniger “Veganer” als in Deutschland, was meiner Erkenntnis nach viel mit der Mehlspeistradition zu tun hatte.
    Vor allem die ersten Vegetarier waren generell gegen jede Art von Genuss / Völlerei (je nachdem, wie man’s sieht), um 1900 war das aber schon nicht mehr so streng und es gab in Wien sogar ein vegetarisches Restaurant, das auch Alkohol verkaufte (was lange ein Tabu in Lebensreformkreisen war).

  5. #5 RPGNo1
    22. September 2017

    @tomtoo
    Der gleiche Gedanke kam mir nach dem Lesen auch.
    Mal was ganz anderes als die mehr naturwissenschaftlich oder technisch geprägten Artikel der anderen Wettbewerbsteilnehmer.

  6. #6 Peter L
    22. September 2017

    Sehr interessanter Artikel, vor allem nicht das typisch “verstaubte”, das man bei historischen Themen oft erwartet (und leider auch genauso oft bekommt).

    @Dampier Tippe mal, dass sich der Veganismus/Puristen aus den (Ovo-Lacteo-)Vegetariern heraus entwickelt hat. Ideologien entwickeln sich eher vom gemäßigten zum extrem, selten in die andere Richtung.

  7. #7 tomtoo
    22. September 2017

    @RPGNo1
    Man ist ja irgentwie auch Opfer seiner eigenen Interresensblase. Das als Überschrift bei SPON, hätte ich bestimmt geskipt. Zu unrecht, hätte ja einen tollen Artikel verpasst. : )

  8. #8 richard
    22. September 2017

    Toller Beitrag. Neu war für mich generell, dass Vegetarismus um 1900 doch gesellschaftlich etabliert war und über div. Marketingaktivitäten (Reformhäuser, Rezepte, Flugblätter,…) versucht wurde, Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Sehr originell auch die Idee, Rezepte modular aufzubauen.
    Der Artikel ist sehr schön strukturiert und flüssig zu lesen.

  9. #9 Universallaie
    22. September 2017

    @Dampier & Peter L
    Eier sind als Zutat im Rezept für “Wiener-Coteletts” als Zutat angegeben.

    @Birgit Pack
    Die Links unter dem Beitrag verweisen alle auf Ihren blog; ist das intendiert oder ist da etwas schiefgegangen?

    Interessanter Text, gefällt mir.

  10. #10 Birgit
    22. September 2017

    @Universallaie: Da wurden irrtümlich die Literaturangaben mit als Link formatiert.

  11. #11 Franz
    22. September 2017

    Es ist nur interessant, dass auch schon am Beginn sehr stark dieser missionarische Unterton vorhanden war der vermutlich erklärt, warum Veganer immer so quasireligiös unterwegs sind.
    Eins finde ich nur unfair: Wenn ein Vegetarier zu mir zu Besuch kommt wird erwartet, dass ich vegetarisch koche. Andererseits habe ich noch nie bei einem Vegetarier ein Schnitzel bekommen.
    Echt witziger Artikel. Er war so interessant, dass ich sogar meine sonstige Vorgabe keine gegenderten Texte zu lesen kurz aussetzen musste 🙂

  12. #12 Stephan
    22. September 2017

    Was ist denn Arbeiter/innen, Vegetarier/innen, Lebensreformer(innen), Wirt/innen, Leser/innen ??
    Kopfkratz…

    Trotz dieser Unverständlichkeiten, die das Lesevergnügen nicht unerheblich minderten, ein interessanter Artikel, zeigt schön, daß der Leugnerismus bereits damals Fuß gefaßt hat.

  13. #13 Laie
    23. September 2017

    Interessant, wusste gar nicht, wie lange es den freiwilligen Vegetarierismus schon gibt. Damals gab es ja nicht täglich Fleisch.

    Das Bild zeigt eine Frau, die vielleicht ein Korsett trug, was nicht soo gesund war…für die Verdauung usw.

  14. #14 Cornelia S. Gliem
    23. September 2017

    Schöner Text. interessantes wenn er auf ersten Blick etwas abwegigeres Thema; dadurch aber auch noch nicht ausgelutscht – gerade nach dem doch etwas physischen Beginn des Wettbewerbs erfreulich.
    das mit dem modularen Rezepten finde ich eigentlich sehr einleuchtend. dass es um 1900 schon so viele Vegetarier gab, überraschend…
    # 11 wo ist denn der Text gegendert? ich musste erst mal nachgucken, weil mir das gar nicht aufgefallen war :-).

