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Digital vs Analog ein Einblick in die Nachrichtentechnik
von Christian Berger
Ich habe Elektrotechnik/Nachrichtentechnik aus Leidenschaft studiert, und
probiere jetzt hier mich mal an einem Blogartikel.
Fragen wir doch mal den Duden. Zu “analog” steht da “ähnlich, vergleichbar,
gleichartig; entsprechend”. Zu “digital” steht da “mithilfe des Fingers
erfolgend”, “in Stufen erfolgend” und “in Ziffern darstellend/dargestellt”.
Besonders das letzte ist sehr spannend, besonders da im Französischen hier das
Wort numérique also “nummerisch” verwendet wird. All diese Bedeutungen zielen
auf den Kern der Sache.
Fangen wir doch mal mit einem einfachen analogen System an, dem Dosen- oder
Schnurtelefon. Das sind einfach 2 Dose (geht einfacher mit Plastikbecher)
zwischen denen eine Schnur gespannt ist. Spricht man in die eine Dose hinein,
so kann man das an der anderen Dose hören.
Was passiert da eigentlich? Spricht man in eine Dose, so vibriert der Boden.
Er bewegt sich ein kleines Stück hin und her. Diese Bewegung schiebt nun die
gespannte Schnur hin und her, so dass sich der entfernte Dosenboden ebenfalls
bewegt. Dieser bewegt dann die Luft, was man als Schall wahrnehmen kann.
Was ist daran jetzt analog? Nun, wenn man lauter spricht, so bewegen sich die
Böden und die Schnur stärker als wenn man leise spricht. Die Schnur folgt
entsprechend den Änderungen des Luftdrucks am Dosenboden. Hier möchte ich auf die
Synonyme am Anfang verweisen. Alles in dem System folgt dem selben Rhythmus,
alles bewegt sich entsprechend den anderen Teilen. Im Prinzip bewegt sich das
alles gleich.
Ähnlich ist das bei einem (alten) Telefon. Dort wurden sogenannte
Kohlemikrofone verwendet. Diese bestehen aus einer Membran die Kohlegranulat
mehr oder weniger dicht zusammen drückt. Üben die Schallwellen an ihr eine
Kraft auf, so wird diese auf die Kohlekörner übertragen. Je mehr desto stärker
werden die Körner komprimiert. Dadurch vergrößern sich die Kontaktflächen der
Körner und Strom kann besser durch dieses Granulat fließen. Diese
Stromschwankungen kann man nun über lange Kabel zu Lautsprechern führen, wo
sie in Spulen Magnetfelder erzeugen die eine Membran bewegen. Mit
entsprechenden Kabeln geht das durchaus 100 Kilometer weit, dann wird das
Signal aber schon recht schwach und somit leise.
Was ist allerdings, wenn man jetzt weiter telefonieren möchte? Dann muss man
das Signal verstärken, und da fängt auch das Problem an. Auch wenn man seit
der Erfindung der Elektronenröhre praktisch fast perfekte Verstärker bauen kann, so
können die nur das verstärken was am Eingang ankommt. Auch wenn das Nutzsignal
leise ist, so gibt es jede Menge Störungen, von irgendwelchen Leckströmen,
über Einkopplungen von Stromleitungen bis hin zu Störungen durch die
Erdathmosphäre selbst. So ein internationales Ferngespräch war früher eine recht unschöne Angelegenheit, alle kleinen Probleme in den vielen Komponenten die an der
Verbindung beteiligt waren summierten sich auf. Wer so was mal selbst hören
will, der kann sich die Radiosendung “Voice of Long Island” vom 2. Februar
1981 anhören, welche hier als Download mverfügbar ist.
Was bedeutet denn jetzt “digital”? Wie oben angedeutet, geht es hier nicht
mehr um die entsprechende Darstellung von Signalen, sondern um Symbole. Man
drückt die Nachricht als Kette von diskreten Symbolen aus. Ein typisches
digitales System ist ein Buch.
Auf dem Foto sieht man sehr schön wie einzelne Symbole in Reih und Glied die
Nachricht bilden. Jedes Symbol ist eindeutig zuordnenbar und ergibt in
Kombination mit den umgebenden Symbolen eine Bedeutung, wenn man den Code, in
diesem Falle Japanisch, kann.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Da man hier einzelne Symbole hat, kann man
diese beliebig oft vervielfältigen, zumindest so lange man die Symbole noch
eindeutig entziffern kann, oder man aus den umgebenden Symbolen das unlesbare
Symbol herleiten kann.
