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Die Laien und die Wissenschaft
von Timothy Truckle
Ich bin kein Naturwissenschaftler (also kein Studium in diesem Bereich), aber durch das mehr oder weniger regelmäßige Lesen in den scienceblogs sind mir einige Gedanken gekommen, welche ich hier kurz vorstellen möchte.
Wie der Titel bereits sagt, geht es hier um die Laien in den Naturwissenschaften, also solche Menschen, die kein naturwissenschaftliches Studium oder vergleichbare Ausbildungen haben. Der Begriff Laie steht hier explizit für die Personen, welche beruflich als auch im Freizeitbereich keine Berührungspunkte zur Naturwissenschaft haben, also nicht wie Amateure oder Hobbywissenschaftler sich intensiv mit der Materie beschäftigen und sich mehr oder weniger fundierte Kenntnisse angeeignet haben. Sowohl beim Lesen von Beiträgen und Kommentaren auf den scienceblogs als auch im täglichen Leben, im Freundes- und Bekanntenkreis, sind mir dabei die unterschiedlichsten Herangehensweisen von Menschen ohne tiefergehende Kenntnisse, also die genannten Laien, an naturwissenschaftliche Phänomene aufgefallen.
Der Begriff Laie bezeichnet laut Wikipedia jemanden, der auf einem bestimmten Gebiet keine Fachkenntnisse hat. So gesehen sind wir auf fast allen Gebieten außerhalb unserer beruflichen Ausbildung oder unserer Hobbys bzw. Freizeitinteressen Laien. Das ist ja auch völlig normal, denn heutzutage ist es aus meiner Sicht fast unmöglich, in allen Bereichen ein ausreichendes Fachwissen zu haben um als Experte zu gelten. Im täglichen Leben macht man sich kaum darüber Gedanken, was man alles nicht weiß, denn für alles gibt es Fachleute, auf die man sich verlassen kann. Ich muss nicht wissen, wie man Brot bäckt oder ein Flugzeug steuert oder eine Autobahnbrücke baut. All diese Dinge kann ich nutzen, weil ich darauf vertraue, dass es Menschen mit dem nötigen Wissen und den dazugehörigen Fertigkeiten gibt, welche diese Dinge für mich erledigen. Und ich persönlich empfinde es als völlig normal, dass diese Menschen in ihrem Fachbereich mehr wissen als ich, so wie ich ihnen vielleicht auf meinem Gebiet überlegen bin.
Nun bedeutet Laie zu sein ja nicht, dass man sich für das betreffende Gebiet gar nicht interessiert und auch keine Meinung zu Entwicklungen, Phänomenen oder Meldungen in den Medien dazu hat. Ich persönlich habe mich zum Beispiel schon immer sehr für die Naturwissenschaften, hauptsächlich Physik und Astronomie, interessiert. In meiner Jugendzeit habe ich dementsprechende populärwissenschaftliche Literatur gelesen. Heutzutage bietet das Internet ja zum Glück viel mehr Möglichkeiten und so bin ich unter anderem auch auf die Scienceblogs gestossen.Natürlich kann ich hier nur einen Teil der veröffentlichten Beiträge lesen und verstehen, da mir das fachliche Hintergrundwissen und (vor allem im Bereich der Physik) die nötigen mathematischen Kenntnisse fehlen. Außerdem sind meine Englischkenntnisse nicht ausreichend um Fachartikel zu lesen und zu verstehen.
Nichtsdestotrotz sind viele Artikel für mich interessant und vermitteln mir neues Wissen und Erkenntnisse. Oftmals sind die Beiträge in einer Form verfasst, dass auch der interessierte Laie sie verstehen kann und weiterführende Links sind natürlich auch sehr hilfreich. Sehr interessant für mich sind dann auch die Kommentare zu den Artikeln. Dabei sind mir dann gravierende Unterschiede bei den Kommentatoren und deren Umgang mit den dargelegten Informationen aufgefallen.
