sb-wettbewerb_kleinDieser Artikel ist Teil des ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2017. Informationen zum Ablauf gibt es hier. Leserinnen und Leser können die Artikel bewerten und bei der Abstimmung einen Preis gewinnen – Details dazu gibt es hier. Eine Übersicht über alle am Bewerb teilnehmenden Artikel gibt es hier. Informationen zu den Autoren der Wettbewerbsartikel finden sich in den jeweiligen Texten.
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Der Kampf des (19.) Jahrhunderts

von MZ

Ich bin gelernter Hadronenphysiker und zur Zeit in der industriellen Forschung tätig. Dies ist mein erster populärwissenschaftlicher Text, mit dem ich testen will, ob mir wissenschaftliches Schreiben Spaß macht. Tut es.

Wie ist eigentlich Vektorrechnung entstanden? Was waren die Vorraussetzungen und die historischen Umstände? Was haben Quaternionen damit zu tun?

Stellt euch vor, ihr seid Raumfahrer (oder wenigstens Raumfahrtingenieur) und möchtet mit einem Raumfahrzeug einen Asteroiden besuchen. Dazu müsst ihr wissen, wo das Gefährt relativ zum Asteroiden ist und wie ihr es ausrichten müsst, damit es am Ziel ankommt. Oder ihr seid Grafikentwickler und wollt ein Computerspiel mit 3D-Grafik basteln. Das funktioniert nur, wenn die Objekte im Spiel sich korrekt bewegen und drehen, nachdem der Spieler z.B. die Maus bewegt und damit die Sichtperpektive ändert. Auch der Automobilentwickler braucht ein gutes Verständnis von Position und Orientierung von Objekten in der Ebene und im Raum, wenn er selbstfahrende Autos entwickelt.

Den Ort eines Objekts kann man ja mit der x-, y- und z-Koordinate angeben, aber wie sieht das mit der Richtung aus? Beim Auto kann man zum Beispiel sagen, es fährt Richtung Nordwesten. Beim Raumgefährt und bei den Computerspielobjekten reicht das aber nicht, weil diese noch einen Winkel gegen die Horizontale und um die eigene Längsachse haben können. Eine Möglichkeit ist die Angabe von Euler-Winkeln. Es gibt unterschiedliche Systeme von Euler-Winkeln, aber einer gängigen Konvention nach nennt man die drei Winkel Roll-, Gier- und Nickwinkel. Eine Benennung, die ganz gut mit der Anschauung zusammenpasst.

Dann gibt es aber auch Menschen, die Stein auf Bein schwören, dass Quaternionen heutzutage das Wundermittel sind, Rotationen im Raum zu beschreiben. Als ich darüber gelesen habe, war ich erstaunt. Quaternion? Das ist doch eine Erweiterung der komplexen Zahlen, die im vor- oder vorvorletzten Jahrhundert gefunden wurden. Und jetzt sind die wieder ausgegraben worden und vollbringen wundersame Dinge in mathematischen Anwendungen? Toll! Aber irgendwie fand ich das merkwürdig. Ist das wirklich so eine tolle Erkenntnis, dass ein in die Tage gekommenes, staubiges Zahlensystem besser geeignet ist, Rotationen im Raum zu beschreiben als Winkel, sprich Drehmatrizen, sprich “moderne” lineare Algebra?

Quaternionen sind zu einer Zeit entstanden, in der auch die Theorie der Elektrodynamik entstand. Die Grundgleichungen der E-Dynamik wurden von James Clerk Maxwell in den 1860er Jahren entwickelt und veröffentlicht (und heißen heute Maxwell-Gleichungen). Diese Gleichungen, sowie die ganze Theorie der E-Dynamik basiert auf dem Rechnen mit Vektoren, mathematische Objekte, die in den 1880er Jahren entstanden. Richtig gelesen: Da stimmt schon wieder was nicht mit der zeitlichen Abfolge der Dinge! Was ist denn historisch tatsächlich passiert? Weil ich neugierig war, habe ich mir ein Buch gekauft und bin der Sache nachgegangen.

Der Status quo im Jahr 1830

In den Jahrzehnten um und vor 1830 waren die Mathematiker bemüht, den drei-dimensionalen Raum zu beschreiben. Aus heutiger Sicht suchte man damals die Mathematik der Vektoren. Man kannte nur “einfache” Zahlen. Drei Zahlen sind nötig, um eine Position im Raum anzugeben, aber wie verhalten sich verschiedene Positionen, also Punkte, zueinander? Wie können Linien, Flächen, Räume beschrieben und erzeugt werden, die beliebig orientiert sind? Bekannt waren damals schon ein paar Eigenschaften, die diese neue Mathematik haben musste. Unter anderem von Isaac Newton war die Idee des Kräfteparallelograms bekannt.

Kräfteparallelogramm zur Addition zweier Kräfte.

Kräfteparallelogramm zur Addition zweier Kräfte.