  15. #15 drmarcuse
    23. September 2017

    “…neue Produkte wie Haferflocken…”
    Brühwürfel waren neu oder Konservendosen. Aber doch nicht Haferflocken. Die nutzt man seit mindestens 5000 v. Chr.. Und nicht nur für Pferde.

  16. #16 rolak
    23. September 2017

    wo ist denn der Text gegendert?

    Tja, Cornelia, auch hier gilt: ‘ich musste erst mal nachgucken’, fand allerdings

    Vegetarier/innen

    Was daran jetzt aber erwähnenswert oder gar abschreckend sein soll, kann ich nicht nachvollziehen.

  17. #17 Birgit
    23. September 2017

    @drmarcuse: Hafer wird seit Jahrtausenden gegessen, aber nicht in Form von Flocken. Wahrscheinlich kann man auch selber aus den Haferkörnern Flocken pressen/walzen, aber zu kaufen gibt es Haferflocken erst, seit diese maschninell hergestellt werden können. Der Vorteil gegenüber Haferkörnern ist u.a., dass Flocken schneller verarbeitet werden können (einweichen statt kochen).

  18. #18 T
    23. September 2017

    @ Stephan #12

    Trotz dieser Unverständlichkeiten, die das Lesevergnügen nicht unerheblich minderten

    Unverständlich ist nur künstliche Empörung dieser Sorte. Keine anderen Probleme?

  19. #19 rolak
    23. September 2017

    einweichen statt kochen

    Das wäre beides schade, Birgit, ist doch (nicht nur, aber insbesondere wegen der üblichen Darre) Hafer das einzige Getreide, das in Vollkorn roh genossen werden kann, ohne irgendwelche Problemchen zu verursachen (ischsachnur Phytin).

    Zugegeben, es ist Geschmacks-Sache, doch auch wg der -Änderung fällt für mich Haferpamps unter ‘bloß nicht’, gekochter Haferpamps (aka Porridge) soll sogar strafmildernd bei roher Gewalt sein.

    Gleich gibts Kürbiseintopf, auch vegetarisch, aber nur deswegen, weil bei der Resteverwertung (Rumfort, alles was rumliegt und fort muß) keine Produkte von oder aus Tieren anfielen und kein Bedarf zu erkennen war. Wartet im Kühlschrank, zwei Tage lang verdrängt von der InfektHühnerbrühe.

  20. #20 Birgit
    23. September 2017

    Ich wußte nicht, dass man Hafer nicht unbedingt kochen muss. Danke für die Info, rolak und guten Appetit!
    Eigentlich wollte ich schon für diesen Blogartikel die “Coteletts” nachkochen. Das werde ich noch machen, aber ich glaube, ich werde bei den verschiedenen Sorten Flocken ein bisschen schummeln.

  21. #21 tomtoo
    23. September 2017

    Ich bin ein Banause. Süßes Kraut kannte ich garnicht.

  22. #22 rolak
    23. September 2017

    schummeln

    Wie ist das eigentlich mit den Feldmeister-Flocken, Birgit, ist das irgendwo in den Büchern erklärt, Pflanzen- oder Hersteller-Name? Traktoren ja wohl weniger. Paradies-F könnten ja TomatenBröckel sein, zusammen mit der angedünsteten Zwiebel kann ich mir das dann als recht schmackhaft vorstellen. Vielleicht noch gehackter Staudensellerie, der gibt immer reichlich GeschmacksSubstanz…
    Gleichfalls einen Guten!

    Süßes Kraut

    Tja, hier kann man halt alles mögliche (kennen)lernen, tomtoo, nach einiger Zeit im Frankenland sind mir solche Zubereitungsformen aber nicht mehr fremd. Und soooo süß ists auch gar nicht, s’werden nur die Zwiebeln karamellisiert. U.a. für solche Schnell-Krautzubereitungen wird hier immer der Kümmel vom letzten Essenz-Ansatz (Mazeration) im Kühlschrank (und so) gebunkert, der ist schon sehr weich und hat von dem obligatorischen Quäntchen Rohrzucker auch bereits die passende Geschmacksrichtung.

    Und ein, eventuell zwei Mal hat sich über die Zeit soviel Flüssigkeit unten in der Dose gesammelt, daß es für ‘nur einen wönzigen Schlock’ reicht 🙂

  23. #23 anderer Michael
    23. September 2017

    Frau Birgit Pack
    Frage: Die vielen süßen Mehlspeisen !Könnte es im Zusammenhang mit dem Zuzug bömischer/ mährischer Menschen (zumeist tschechischer Muttersprache) nach Wien im 19.Jahrhundert zu tun haben?