Einerseits gibt es die Schreiber mit wissenschaftlichem Hintergrund, welche sich über den Artikel auf einer rationalen Ebene austauschen. Diese Kommentare sind wiederum oft hilfreich für Laien wie mich, um gewisse Zusammenhänge besser zu verstehen oder zusätzliche Informationen zu erhalten. Dann sind dort Menschen wie ich, die interessierte Fragen stellen, sachlich auf Argumente reagieren und zeigen, dass sie ernsthaft an den Antworten interessiert sind. Dieses Prozedere ist aus meiner Sicht ja auch ein Teil des Anspruches dieses Blogs, nämlich Wissen zu vermitteln und zum weiteren Nachdenken anzuregen.
Was mich dann allerdings immer sehr verwundert sind die Kommentatoren, welche der Meinung sind, es besser zu wissen als die Wissenschaftler, die den jeweiligen Artikel verfasst haben. Die dann mit Aussagen wie “das kann doch gar nicht sein” oder “das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen” versuchen zu argumentieren. Natürlich sind das keine wirklichen Argumente und für mich ist es immer sehr schwer nachzuvollziehen, warum Menschen so reagieren. Wo liegen die Beweggründe dieser Leute, sich in solcher Form (leider oft auch abfällig) über Wissenschaftler, wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu äußern? Ist es der Frust darüber es selbst nicht verstanden zu haben oder eine maßlose Selbstüberschätzung des eigenen Wissens? Auch im Alltag begegnen mir häufig solche Ansichten und ich habe oft festestellen müssen, dass rationale Argumente selten angenommen werden. Die Menschen beharren dann fest auf ihrer Ansicht (“habe ich auf Youtube gesehen”, “ist doch ganz offensichtlich”, “ich kenne jemanden, bei dem …”).
Dabei geht es nicht nur um solche pseudowissenschaftlichen Bereiche wie Astrologie, Homöopathie, Reiki oder andere alternativen Behandlungsmethoden sondedrn auch um wissenschaftliche Erkenntnisse und Errungenschaften (Relativitätstheorie, Mondlandung usw.), welche einfach negiert werden, ohne eine stimmige Begründung zu nennen. Hier zeigen sich dann auch die negativen Seiten des Informationsangebotes im Internet. Man kann zu jeder Ansicht sowohl bestätigende als auch gegensätzliche “Fakten” finden. Ich kann natürlich verstehen, dass es für einen Laien oftmals sehr schwierig ist, hier die richtige Auswahl zu treffen, aber wer ernsthaft an seriösen Informationen interessiert ist, der findet sie auch. Um so mehr verwundert und erschreckt mich die Arroganz macher Menschen, die stur auf ihrer Meinung beharren und den Wissenschaften Dogmatismus Verschleierung von wirklichen Fakten vorwerfen. Ich bin selbst kein Wissenschaftler, aber aus meiner Sicht ist die Wissenschaft alles andere als dogmatisch. Wenn sie es wäre, gäbe es wohl kaum eine solche Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sie in den letzten Jahren und Jahrhunderten stattgefunden hat. Was mir in vielen Kommentaren auffällt, ist eine klar zum Ausdruck gebrachte Wissenschaftsfeindlichkeit, welche sich meistens in einer sehr herablassenden und beleidigenden Ausdrucksweise äußert. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungen werden hier als unsinnig und “offensichtlich falsch” dargestellt. Die Kommentatoren sind der Meinung, es sei doch klar ersichtlich, dass die Wissenschaft hier irrt und man selbst könne es doch viel “besser und einfacher” erklären. Das ist für mich um so abstruser, als diese Menschen die Erkenntnisse der Wissenschaft und Technik täglich nutzen, sie aber andererseits als falsch abtun. Wissenschaftler werden hier oft so dargestellt, als ob sie nur innerhalb eines ominösen “Mainstreams” publizieren dürften (was immer das auch ist), da sie sonst ihre Anstellung und ihre Reputation verlieren würden. Im weiteren Verlauf der Diskussion in den Kommentaren wird dann oft erkennbar, dass den Schreibern sowohl die fachlichen Kenntnisse als auch die Einblicke in Abläufe und Zusammenhänge in der wissenschaftlichen Welt fehlen.