Im Gegensatz zu einer zahlenartigen Größe hat eine Kraft nicht nur einen Betrag sondern auch eine Richtung. Hat man zwei Kräfte, die an einem Körper zerren, dann passiert das Gleiche, wie wenn nur eine Kraft wirkt, deren Betrag und Richtung der Diagonalen des von den beiden Kräften aufgespannten Parallelograms entspricht. Aus heutiger Sicht beschreibt das haargenau die Addition von zwei Vektoren. Bezüglich Linien, Flächen und Räume hatte man folgende Idee: Eine Linie, im heutigen Sprachgebrauch Strecke, ist charakterisiert durch zwei Punkte. Zwei Strecken, die nicht parallel sind und die einen gemeinsamen Punkt haben, spannen ein Parallelogramm auf, dessen Flächeninhalt entweder durch den Winkel oder mit den Koordinaten der Punkte berechnet werden kann. Das wird heute auch noch so gemacht und entspricht dem Kreuzprodukt zweier Vektoren. Im damaligen Bild hat man also zwei Linien multipliziert und bekam dabei eine Fläche. Der logisch nächste Schritt ist es, noch eine Linie an diese Fläche zu multiplizieren und ein Volumen zu bekommen (ein Parallelepiped, aufgespannt durch die drei Vektoren).

Strecke mal Strecke ergibt Fläche, Fläche mal Strecke ergibt Volumen.

Strecke mal Strecke ergibt Fläche, Fläche mal Strecke ergibt Volumen.

Die Strategie bei der Suche der drei-dimensionalen Algebra war eine Verallgemeinerung der Rechnerei im zwei-dimensionalen. Die war nämlich damals schon bekannt. Komplexe Zahlen waren seit dem 16. Jahrhundert bekannt und 1799 wurde von Caspar Wessel ein “Paper” veröffentlicht, in dem beschrieben ist, dass sich komplexe Zahlen prima eignen, geometrische Vektoren in der Ebene, also in 2D, zu beschreiben, inklusive Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division. Über dieses Thema gab es letztes Jahr hier beim Schreibwettbewerb einen sehr guten Überblick. Ausgehend von der 2D-Darstellung suchte man (unter anderem der große Carl Friedrich Gauss) eine Erweiterung der komplexen Zahlen, um damit im 3D zu rechnen – und scheiterte. Heute weiß man, dass so eine Verallgemeinerung von 2D auf 3D, die die reellen und komplexen Zahlen als Grenzfall enthält, nicht funktionieren kann.

Hamilton und Grassmann

Die weitere Geschichte der Vektoren wird zunächst von zwei sehr interessanten und unterschiedlichen Persönlichkeiten bestimmt. Fangen wir mit William Rowan Hamilton an. Hamilton wurde 1805 in Dublin, Irland geboren und war ein echtes Wunderkind. Mit 13 Jahren konnte er 13 unterschiedliche Sprachen sprechen. Während seiner Studienzeit ist er vielfach ausgezeichnet worden und noch vor seinem Abschluss ist er mit 21 Jahren zum Professor für Astronomie und zum königlichen Astronom von Irland ernannt worden. Mit 30 ist er zum Ritter geschlagen worden und war einer der berühmtesten Mathematiker seiner Zeit. Auch Hamilton hatte zunächst erfolglos nach den 3-dimensionalen Zahlen gesucht, dann aber 1843 die Quaternionen entdeckt.

Quaternionen sind vier-dimensionale Zahlen. Während komplexe Zahlen neben der reellen Zahl noch eine imaginäre Einheit besitzen (i), haben Quaternionen eine reelle Zahl und gleich drei imaginäre Einheiten (i, j, k). Ein Quaternion x sieht also so aus:

x = (x0, x1, x2, x3) = x0+i·x1+j·x2+k·x3

Man kann mit diesen Zahlen “ganz normal” rechnen und sie als Gleichung mit drei Unbekannten i, j und k betrachten. Jedes mal, wenn man ein Produkt zweier dieser Unbekannten hat, kann man es nach folgenden Regeln ersetzen (um dadurch nur Terme mit höchstens einer Unbekannten zu bekommen):

i·i = j·j = k·k = -1

i·j = -i·j = k, j·k = -k·j = i, k·i = -i·k = j

Was hat das Ganze jetzt mit Vektoren zu tun? Nun, zunächst wurde historisch der Teil x0 als skalarer Part bezeichnet. Der Rest, also der Teil mit den imaginären Einheiten, wurde als vektorieller Part bezeichnet. Addiert man zwei Quaternionen x und y und ordnet danach das Produkt wieder in Skalar- und Vektorteil bekommt man:

x = x0 + i·x1 + j·x2 + k·x3

y = y0 + i·y1 + j·y2 + k·y3

x + y = (x0+y0) + i·(x1+y1) + j·(x2+y2) + k·(x3+y3)

Da ist schon recht kompliziert, aber zwei Quaternionen zu multiplizieren ist fast schon qualvoll:

x·y = x0·y0 + i·x0·y1 + j·x0·y2 + k·x0·y3

+ i·x1·y0 + ii·x1·y1 + ij·x1·y2 + ik·x1·y3

+ j·x2·y0 + ji·x2·y1 + jj·x2·y2 + jk·x2·y3

+ k·x3·y0 + ki·x3·y1 + kj·x3·y2 + kk·x3·y3

An dieser Stelle erinnern wir uns an die Produktregeln von oben und fassen alle Produkte von zwei imaginären Einheiten zu einer oder keiner zusammen und stellen danach wieder nach i, j und k um:

x·y = (x0·y0 – x1·y1 – x2·y2 – x3·y3)

