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Giordano Brunos Vision: Die Himmel fremder Welten
von AmbiValent
Ich bin im Hauptberuf Softwareentwickler, interessiere mich aber auch sehr für Astronomie und Astrophysik.
Seit Giordano Bruno im späten 16. Jahrhundert die Ansicht verbreitete, die Sterne seien Sonnen, die von “Erden”, also Planeten, umkreist würden, gab es viele Geschichten und Entwürfe dieser fremden Welten. Aber meist waren diese Welten entweder verkleidete Erden oder ganz frei erfunden. Wie sieht es in anderen Systemen wirklich aus, und wie der Himmel auf Welten, wo Menschen leben könnten?
Es gibt zahllose Sonnen und zahllose Erden, die alle ihre Sonnen in genau derselben Weise umkreisen wie die sieben Planeten in unserem System. Wir sehen nur die Sonnen, weil sie die größten Körper sind und scheinen, aber ihre Planeten erscheinen uns unsichtbar, weil sie kleiner sind und nicht scheinen. Die zahllosen Welten im Universum sind nicht schlechter und nicht weniger bewohnt als unsere Erde. (Giordano Bruno)
Wenn man sich heute an Giordano Bruno erinnert, dann vor allem als Ketzer, der 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, aber nicht mehr, warum genau. Dies hatte zum Teil mit Brunos Naturphilosophie zu tun, in der er ein unendliches Universum ohne Platz für eine Schöpfung, ein Jüngstes Gericht oder ein Jenseits postulierte, zum anderen Teil auch damit, dass Bruno diese Ansichten auch sehr polemisch vertrat und Gegner mit beißendem Spott belegte.
Dass er anders als Galilei nicht als Vorreiter der Naturwissenschaft gesehen wurde, hängt auch damit zusammen, dass seine Ansichten eher pantheistisch waren, anders als Galileis analytischer Materialismus. So kam es, dass seine Ideen zwar spätere Philosophen wie Spinoza oder Nietzsche beeinflussten, aber kaum bekannt ist, dass er neben einer Vielzahl von Erden auch die Abplattung sich drehender Körper postulierte und die Idee entwickelte, die vielen Sonnensysteme seien nicht durch Äther getrennt, sondern durch ein Vakuum.
Seine Idee der vielen belebten Welten erfreut sich heutzutage in der Science Fiction und auch in der öffentlichen Meinung zu Exoplaneten stetiger Beliebtheit. Weniger bekannt ist dagegen, welche Schlüsse über diese Welten die heutige Astrophysik erlaubt, und wie es auf solchen Welten aussehen könnte, die auch menschliches Leben ermöglichten.
Leider müssen viele Faktoren zusammenkommen, um eine wirklich erdähnliche Welt zu ermöglichen. Und so gibt es leider keine Systeme, in denen eine erdähnliche Welt wahrscheinlich wäre, nur solche, in denen sie unwahrscheinlich, aber immerhin möglich wäre. Im Folgenden will ich die verschiedenen Aspekte der vielen Sonnensysteme und Welten im Einzelnen beleuchten.
Sonnen – Spektralklassen
Heute nimmt man an, dass fast alle Sterne Planeten haben. Aber nicht überall ist menschliches Leben möglich. Zum Ersten ist eine Temperatur nötig, die flüssiges Wasser ermöglicht. Aber das würde um jeden Stern immer noch eine habitable Zone ermöglichen. Bei vielen Sternen gäbe es aber auch dort kein Leben.
Heiße Sterne der Spektralklassen O, B und A haben nur eine begrenzte Lebensdauer, die nicht für die Evolution von Leben ausreicht, und die Strahlung dieser Sterne ist härter als die der Sonne – auf dieselbe Menge Energie kommt mehr Strahlung im UV-Bereich und jenseits davon.
Bei den sehr häufigen roten Zwergen der Spektralklasse M würde ein Planet in der habitablen Zone schon so nah an seinem Stern stehen, dass er ihm wahrscheinlich durch Gezeitenwirkung immer nur eine Seite zuwendet. Beim Merkur mit seiner exzentrischen Bahn haben die Gezeitenkräfte dagegen dazu geführt, dass er sich in zwei Merkurjahren dreimal um seine Achse dreht, wodurch der Merkurtag doppelt so lang ist wie das Merkurjahr.
Aber trotz dieser extremen Bedingungen wäre es immer noch möglich, dass sich die von der Sonne erhaltene Energie auf dem Planeten verteilt, um so Wasser flüssig zu halten und Leben zu ermöglichen. Was das Leben aber wahrscheinlich doch unmöglich macht, sind die Sterneruptionen, die besonders bei M-Sternen stark ausgeprägt sind. M-Sterne sind voll konvektiv, dort wird also Energie nach außen transportiert, indem heißeres Material ansteigt, was wiederum das Magnetfeld in Unordnung bringt und Eruptionen begünstigt.
Zu einer lebensfreundlichen Welt gehört also fast zwangsläufig ein eher gelber bis weißer Stern mit mindestens der halben Sonnenmasse und Spektralklasse K, G oder einem Teil von F, wobei unsere Sonne schon ziemlich am energiereichen Ende steht. Die lebensfreundlichsten Bedingungen gäbe es also bei Sternen, die nur ein wenig kühler sind als die Sonne, und damit auch langlebiger.
Sonnen – Einzel- oder Mehrfachsterne
Neben Einzelsternen wäre es noch möglich, dass ein lebensfreundlicher Planet in einem Mehrfachsystem kreist. Hier gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten.