Da ich das oben genannte Verhalten nicht nur in den Kommentarspalten des Internets sondern leider auch oft im persönlichen Umfeld bemerkt habe, stellt sich mir die Frage, was Menschen zu einer solchen Haltung gegenüber der Wissenschaft als auch der Wissenschaftler bewegt. Das Fehlen von Wissen auf bestimmten Gebieten ist doch völlig normal, niemand kann sich sich in jedem Bereich auskennen und ein rational denkender Mensch sollte doch in der Lage sein, das als selbstverständlich anzusehen. Wer sich als Laie für Wissenschaft interessiert hat heutzutage vielfältige Möglichkeiten sich zu informieren. Es bedarf allerdings einer gewissen Anstrengung, die relevanten Informationen zu finden und der Bereitschaft sich auf das Thema einzulassen, weiterführende Links zu lesen und vor allem, bereits gewonnene und gesicherte Erkenntnisse anzuerkennen.
Hier bieten sich mir zwei Erklärungsversuche an. Einerseits könnte es eine Art Frust darüber sein, gewisse Zusammenhänge auf Grund von fehlendem Basiswissen einfach nicht zu verstehen um dann mit dem Scheinargument “das kann ja gar nicht sein, ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen” eine überhebliche Haltung einzunehmen. Es sei ja sowieso nur alles “Theorie” und nicht bewiesen, also irrt sich die Wissenschaft und man selbst weiß es ja besser. Man fühlt sich dann den Wissenschaftlern überlegen, “die wissen auch nicht alles”.
Der andere Grund könnte aus meiner Sicht sein, dass man sich aus dem unüberschaubaren Informationsangebot im Internet die Dinge heraussucht, welche scheinbar leicht verständlich und anschaulich Wissen vermitteln. Genau wie im ersten Fall muss man sich nicht der Mühe unterziehen, dieses Wissen mit bereits bestehendem abzugleichen oder wissenschaftliche Zusammenhänge nachzuvollziehen. Es wird alles “mundgerecht” serviert und auch Menschen ohne wissenschaftliche Ausbildung können diese Dinge “verstehen”. Solche Erklärungen fangen dann meistens mit der Phrase “Fakt ist…” an und dann braucht man auch nicht mehr weiterzudenken. Auch hier kann man sich wieder den “engstirnigen Fachidioten” überlegen fühlen und so seine eigene Persönlichkeit aufwerten. Komischerweise erkennen diese Menschen nicht die Unwahrscheinlichkeit der Tatsache, dass die Wissenschaft trotz jahrelanger Forschung noch nicht auf ihre “Erklärung” gekommen ist.
Beide Begründungen sind für mich nicht nachvollziehbar und auch unverständlich. Wenn ich mich mit für mich fachfremden Themen befasse, weil ich mich dafür interessiere, dann ist es doch völlig kontraproduktiv sich über die Fachleute zu stellen und stur auf der eigenen Meinung zu beharren. Es ist doch gerade interessant und faszinierend, seinen Horizont mit Hilfe von Büchern, Internetbeiträgen oder der Diskussion mit Gleichgesinnten zu erweitern. Natürlich muss man sich dabei seiner eigenen Grenzen bewusst sein und bereit sein, eigene Anstrengungen in den Prozess mit einzubringen. Wer das nicht möchte, sollte sich meiner Meinung nach auch nicht dazu aufschwingen, es besser als alle anderen zu wissen. Man kann nicht auf jedem Gebiet Fachmann sein, sollte das aber auch eingestehen und nicht, wie leider oft auch zu lesen, arrogant oder beleidigend aufzutreten. Wer ernsthaft an neuem Wissen interessiert ist, der wird auch neue Erkenntnisse erlangen und es sollte für niemanden ein Problem sein, dass er ein Laie ist.
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