+ i·(x0·y1 + x1·y0 + x2·y3 – x3·y2)

+ j·(x0·y2 + x2·y0 + x3·y1 – x1·y3)

+ k·(x0·y3 + x3·y0 + x1·y2 – x2·y1)

Der Zusammenhang mit Vektoren ergibt sich, wenn wir nur Quaternionen x und y betrachten, die keinen Skalarteil haben (x0 = y0 = 0). Dann ergibt sich für die Addition:

x + y = i·(x1+y1) + j·(x2+y2) + k·(x3+y3)

Und für die Multiplikation:

x·y = -(x1·y1 + x2·y2 + x3·y3) + i·(x2·y3 – x3·y2) + j·(x3·y1 – x1·y3) + k·(x1·y2 – x2·y1)

Wenn man jetzt im Geiste frech i, j und k gegen die aus dem Schulunterrucht bekannten Einheitsvektoren ex, ey und ez ersetzt, sieht die Addition von 2 Quaternionen aus, wie die Addition von Vektoren:

x + y = ex·(x1+y1) + ex·(x2+y2) + ex·(x3+y3)

Die Multiplikation beinhaltet das (negative) moderne Skalarprodukt im Skalarteil und das moderne Vektor- oder Kreuzprodukt im vektoriellen Teil des Quaternionenprodukts:

x·y = -(x1·y1 + x2·y2 + x3·y3) + ex·(x2·y3 – x3·y2) + ey·(x3·y1 – x1·y3) + ez·(x1·y2 – x2·y1)

Andere Vektoroperationen, wie z.B. Rotationen lassen sich ähnlich mit Quaternionen durchführen, wodurch klar ist, dass hier endlich ein zufriedenstellendes System vorliegt, Objekte im Raum zu beschreiben und damit zu rechnen. Aufgrund Hamiltons Eifer und seiner Autorität wurden Quaternionen damals weltweit ein Kassenschlager und Hamilton hat den Rest seiner 22 Lebensjahre damit verbracht, sein System zu propagieren und zu erforschen. Aus heutiger Sicht ist das tragisch, weil ein zweifelsfrei genialer Geist so viel Zeit für eine im Nachhinein intellektuelle Sackgasse investiert hat. Was hätte Hamilton wohl noch für die Menschheit leisten können, wenn er nicht so überzeugt von seiner Schöpfung gewesen wäre?

Kommen wir nun zu Hermann Günther Graßmann aus Stettin im preußischen Pommern. Er wurde vier Jahre nach Hamilton geboren und hatte einen Lebenslauf, der unterschiedlicher zu diesem nicht sein könnte. Als Kind fiel er durch “eingeschränkte geistige Spannkraft” auf, später studierte er Theologie und Philologie und entwickelte ein großes Interesse an Mathematik, die er sich autodidaktisch aneignete. Während des Studiums hat er nie eine mathematische Vorlesung gehört. Zeit seines Lebens arbeitete er als Lehrer in Stettin.

Graßmann veröffentlichte “Die lineale Ausdehnungslehre” im Jahr 1844, ein Jahr nach Hamiltons Entdeckung der Quaternionen. Dieses Werk beschreibt die moderne Vektorrechnung und zeugt von Graßmanns tiefem Verständnis für die Mathematik. Sein Vektorsystem ist eingebettet in ein fundamentaleres System, worin n-dimensionale Räume beschrieben und sechzehn verschiedene Produkte zwischen Vektoren, Zahlen und anderen Dingen (inkl. modernem Skalar- und Kreuzprodukt) definiert werden. Damit gilt Graßmann als eigentlicher Begründer der Vektor- und Tensorrechnung und einer der ersten, die sich höherdimensionalen Konzepten widmeten.

Das Problem war allerdings: Seine Arbeit war sehr anspruchsvoll, kein Mensch kannte Graßmann und er verwendete eine selbst erdachte, von üblichen Konventionen abweichende Notation. Niemand wollte das Buch lesen, geschweige denn einen Kommentar dazu schreiben. 15 Jahre nach Erscheinen gab es drei veröffentliche Kommentare. Einer von Graßmann selbst, einer von Möbius und einer von Hamilton im Vorwort eines Lehrbuchs über Quaternionen (immerhin Hamilton hat die Bedeutung von Graßmanns Arbeit verstanden). 20 Jahre nach Erscheinen wurden 600 Kopien des Buchs als Schmierpapier verwendet. Graßmann hat in all der Zeit frustriert um Anerkennung gekämpft und 1862 eine Überarbeitung veröffentlicht, die verständlicher war. 1877, in seinem Todesjahr, schrieb Graßmann darüber: “Diese Arbeit hat noch weniger Aufmerksamkeit erregt als die erste.”