Die Menge an möglichen Symbolen nennt man auch ein Alphabet. Unterschiedliche
Alphabete lassen sich prinzipiell umwandeln. So kann man die Buchstaben A bis
Z in die Zahlen 1 bis 26 umwandeln. Zahlen kann man nicht nur im Zehnersystem
darstellen, sondern in Zahlensystemen beliebiger Basis. Aus technischen
Gründen mag man es, wenn man in einem Zweiersystem arbeitet. Strom in die eine
Richtung bedeutet dann 0, Strom in die andere 1. Das kann man auch noch
erkennen, wenn weniger Strom ankommt als erwartet und man leichte Störungen
hat. Ein Verstärker muss hier nur die Entscheidung 0 oder 1 trefen, und kann
dann ein neues unverzerrtes Signal auf den Weg schicken.
Da das so unheimlich praktisch ist, hat man auch schon früh damit begonnen
Telegraphie und später Fernschreibnetze aufzubauen. Über diese
Fernschreibnetze konnte man relativ preiswert und zuverlässig schriftliche
Nachrichten übertragen, auch über große Entfernungen hinweg. Dazu werden sie
in den Fernschreiber, einer Art elektrischer Schreibmaschine eingegeben und
entweder erstmal auf einen Lochstreifen gelocht, oder gleich über die Leitung
geschickt. Am anderen Ende wurde der Text dann entweder direkt auf Papier
gedruckt, oder auch auf Lochstreifen gestanzt. Die Lochstreifen hatten den
Vorteil, dass man sie bequem weiterschicken konnte.
Vielleicht haben manche von eucht schon mal von einer Lichtschallplatte, oder
Compact Disk gehört. Das sind kleine, ca 12 cm große silberne Scheiben, welche
Ton digital speichern sollen. Wie geht das denn? Luftdruckschwankungen sind ja
jetzt keine Symbole, und auch wenn man Musik als Symbole, sprich Noten
niederschreiben kann, so wird das hier nicht gemacht.
Der Trick liegt in etwas, was man Pulsecodemodulation nennt, abgekürzt PCM.
Man misst einfach das Signal in regelmäßigen Zeitabständen und schreibt den
momentanen Wert in Symbolen nieder. Im Prinzip kann man sich das so wie die
Arbeit von Wetterstationen vorstellen. Da geht zum Beispiel regelmäßig jemand
an ein Thermometer, ließt den Wert ab, und schreibt ihn nieder. Wird das
häufig genug und genau genug gemacht, so bekommt man ein gutes Bild vom
Temperaturverlauf, auch wenn man eigentlich nur bestimmte Punkte kennt.
Das Signal in dem Bild oben kann man zum Beispiel durch die Zahlensequenz 2;
3; 4; 1; 8; 5; 6; 7 beschreiben. Hmm, plötzlich haben wir Zahlen. Diese Zahlen
kann man beliebig umrechen. Wir haben somit aus einem analogen Signal eine
digitale Nachricht gemacht.
Wenn jetzt also digitale Nachrichten so viel praktischer sind als analoge
Signale sind, und wenn man die umwandeln kann: Warum hat man das denn nicht
schon von Anfang an gemacht?
Nun ja, die Wandler dafür waren Anfangs relativ aufwändig, aber das hättem man
noch hin bekommen. Das große Problem war, dass wenn man digitale Daten binär
durch Wechsel der Stromrichtung überträgt, man plötzlich viel mehr Wechsel
braucht als für die entsprechenden analogen Signale. Für Telefonie braucht man
64000 Bits pro Sekunde, was man schon früh hinbekommen hat. Für Ton in
HIFI-Qualität braucht man hingegen etwa 1,4 Millionen Bits pro Sekunde. Das
konnte man erst in den 1970gern vernünftig und kostengünstig aufzeichnen.
Bei Fernsehbildern hingegen benötigt man so jedoch ca 142 Millionen Bits pro
Sekunde. Das ist auch heute noch eine große Datenrate und man hat in den
1980gern sogar schon Videorekorder gebaut die so etwas aufzeichnen konnten.
Sehr teure Videorekorder. So wirklich praktikabel war das nicht.