  24. #24 rolak
    24. September 2017

    bömischer/ mährischer?

    Nö, nur einzelne der Gerichte wie Knedlíky(neutral)² aus Böhmen, und die durchaus auch mittelbar wie Strudel(süß/herzhaft) via Ungarn aus dem Osmanischen Reich. Doch generell gabs das Gros der süßen Mehlspeisen auch schon wesentlich früher, bis runter zu den Römern (Gugelhupf in Carnuntum). Nur die Beschränkung des Begriffs auf ‘Nachtisch’ (und damit ‘süß’) entwickelte sich im 19.Jhdt, ob zuwanderungsbedingt oder nicht.
    Ansonsten waren/sind Mehlspeisen nicht nur nicht unbedingt süß, sondern nicht einmal unbedingt mit Mehl, sondern die Sammelkategorie für ‘ohne Fleisch’. Eine äußerst wesentliche Kategorie für katholische Gebiete, da dereinst die fleischlos-Fastenzeit zusammengezählt fast das halbe Jahr umfaßte.

    ____________________________
    ² eigentlich noch nicht einmal aus Mehl, sondern aus Dunst.

  25. #25 Birgit
    24. September 2017

    Die Feldmeister-Flocken geben mir auch ein Rätsel auf. Ich vermute, dass es sich um einen Herstellernamen handelt, habe aber noch gar nichts dazu gefunden. Ähnlich geht es mir mit manchen Gemüsesorten, da kommt noch die Herausforderung der Dialeketausdrücke dazu.

    In punkto Mehlspeisen schließe ich mich rolak an. Böhmische/Mährische Einflüsse haben die Tendenz, die es schon länger gab, sicher verstärkt. Die norddeutschen Vegetarier waren auf jeden Fall oft irritiert angesichts der Wiener “Schlemmereien”.

  26. #26 rolak
    24. September 2017

    nichts dazu gefunden

    Die bisher einzige Idee einer Möglichkeit zur Lösung gaben Erinnerungsbilder alter Gazetten, Birgit, irgendwo faksimilierte Blätter mit höchst amüsanten Annoncen für sämtliche Elemente des täglichen Lebens. Wie am Suchmuster leicht zu erkennen, fiel mir als erstes ‘Die Gartenlaube’ ein, doch für Wien gibt es sicherlich ein vergleichbares Blatt.

    Eine lesevergnüglichere Recherche dürfte kaum machbar sein, immerhin prallen da >100Jahre-entfernte Weltsichten aufeinander..

  27. #27 tomtoo
    24. September 2017

    @Rolak
    Dunst ? Kannte ich auch nicht. Dachte du machst einen Scherz, und meinst den Hauptbestandteil einer perfekten Dampfnudel.
    : )

  28. #28 tomtoo
    24. September 2017

    Felmeister ea ja auch so eine Art Berufsbezeichnung, Sowas wie Erntechef. Könnte also durchaus eine Mischung sein ?

  29. #29 tomtoo
    24. September 2017

    Feldmeister war.
    sry

  30. #30 Lercherl
    24. September 2017

    Ich vermute, Feldmeister ist irgendein Kraut, analog zum Waldmeister. Franz Seraph Sailer in “Die Flora Oberösterreichs”, 1841, identifiziert es mit Sherardia arvensis, Ackerröte. Ich finde keinen Hinweis darauf, dass letztere essbar wäre. Regional können wohl auch andere Pflanzen damit bezeichnet worden sein.

  31. #31 rolak
    24. September 2017

    Dampfnudel

    Unverschämtheit, tomtoo!
    Kommste nur mal eben während des BrotteigMachens hier am Rechner vorbei, um den Kronkorken der neuen SesamÖl-Flasche runterzuhebeln und was ist? Jetzt mußte echt wirklich unbedingt ganz dringend noch ein kleines WeizenHefeSüßHerzhaft-Experiment für gleich zum Mitbacken² gemacht werden.
    Nee, nee, nee…

    Immerhin ist so der letztens übergebliebene halbe Hefewürfel³ artgerecht entsorgt worden.

    ________________
    ² da hing so ein Plakätchen “kleines Leckerli zum Mitbacken gesucht”
    ³ der nie ein Würfel war, wie bei Brühwürfeln auch meistens. ‘Meistens’, weil sich vor gefühlten Ewigkeiten in NL doch welche fanden. -Äh- das war keine Empfehlung. Bis auf die Blechdose, die ist hübsch und immer noch in Gebrauch.