Die Stunde der Quaternionen

Wir schreiben das Jahr 1865, das Jahr in dem Hamilton starb. Quaternionen waren in der Fachwelt als tolle Errungenschaft bekannt und erforscht, aber sie wurden wenig benutzt. Das Graßmannsche System, das der heutigen Vektorrechnung sehr ähnelte, war unbekannt und Graßmann hatte sich mittlerweile einer anderen Disziplin zugewandt: Sprachwissenschaft, wo er ebenso bedeutende Beiträge geleistet hat und auch zu Lebzeiten dafür gewürdigt wurde. Hamiltons “Nachfolger” als Schutzpatron und Erforscher der Quaternionen wurde in dieser Zeit der Schotte Peter Guthrie Tait, ein Kindheits- und Studienfreund von Maxwell. Er hat wichtige Werke geschrieben und großen Wert auf die physikalische Anwendung der Quaternionen gelegt (für Profis: Tait hat intensiv den Nabla-Operator erforscht, der damals auch als Quaternion dargestellt wurde). Es war die Zeit, in der die Elektrodynamik entstand und Maxwell hat seine Gleichungen auch in Quaternionenform angegeben, beeinflusst durch die Arbeiten von Tait. Er hat seine Theorie aber nicht auf Grundlage von Quaternionen entwickelt, weil er kein großer Fan davon war. Seine Meinung zu Quaternionen war, dass die Methoden, räumliche Größen behandeln zu können unschätzbar seien, aber Quaternionen in ihrer Anwendung dabei wenig pragmatisch. Meinungen wie diese sorgten daraufhin, dass sich allmählich das System der modernen Vektoren aus den Quaternionen schälte.

Die Stunde der Vektoren

Was war denn das Problem mit Quaternionen? Es gibt im Wesentlichen zwei große Kritikpunkte. Man kann zwar mit Quaternionen alles machen, was man auch mit modernen Vektoren machen kann, weil Skalar- und Vektorprodukt in der Multiplikation zweier Quaternionen enthalten sind, aber diese Produkte treten in der Rechnung nur gemeinsam auf, wie oben in der Gleichung zu sehen ist. In der physikalischen Bedeutung sind Skalar- und Vektorprodukt aber völlig verschieden und kommen auch in den meisten Fällen nicht gemeinsam zur Anwendung. Auch ergeben sich die beiden Produkte nur, wenn die Skalarteile der beteiligten Quaternionen 0 sind, das komplette Quaternionenprodukt ist für physikalische Anwendung überflüssig. Das Quaternion als vierdimensionale Zahl hat zudem keine anschauliche Bedeutung. Der zweite Kritikpunkt ist das Vorzeichen des Skalarprodukts. In der Formel oben sieht man, dass sich beim Multiplizieren zweier Quaternionen das negative Skalarprodukt ergibt. Das ist unpraktisch, weil sich dadurch alle Gleichungen, wo ein Skalarprodukt berechnet wird, ein Minus einfangen. Als Beispiel sei hier die klassische Definition der kinetischen Energie E eines Körpers mit Masse m genannt:

E = m·v²/2

Das v ist die Geschwindigkeit und eine Größe mit Richtung. Nach damaliger Lesart also ein Quaternion. Die Gleichung der kinetischen Energie lautete also

E = -m·(v²).S/2

Dabei bedeutet (v²).S: Der Skalarteil des Quaternionenprodukts v·v. Das Minus in der Gleichung ist leider notwendig, um das Minus des negativen Skalarprodukts auszugleichen. Das Vorzeichen von einigen Formen von “Energie” ist zwar oft Konvention, aber eine stets negative kinetische Energie ergibt einfach keinen Sinn.

Wie konnte man die Probleme mit Quaternionen lösen? Im Jahr 1881 kamen der amerikanische Physiker Josiah Willard Gibbs und 1883 unabhängig davon der Engländer Oliver Heaviside auf die Idee, die Quaternionen um den Skalarpart zu reduzieren (der ist sowieso in allen Anwendungsfällen 0). Das Quaternionenprodukt spalteten sie in zwei unabhängige Produkte auf, Skalarprodukt und Vektorprodukt. Das Skalarprodukt bekam zudem das umgekehrte Vorzeichen verpasst (v² ≥ 0), sodass die physikalischen Gleichungen wieder intuitiver werden. Gibbs und Heaviside haben ihre Vektormethoden verbreitet und immer mehr Forscher auf ihre Seite gezogen. Die Quaternionen hielten sich noch eine Zeit hartnäckig. Zwischen 1890 und 1910 herrschte ein wahrer Kampf der beiden Systeme, der teils mit harten Worten ausgefochten wurde. Insbesondere Heaviside hatte aber großen Enfluss auf die Verbreitung der Vektoren, weil er als Nachfolger Maxwells in der Entwicklung der Elektrodynamik gilt und dort natürlich sein System verwendete. 1910 hatten sich die Vektoren endgültig durchgesetzt und die Quaternionisten waren überzeugt oder verstorben (eher letzteres).