Dann kam jedoch eine unerwartete Wendung, die Mikroelektronik. In den 1970ger
Jahren begann man Microchips mit immer mehr Bauteilen zu bauen. Das Prinzip
ist einfach, während man vorher einzelne Bauelemente zu einer großen Schaltung
zusammenfügte, konnte man jetzt ein Stück Silizium nehmen, und es über
photochemische Verfahren dazu bringen, bestimmte Bauteile an bestimmten
Stellen zu sein. Zum Beispiel besteht eine Diode aus einem positiv dotierten
und einem negativ dotierten Stück Silizium. Diese Dotierung ist nichts anderes
als eine leichte Verunreinigung mit anderen Stoffen.
In Microchips verwendet man Silizium das schon leicht vordotiert ist.
Jetzt trägt man eine Schicht Photolack auf und belichtet ihn.
Nach der Entwicklung kann man ihn an einigen Stellen ablösen, während er auf anderen Stellen bleibt.
Man hat somit Löcher im Lack, genau nach dem Muster das man belichtet hat.
Durch diese Löcher kann man nun eine zusätzliche Dotierung in die andere Richtung durchführen.
Somit kann man einen Teil des Siliziums positiv dotiert haben, während das Stück daneben
negativ dotiert ist. Den Lack kann man dann mit anderen Substanzen abwaschen und eine neue Schicht auftragen.
Am Ende trägt man mit diesem Verfahren gut leitende Strukturen, zum
Beispiel aus Aluminium oder Kupfer auf. Diese Verbinden die einzelnen
Bauteilstrukturen und verbinden diese zu einer fertigen Schaltung.
Besonders gut kann man so Transistoren und Dioden aufbauen. Kondensatoren und
Spulen sind zwar möglich, jedoch relativ aufwändig. Sie brauchen zu viel
Platz. Platz ist ein Problem, da jedes Staubkorn die Schaltung unbrauchbar
macht. Je größer der Chip, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Staubkorn
bei der Herstellung darauf gelandet ist. Das ist ein Grund warum man versucht
die Größe der Strukturen auf dem Chip immer kleiner zu machen. Dadurch bekommt
man bei gleicher Größe, und somit gleichen Kosten, immer mehr Bauteile unter.
Das führte dazu, dass sehr schnelle digitale Computer für wenig Geld
herstellbar waren.
Schnelle Computer bedeuten jetzt, dass diese mit den großen Datenmengen von
Videos umgehen können, und darauf sogar recht komplexe Rechenoperationen
ausführen können. Dadurch kann die Datenmenge für Videosignale deutlich
reduziert werden, so weit, dass man sie praktikabel übertragen kann.
Solche Verfahren laufen, vereinfacht gesagt, immer nach dem gleichen Prinzip
ab. Man versucht aus den schon übertragenen Bildinformationen neue
Bildinformationen zu raten, und überträgt dann nur noch den Fehler. Bei einer
Nachrichtensendung verändern sich zum Beispiel die Bildpunkte des Hintergrunds
nicht, oder nur sehr wenig. Somit muss man sie nicht mehr vollständig
übertragen. Gleichzeitig führt man eine Bewertung des Schätzfehlers durch. Wie
wichtig ist die Information die Information, dass der Bildpunkt #542523 um einen
Schritt heller geworden ist? Wie wichtig sind die Änderungen der Bildpunkte um
den Mund der Sprecherin? Mit ausgeklügelten Verfahren kann man dadurch nur
noch die wichtigen Informationen übertragen.
Inzwischen ist die analoge Nachrichtentechnik fast vollständig an die Ränder
der Signalkette verdrängt. Allerdings gibt es noch einige Nischen in denen sie
sich noch hält. Fernmeldesatelliten sind so ein Beispiel. Die empfangen ein
Signal auf einer Frequenz und geben es, verstärkt auf einer anderen Frequenz
wieder. Was da genau übertragen wird ist egal. Dadurch ist es möglich auch
neue Übertragungsverfahren über sie zu nutzen. Satelliten die 1987 hoch
geschossen wurden, konnten zum Beispiel in den späten 1990gern digitales Fern
sehen übertragen. Und das ohne das da ein Servicetechniker dort oben eine
Umrüstung durchführen müsste. Die Anfahrt von fast 39000km wäre auch wohl zu
teuer.
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