  32. #32 rolak
    24. September 2017

    Sherardia arvensis

    Auf die Schnelle aber auch nichts in Richtung ‘Finger von lassen’, Lercherl, und ein wenig rotfärben käme bei einem Kotlett-Imitat sicherlich prima.
    Dennoch setze ich weiterhin zwei ganze Gummipunkte auf Zeitungsarchive in Bibliotheken.

  33. #33 tomtoo
    24. September 2017

    @Rolak
    Ich drück dir mal die Daumen. Bei mir werden’s meist Dampfstückchen. Essbar , aber das nudelig, luftige ist nicht einfach. : )

  34. #34 tomtoo
    24. September 2017

    Arme @Birgit.
    Ruck-Zuck wird der Kommentarbereich in eine Küche verwandelt. ; )

  35. #35 Omnivor
    Am Nord"pol" von NRW
    24. September 2017

    Ein Unterschied in der Verfügbarkeit von fleischlosen Rezepten zwischen norddeutschen/Berliner Vegetariern und Österreichern dürfte auch in der Religion liegen. Katholiken haben ja den fleischlosen Freitag und die Fastenzeit. Fisch war im Inland damals sicher nicht so zugänglich wie heute.

  36. #36 Birgit
    24. September 2017

    @tomtoo solange der kulinarische Austausch vegetarisch bleibt 😉

  37. #37 Birgit
    24. September 2017

    Guter Hinweis, was die Religion betrifft. Um 1900 gab’s noch wesentlich mehr Tage, an denen die kath. Kirche Fleisch verboten hatte (z.B. in der Adventzeit). Deswegen hatten alle Wiener Kochbücher ausführliche Kapitel zu Fastenspeisen. Da kamen vor allem Schnecken sehr viel vor, teilweise auch Schildkröten. Aber ich bezweifle, dass die tatsächlich so zahlreich gegessen wurden.

  38. #38 tomtoo
    25. September 2017

    “”…. teilweise auch Schildkröten. Aber ich bezweifle, dass die tatsächlich so zahlreich gegessen wurden.”””

    Na ,wieviele Schildkröten gibts denn noch in Wien ??

    ; ) *wusch&wech*

  39. #39 RPGNo1
    25. September 2017

    kurz OT
    JA, die Katholen waren schon einfallsreich, wenn es darum ging, die Regeln der fleischlosen Fastenzeit zu umgehen. Ich sage nur
    a) Fisch (ist ja kein Fleisch, da die Tierchen im Wasser leben),
    b) Biber (dank Schuppenschwanz ein Fisch ehrenhalber).
    c) und die Schwäbischen so beliebten Maultaschen (Herrgottsbscheißerle), auch wenn das wohl nur eine Legende ist. 😉

  40. #40 anderer Michael
    26. September 2017

    Birgit
    Bezieht sich der Zweifel auf den Konsum von Schnecken oder Schildkröten. In Bezug auf Schildkröten teile ich den Zweifel. Was Schnecken angeht:meine Großmutter( Jahrgang 1901) erzähle mir , als evangelisches Kind habe sie regelmäßig Schnecken zum Verkauf an die Katholiken sammeln müssen.

  41. #41 Captain E.
    26. September 2017

    Was den Genuss rohen Getreides angeht, so dürfte auch in diesem Falle wie so oft die Dosis das Gift machen. Ich habe seit einiger Zeit die Tradition entwickelt, einmal in der Woche (Sonntags) ein selbst gemachtes Müsli als Frühstück zu essen, und das besteht dann in der Regel aus Hafer-, Weizen-, Roggen-, Gersten-, Dinkel- und Grünkernflocken. Gekocht wird davon gar nichts.

    Übrigens lässt sich nur der Hafer direkt flocken – alle anderen Getreidesorten müssen ein wenig angefeuchtet werden. Am besten spült man sie unter Wasser ab, packt sie in ein Geschirrtuch und geht schlafen. Zum Frühstück lassen sie sich dann hervorragend zu Flocken verarbeiten.

  42. #42 drmarcuse
    27. September 2017

    @Birgit.
    Das ist Unsinn. Hafer kann man kaufen seit es Geld gibt. Er muss nur entspelzt werden und fertig. Dann kann man mit einem Stein draufhauen oder es auch lassen. Flockenquetschen sind mechanisch äußerst einfache Geräte, die in der Pferdehaltung und im Brauwesen ohnehin benutzt wurden (und werden). Vielleicht verschlägt es Sie ja mal zur wunderschönen Accumer Mühle bei Jever (erbaut 1746). Da können Sie sich mal den Walzenstuhl zeigen lassen…
    (Und übrigends sehr leckere Haferflocken kaufen.)

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