Interessant ist, dass weder Gibbs noch Heaviside die Arbeit Graßmanns kannten bevor sie die Vektoren erfanden. Obwohl also streng genommen Graßmann als eigentlicher Erfinder des Vektorsystems gilt, ist seine Arbeit von keiner Bedeutung für die Entwicklung des modernen Vektorsystems. Viel wichtiger waren dagegen Hamiltons Quaternionen, die quasi unfreiwillig Schützenhilfe für die Vektoren geleistet haben.

Und heute?

Wenn man mal beide Systeme nebeneinander legt und vergleicht, sieht man das Quaternionen den Vektoren mathematisch eigentlich überlegen sind. Bevor er die Quaternionen entdeckte, suchte Hamilton ein Zahlensystem, das die gleichen Eigenschaften wie die reellen und komplexen Zahlen hat: Assoziativität (A·[B·C] = [A·B]·C) unter Multiplikation, Kommutativität unter Addition und Multiplikation (A·B = B·A), Distribution (A·[B+C] = A·B + A·C), Unzweideutigkeit der Division (A·B = A·C -> B = C), und das sogenannte Gesetz der Moduli (sinngemäß: |A|·|B| = |A·B|). Bis auf die Kommutativität der Multiplikation (zu sehen an i·j = -j·i) besitzen Quaternionen alle diese Eigenschaften.

Bei modernen Vektoren sind zwei verschiedene Multiplikationen definiert. Beim Skalarprodukt ist Assoziativität irrelevant, Division ist nicht eindeutig und das Gesetz der Moduli gilt auch nicht. Das Kreuzprodukt ist zusätzlich noch nicht mal kommutativ. Während das Produkt zweier Quaternionen eigentlich ziemlich intuitiv und gemäß Standardregeln der Algebra definiert ist, sind Kreuz- und Skalarprodukt der Vektoren am Anfang ziemlich verwirrend (zumindest war’s bei mir so). Es sei noch erwähnt, dass es kein Problem ist, Quaternionen mit reellen oder komplexen Zahlen zu addieren oder multiplizieren. Einen Vektor kann man nicht einfach an eine Zahl addieren. Die Vektoren haben sich aber trotzdem durchgesetzt, weil sie einfach anschaulicher sind. Quaternionen sind zwar nette mathematische Spielobjekte, aber das Konzept eines Vektors im Raum versteht wahrscheinlich jedes Kind.

Als kleinen “Bonus” für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, gibt es hier die Anleitung, wie man Rotationen mit Quaternionen durchführt: Um einen Vektor (x1, x2, x3) im Raum um den Koordinatenursprung zu drehen, “verpackt” man ihn in ein Quaternion x = (0, x1, x2, x3) und multipliziert dieses von beiden Seiten mit einem Quaternion p:

x’ = p·x·p*

Das Quaternion p = (cos(φ), a1·sin(φ), a2·sin(φ), a3·sin(φ)) beinhaltet den Drehwinkel φ und den Vektor a der Drehachse. p* ist das konjugierte Quaternion von p.

Zum Schluss wollen wir noch klären, warum es trotzdem heute Menschen und technische Zweige gibt, die Quaternionen verwenden. Oben habe ich als Beispiel Computergrafik und Raumfahrt genannt. Das sind Bereiche, wo es auf präzise Berechnungen von Drehungen ankommt und wo unter anderem Geschwindigkeit und Genauigkeit relevant sind. Es werden sehr oft und sehr viele Drehungen berechnet und da ein Computer Zahlen immer runden muss, werden auch kleinste Rechenungenauigkeiten irgendwann ein Problem. Quaternionen sind hierbei numerisch einfacher zu korrigieren (bzw. normieren) als z.B. Drehmatrizen und werden daher gerne bei Computerberechnungen benutzt. Ob Vektoren anschaulicher sind, ist einem Computer völlig egal.

Kommentare (26)

  1. […] am 04.10.2017: Link zum Artikel […]

  2. #2 Cornelia S. Gliem
    4. Oktober 2017

    Puh gar nicht so einfach. aber anschauliche Darstellung des sogenannten Kriegs zwischen diesen Mathematiker und Physikern. Und ja Vektoren sind auch für mich intuitiver. die Quaternionen mit ihrer 4-dimemsionalität (die offensichtlich nichts mit der Zeit zu tun haben ) also rein mathematisch sind, sind wesentlich komplexer. interessante Anwendung…

  3. #3 Lercherl
    4. Oktober 2017

    Olinde Rodrigues hätte sich hier auch eine Erwähnung verdient.

  4. #4 Dampier
    4. Oktober 2017

    Schöner Artikel, sowit ich ihm folgen konnte. Der historische Teil ist sehr interessant, gut geschrieben fand ich’s auch. Der mathematische Teil: für mich keine Chance, das jemals nachzuvollziehen; obwohl ich u.a. mit Vektoren mein Geld verdiene (und mit Bézierkurven, die faszinieren mich immer wieder).

  5. #5 Alderamin
    4. Oktober 2017

    Keine leichte Kost, man muss wohl Mathematik- oder Physikstudent sein, um ihn vollständig zu verstehen, aber erstklassiger Artikel, sehr schön geschrieben, volle Punktzahl dafür von mir.