Zum einen könnten die Sonnen eng zusammenstehen und der Planet beide umkreisen, wie es auf Tatooine bei Star Wars der Fall ist. Stehen die Sterne so eng zusammen, können sich in einer Scheibe außerhalb der beiden Sterne ähnlich wie bei Einzelsternen Planeten formen. Auf solchen Planeten könnte man deutlich beobachten, dass sich die Sonnen umkreisen. Solche engen Doppelsterne sind jedoch eher selten. Stehen die Sterne weiter auseinander, dann ist in der habitablen Zone kein stabiler Orbit möglich.
Bei Alpha Centauri wiederum stehen die Sterne schon weit genug auseinander, damit in den habitablen Zonen um beide Sterne stabile Orbits möglich sind. Es ist aber noch nicht klar, ob sich dort auch tatsächlich Planeten bilden könnten.
Der Himmel eines erdähnlichen Planeten von Alpha Centauri A sähe tagsüber dem der Erde sehr ähnlich – B erschiene 300- bis 4000-fach lichtschwächer als A, je nachdem, wie weit entfernt voneinander die Sterne auf ihrem elliptischen Orbit gerade sind. Man würde die Leuchtkraft von B erst dort bemerken, wenn B-Licht in den Schatten von A fällt – oder wenn man leichtsinnigerweise direkt B anstarrt. Dann könnte man seine Augen schädigen, denn obwohl die Fläche am Himmel klein ist, ist die Helligkeit pro Fläche immer noch die einer Sonne. Auch bei A-Nacht könnte man im Licht von B gut lesen, während am dunkelblauen Himmel nur die hellsten Sterne noch sichtbar wären. Bei einem Planeten von B erschiene A noch eine Größenklasse heller als umgekehrt.
Bei einem noch weiter auseinanderstehenden Doppelstern werden dann Unterschiede zum Einzelstern immer kleiner, sowohl bei der Planetenbildung als auch beim Anblick des Himmels. Der andere Stern, oder mehrere Sterne, wenn sich Sternsysteme umkreisten, wären nur als helle Sterne am Himmel zu sehen, nicht als Sonnen. Eine Situation wie bei Isaac Asimovs “Nightfall”, wo auf einem Planeten ständig Tag herrscht, weil er immer von einer der Sonnen eines Mehrfachsterns beschienen wird, wird in der Realität nicht zu finden sein.
Planeten und Monde
Neben mehreren Sonnen sind auch mehrere große Monde eine beliebte Idee. Aber auch hier gibt es Einschränkungen durch den Prozess der Planetenbildung. Der Normalfall ist, dass sich um einen Planeten Monde bilden, die viel kleiner sind als er selbst. Ganymed und Titan sind zwar so groß wie Merkur, umkreisen aber Gasriesen, die 20mal größer sind als sie selbst.
Und für den Sonderfall, dass ein Planet einen großen Mond hat, ist dies im Allgemeinen das Resultat einer Kollision in der Frühzeit der Planetenbildung. Im Fall solcher Kollisionen hat man anschließend entweder einen Planeten mit vielen kleineren Monden, oder zwei große Körper, die im besten Fall einen Doppelplaneten bilden – aber dann lange Zeit nichts.
Es gäbe also mehrere mögliche Szenarien: Ein Planet, umkreist von mehreren kleinen Monden. Ein Planet mit einem großen Mond. Und die umgekehrten Fälle: die erdähnliche Welt ist selbst ein großer Mond – oder umkreist gar einen Gasriesen.
Bei diesem letzten Fall wäre zwar der Himmelsanblick spektakulär, weil der Gasriese selbst groß am Himmel stände und selbst seine anderen Monde noch größer erscheinen könnten als der Erdmond. Es gäbe aber andere Probleme: weil eine solche Welt den Gasriesen gebunden umkreist, wäre ein Tag in Bezug auf die Sonne des Systems so lang wie ein Umlauf. Eine solche Welt würde es also entweder mit extrem langen Tagen oder mit dem extrem starken Magnetfeld des Gasriesen zu tun bekommen, dessen Strahlungsgürtel lebensgefährlich wären. Im schlimmsten Fall mit beiden, so dass auch dort kein Leben auf der Oberfläche möglich wäre.
Nachbarplaneten
Während bei Sonnen und Monden die interessantesten Fälle leider die wären, in denen kein Leben möglich wäre, wären gut Systeme möglich, in denen die Nachbarplaneten eindrucksvoller erscheinen als die der Erde. Von der Erde aus gesehen ist die Venus der hellste Planet – aber die größte Helligkeit erreicht sie als Sichel, wo nur ein kleiner Teil des von der Venus reflektierten Lichts in Richtung Erde fällt. Schon eine Venus im Mars-Orbit würde noch deutlich strahlender werden; obwohl sie dann insgesamt weniger Licht reflektiert, erreicht viel mehr davon die Erde.
Es gibt auch Exoplanetensysteme, in denen die Entfernungen zu größeren Nachbarn geringer ist als bei uns. Hier werden die Verbesserungen bei der Beobachtung von Exoplaneten in den nächsten 10-20 Jahren viele Fragen in Bezug auf das Aussehen dieser Systeme beantworten können.
Der spektaktulärste Anblick – ein Gasriese als Nachbarplanet – wäre ausnahmsweise nicht tödlich, aber ein sehr naher Orbit würde wohl orbitale Resonanz erfordern, so dass der Gasriese seinen Nachbarn nicht aus dem System wirft. Und dies wäre wohl leider unwahrscheinlich.
Fazit
Schon in naher Zukunft wird es wohl möglich sein, eine Vielzahl möglicher Systeme mit lebensfreundlichen Welten wirklichkeitsnah zu modellieren. Dann wird Giordano Brunos über vier Jahrhunderte alte Vision Wirklichkeit werden, dass alle Menschen die fernen Welten ebenso sehen würden wie er selbst. Und etliche dieser Welten hätten wohl auch ihn überrascht.
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