  6. #6 Laie
    4. Oktober 2017

    Sehr gut!

    Der historische Zusammenhang ist gut herausgearbeitet und die Vor- und Nachteile beider Systeme dargestellt, bzw. die Notwendigkeit des komplizierteren Systems wegen der notwendigen Genauigkeit bei computerbasierten Berechnungen (siehe auch Numerik) erklärt.

  7. #7 richard
    4. Oktober 2017

    Wirklich guter Artikel, sehr interessant der historische Abriss über die Entwicklung und den ‘Kampf’ zwischen beiden Konzepten. Und beide Konzepte finden ihre Anwendung in heutiger Zeit.

  8. #8 MZ
    4. Oktober 2017

    Vielen Dank soweit! War mich nicht sicher, wie der Artikel ankommen wird. Tut mir leid für die teils starke Mathelastigkeit, aber meine Absicht war, dass möglichst jede Zielgruppe was lernen kann. Und ich hoffe einfach mal, dass man die Formeln soweit überspringen kann, ohne große Verständniseinbuße…

    @Lercherl:
    Stimmt schon, Rodrigues hatte kurz vor Hamilton auch schon Quaternionen gefunden. Letztendlich isses wie so oft, dass solche Entdeckungen historisch nicht aus dem Nichts kommen. Da haben viele schlaue, unbekanntere Leute vorher schon am Fundament gebastelt. Da der Artikel eh schon zu lange geworden ist, habe ich da einiges an historischer Beschreibung ausgelassen.

  9. #9 Sabelotodo
    4. Oktober 2017

    Guter Artikel!

    Kleiner Fehler: i·j = -i·j = k
    Es muss natürlich heißen: i·j = -j·i = k

  10. #10 Heljerer
    4. Oktober 2017

    Schöner Artikel.

    Ich verwende (gelegentlich) auch eine Drehmatrix, um simulierte Objekte im Raum zu drehen. Ehrlich gesagt habe ich bislang von Quaternionen noch nie etwas gehört.

    Ich verstehe nicht, warum bei der Verwendung von Quaternionen Rundungsfehler weniger problematisch sind als bei Verwendung der Drehmatrix. Die eigentlichen Rechenoperationen sind doch schlussendlich die gleichen. Wichtig ist doch eher, dass man unter Umständen ganz normale elementarmathematische Transformationen der Winkelfunktionen macht, um z.B. nicht ein kleines Ergebnis aus der Differenz zweier großer Zahlen zu erzeugen. Das hat aber mit Vektor/Matrix vs. Quaternionen nichts zu tun.

  11. #11 Quisum
    4. Oktober 2017

    Schöner Artikel. Als Physikstudent fiel es mir leichter, ihn zu lesen (oder ich habe in der S-Bahn einfach den schwierigen Teil ignoriert). Ich dachte immer, Maxwell hätte “seine” Gleichungen nur in Komponenten hingeschrieben.
    Sind eigentlich die Quaternionen mit den Vierervektoren der speziellen Relativitätstheorie verwandt? Dort gehen in das Skalarprodukt die 3 Raumkomponenten ja auch negativ ein.

  12. #12 Stefan K
    4. Oktober 2017

    Ich sag es, wie es ist: Ab dem Absatz Hamilton und Grassmann hab ich nicht mehr weitergelesen, die vielen Matrizen ,Formeln oder wie man es nennt, haben mich abgeschreckt, sofern das Zielpublikum also Laien sind (und wenn ich von mir auf andere schließe) eher nicht so ansprechend, auch wenn mich das Thema interessiert hätte
    (Das mag vielleicht aber auch daran liegen, dass ich Jurist bin und mich damals, obwohl mich Physik viel mehr fasziniert hat und es noch immer tut, gegen das Physikstudium entschieden habe, weil ich mit Mathematik auf Kriegsfuß stehe)

  13. #13 Chemiker
    4. Oktober 2017

    Donnerwetter, dieser Artikel ist ein echter Gewinner.

    Vieles was hier in den letzten Wochen veröffentlicht wurde, kam mir zu leicht, zu per­sön­lich oder zu schräg vor. Dieser Ar­ti­kel ist aber per­fekt. Ich habe etwas ge­lernt was poten­tiell sogar für mich nützlich sein könnte (mit Dreh­matritzen habe ich im­mer wieder zu tun), und dabei ist er auch noch super locker, ver­ständ­lich und interessant geschrieben.

    Die Formel für ein konjugiertes Quaternion hätte aber auch noch rein­ge­paßt, man muß ja nur die Vor­zeichen aller drei Ima­gi­när­teile umdrehen.

    Formeln sind leider in HTML immer ein Krampf, ich weiche da immer auf LaTeX und PNG-Bildchen aus.

  14. #14 DG
    4. Oktober 2017

    Für Nicht-Mathematiker schwer zu durchschauen. Aber auf jeden Fall interessant aus wissenschaftshistorischer Sicht.
    Nebenbei kommt mir dabei eine philosophische Frage in den Sinn: Mit Bezug auf Quaternionen, komplexe Zahlen und Vektorrechnung wird mal davon gesprochen, dass sie “gefunden” wurden, mal, dass sie “erfunden” wurden, und ein anderes Mal, dass sie “entdeckt” wurden. Was wäre wohl der treffendste Ausdruck? Ich würde ja für “erfunden” plädieren, ähnlich wie die Dampfmaschine oder ähnliches erfunden wurde (und nicht “entdeckt”). Denn meines Verständnisses nach handelt es sich um ein mathematisches Werkzeug, nicht um ein Naturgesetz. Oder anders gefragt: Existierten die Quaternionen schon, bevor sie jemand “erfunden”(?) hat?

  15. #15 MZ
    4. Oktober 2017

    @Heljerer:
    Es gibt noch mehr Unterschiede. Rundungsfehler sind eine Sache, hierbei ist es so, dass die Dreh-Quaternionen schneller wieder normiert werden können als Drehmatrizen (das Quaternion p aus der untersten Gleichung hat die Länge eins). Desweiteren ist es sehr einfach, mehrere Drehungen hintereinander auszuführen:
    x” = p’x’p’* = p’pxp*p’*
    In Matrixschreibweise ist das aufwändiger, weil man sich jedes mal eine komplizierte 3D Drehmatrix aus Drehachse und -winkel berechnen muss.
    Dann (glaube ich) ist es noch so, dass bei der Quaternionenmultiplikation weniger Rechenoperationen anfallen, als bei Matrizenmultiplikation.

    @Quisum:
    Maxwell hatte seine Gleichungen auf verschiedene Arten dargestellt, u.a. auch Komponentenweise. “Seine” Gleichungen sind auch nicht die gleichen Maxwellgleichungen wie heute, damals gehörten noch die Kontinuitätsgleichung und die Materialgleichungen zu den M.-Gleichungen.
    Die Ähnlichkeiten zu Vierervektoren ist mir auch aufgefallen, ehrlich gesagt, weiß ich’s aber nicht. Ich vermute schon, dass Quaternionen sich eignen würden, zumal das zeitlich auch genz gut passt. Die SRT wurde ja entwickelt bevor die Quaternionen “out” waren.

  16. #16 rolak
    4. Oktober 2017

    verstehe nicht, warum

    Hilft das da für den Anfang weiter, Heljerer?

  17. #17 rolak
    4. Oktober 2017

    MZ

    Nach dem guten alten Zweitakter oder nach MS-DOS?

  18. #18 Cornelia S. Gliem
    5. Oktober 2017

    Der Artikel hat mich zudem inspiriert nach dem etwas merkwürdig klingenden Begriff zu googlen: Quaternionen. (Dachte zunächst fast, dass es um eine witzige Verballhornung der allseits allörtlichen Quanten ginge :-).)
    Dann gelernt, dass sie eben – neben den hier prominent vorgestellten mathematischen Aspekten – dass Quaternionen auch vier “folien” im Buchdruck bezeichnet und die sog. “Quaternionen der Reichsverfassung”. Letzteres übrigens hoch interessant was die bildliche Darstellung der 10×4 Stände im Hl. Römischen Reich zeigt.

  19. #19 Franz
    5. Oktober 2017

    Hey danke, wenn ich unseren Bahnberechnern zuhöre “fliegt” immer das Wort Quaternionen vorbei. Jetzt verstehe ich die Zusammenhänge besser. Guter Artikel, trotz viel Mathematik verständlich.

  20. #20 MZ
    5. Oktober 2017

    @rolak:
    Initialen 😉
    Danke außerdem für den Link, erinnert mich an einen weiteren Vorteil, den ich ganz vergessen habe: Mit Quaternionen kann der Gimbal Lock vermieden werden. Tritt bei Eulerwinkeln dann auf, wenn zwei der Achsen aufeinander fallen und dadurch ein Dreh-Freiheitsgrad verloren geht. Ungefähr die Situation, wenn man am Nordpol steht und nach Süden gehen soll (oder gar Norden)…

    @DG “Erfunden” trifft’s vielleicht ganz gut. Quaternionen sind ein mathematischer Schraubenzieher, der heutzutage meistens durch einen Akkuschrauber (Vektoren) ersetzt werden kann, aber für spezielle Anwendungen trotzdem besser geeignet ist. Und natürlich kann man die Schraube auch ohne Werkzeug allerdings unter erheblichen Aufwand reindrehen (komponentenweise Ausrechnen).

  21. #21 rolak
    5. Oktober 2017

    Initialen

    Extrem naheliegend, MZ,und daher 1) ists als direkte Frage sturzlangweilig und 2) war der zweite Frageteil extra deswegen derart umfassend formuliert, daß die (zugegebenermaßen erwartete) Antwort mitabgedeckt wurde.

    erinnert mich an

    (war ebenfalls Absicht…) So ein systemischer bzw Definitionsmengen-komplettierender Vorteil ist bei automatisch ablaufen sollenden Prozessen ja nicht zu verachten, auch wenn das Einsparen von ‘ein wenig’² Rechenzeit ia das schlagende Argument sein dürfte, evtl sogar das Inkaufnehmen einer weiteren, eher seltenen Schwäche rechtfertigte.

    _____________
    ² das relativiert sich nach der ersten Milliarde FlOps ziemlich.

  22. #22 Engywuck
    9. Oktober 2017

    schöner Artikel.

    Anmerkung zu Computerberechnungen: wenn ich oben richtig mitgezählt habe braucht die Multiplikation zweier Quaternionen 16 Multiplikationen und 12 Additionen. Für eine Drehung dann das Doppelte. Mit Matrizen bekommt man eine Drehung aber schon mit 9 Multiplikationen und 6 Additionen hin.

    Wohl auch aus diesem Grund ist die Matrix-Multiplikation in modernen GPUs (partiell) in Hardware realisiert und dadurch nochmals deutlich schneller. Andererseits braucht eine Drehmatrix natürlich auch mehr Platz als ein Quaternion…

    Inwiefern sich die Matrix-Befehle (SSE, AVX etc) moderner CPUs (auch) für Quaternionen eignen weiß ich nicht, meines Wissens sind sie aber zumindest nicht für Quaternionen gedacht gewesen 🙂

    Matrix-Multiplikation hat einen weiteren Vorteil: man kann “in einem Aufwasch” neben der Rotation gleich auch noch Skalierungen, Verzerrungen, etc miterledigen.

  23. #23 m
    10. Oktober 2017

    Um weiterzunerden, @engywuck: eigentlich verwendet man, zumindest in der Computergraphik, vierdimensionale Vektoren (oder halt mit einer Dimension zuviel, es gibt ja auch 2D-Graphik, z.B. PDF), hat also auch 16 Multiplikationen, 12 Additionen fürs Rotieren. Das hat den Vorteil, dass Verschiebungen (Translation) als Scherung senkrecht zur zusätzlichen Achse ausgedrückt werden können, was auch eine Matrixmultiplikation ist. Dadurch sind alle benötigten Transformationen Multiplikationen, und man kann (assoziativität) eine 4×4-Matrix ausrechnen die alle gewünschten Transformationen zusammenfasst. Müsste man™ mal™ gucken wie sich die üblichen Transformationen mit Quaternionen darstellen lassen, wärn zwar immernoch doppelt so viel Operationen aber viertels Platz.

  24. #24 Joselb
    11. Oktober 2017

    @ Engywuck: Der Rechenvorteil ergibt sich vor allem, wenn man nicht nur Punkte oder Vektoren transformieren will, sondern mehrere Einzel-Transformationen kombinieren will (zum Beispiel in einem Spiel aus den einzelnen relativen Rotationen für jeden Zeitpunkt eine Gesamtrotation errechnen will). Mit 3×3 Matrizen braucht man dann schon 27 Multiplikationen und 18 Additionen bzw. 64 Multiplikationen und 48 Additionen für 4×4. Mit Quaternionen braucht man dafür nur die 16 Multiplikationen und 12 Additionen und das hier sogar nur einmal.
    Dazu kommt dann noch die spherische lineare Interpolation ein paar andere Sonderfälle, die mit Quaternionen nahezu trivial sind (sofern man weiß, was man macht, muss das dann immer erst mal wieder nachlesen), aber in den anderen Formen eine ewige Rechnerei bedeuten.

    Und der ganz großer Vorteil ist dann (wie im Artikel schon erwähnt), dass man Quaternionen wie Vektoren normalisieren kann um Rechenfehler einzugrenzen, während man bei Matrizen früher oder später wegen Rechenfehlern von einer reinen Rotation in Richtung einer Scherung oder Skalierung abdriftet.

  25. #25 MZ
    11. Oktober 2017

    @Joselb:
    Danke für die Klarstellung! Ich bin nicht sehr bewandert in der praktischen Anwendung von Quaternionen, für meine Zwecke reichen Drehmatrizen (noch) völlig aus. Ich habe aber das Gefühl, dass in der Fachwelt (Spielegrafikforen) über Vor- und Nachteile diskutiert wird. Von der Warte her ist der oben beschrieben Kampf vielleicht noch nicht vorbei 😉

  26. #26 Joselb
    12. Oktober 2017

    Ich hab mal testweise einen Einheitsvektor wiederholt immer um den gleichen Winkel weiter gedreht und während die meisten Winkel relativ stabil sind, gibt es auch Winkel, die ganz schön ordentliche Fehler rein bringen: bei 11.46° wächst der Vektor bei jeder Drehung etwas und ist nach 100 Mio Rotationen über 100 mal länger, bei 11.5° schrumpft er in der gleichen Zeit auf unter ein 1000tel (alles mit einfacher Präzision und nur auf meinem Rechner getestet, bei einer Mio waren es in beide Richtungen schon etwa 5% Abweichung). Kombiniert man entsprechend 100 Mio mal eine Rotationsmatrix mit sich selbst würde ich für der Gesamtmatrix ein ähnliches Ergebnis erwarten. Für Astronomische Rechnungen (Milliarden an Iterationen) ist das natürlich vollkommen unbrauchbar.