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Sternengeschichten Folge 255: Die Entdeckung des Sternenstaubs

“Wir Menschen bestehen aus Sternenstaub” – diesen Satz hört man oft von Menschen die vermitteln wollen, wie faszinierend die Astronomie ist. Auch ich habe ihn oft verwendet. Gemeint ist damit, dass die chemischen Elemente aus denen wir – und der ganze Rest der Dinge um uns herum – bestehen, nicht von Anbeginn des Universums an vorhanden waren. Nach dem Urknall gab es im Universum nur Wasserstoff und Helium; alles andere musste erst danach in den heißen Zentren der ersten Sterne durch Kernfusion erzeugt werden. Und erst als diese Sterne ihr Leben beendet hatten; als ihnen der Brennstoff ausging; die Kernfusion zum Erliegen kam und sie in gewaltigen Explosionen vergingen: Erst da wurden diese neu geschaffenen chemischen Elemente hinaus in den Kosmos geschleudert. Und erst dann konnten daraus Planeten wie die Erde entstehen – oder Menschen wie wir.

Wir bestehen also tatsächlich zu einem großen Teil aus dem, was sich früher im Inneren der Sterne befand. Wenn man aber ganz genau schaut, dann kann man auch noch echten Sternenstaub finden.

In den 1960er Jahren haben Wissenschaftler Meteoriten untersucht. Eingeschlossen im Gestein aus dem Weltall fanden sie die Edelgase Neon und Xenon. Das ist an sich noch nicht überraschend; diese Elemente wurden so wie der Rest bei der Kernfusion im Inneren der Sterne erzeugt und finden sich deswegen auch überall in der Materie im Kosmos. Was allerdings schon überraschend war, war die Zusammensetzung der Isotope.

Über Isotope habe ich in den Sternengeschichten ja schon oft gesprochen. Ein chemisches Element wird durch die Anzahl der Protonen in seinem Atomkern definiert. Ein Atomkern besteht aber nicht nur aus Protonen sondern auch aus Neutronen. Die Anzahl der Neutronen kann aber für das selbe chemische Element unterschiedlich sein. Xenon zum Beispiel hat immer 54 Protonen in seinem Kern. Die Zahl der Neutronen kann aber irgendwo zwischen 56 und 93 liegen. Es gibt also 46 unterschiedliche Variationen von Xenon; 46 sogenannte Isotope. Neun dieser Isotope sind stabil: Das heißt ihre Atomkerne verändern sich nicht sondern bleiben so wie sie sind. Der Rest ist instabil: Diese Atomkerne zerfallen, das bedeutet Protonen und Neutronen wandeln sich ineinander um und aus dem Xenon entstehen andere chemische Elemente. Dieser Vorgang heißt “Radioaktivität” und es kann bei Xenon je nach Isotop nur Sekundenbruchteile oder viele Tage dauern, bis ein Atomkern zerfällt.

Welche der stabilen Isotope in welchen Mengen vorhanden sind hängt sehr stark von den Prozessen ab bei denen die Elemente erzeugt werden. Je nach den Eigenschaften eines Sterns läuft die Kernfusion in seinem Inneren auf unterschiedliche Weise ab und erzeugt unterschiedliche Mengen an chemischen Elementen und Isotopen. Auch die Bedingungen in den äußeren Schichten eines Sterns spielen eine Rolle. Ist die Atmosphäre eines Sterns zum Beispiel kühl, können sich dort andere Isotope bilden als in heißen Sternen. Explodiert ein Stern in einer Supernova, herrschen dort andere Bedingungen als bei einem Stern der das nicht tut und auch hier entstehen unterschiedliche Varianten von Isotopen. Und schließlich hat auch der Prozess der Sternentstehung Einfluss auf die Menge an Isotopen.

Ein Stern entsteht aus einer großen Wolke voll Gas und Staub die in sich zusammenfällt. Der Großteil davon wird Teil des Sterns und in seinem Inneren dann durch all die kernphysikalischen Prozesse verändert. Der Rest klumpt zu Brocken verschiedener Größe zusammen; von Asteroiden bis hin zu Planeten. Und auch hier finden kernphysikalische, geologische und chemische Prozesse statt, die die Zusammensetzung der Isotope verändern.

Die Materie die unser Sonnensystem ausmacht hat bei dessen Entstehung im Wesentlichen die gleichen Prozesse mitgemacht und deswegen findet man auch überall die gleiche Zusammensetzung der Isotope. Die Meteoriten die man auf der Erde findet sind die letzten Reste des Baumaterials das bei der Entstehung der Planeten vor 4,5 Milliarden Jahre übrig geblieben ist. Das Verhältnis der Isotope chemischer Elemente sollte daher in den Meteoriten im Wesentlichen identisch mit dem in den Gesteinen der Erde sein. Bei den in den 1960er Jahren untersuchten Meteoriten war das aber nicht so. Die dort gefundenen Gase hatten eine Isotopenzusammensetzung die sich von der für das Sonnensystem üblichen unterschied.

Damals dachte man, dass der Grund dafür Variationen in der ursprünglichen Wolke waren aus denen das Sonnensystem entstanden ist. Die Isotopenzusammensetzung sollte in unterschiedlichen Bereichen der Wolke unterschiedlich gewesen sein. In den 1970er Jahren hatte der amerikanische Astronom Donald Clayton allerdings eine andere Idee: Er war der Meinung dass die seltsamen Gase Teil einer präsolaren Materie seien; eingeschlossen in präsolare Minerale. Die homogene Materie des ursprünglichen Nebels sei angereichert durch winzige Körnchen aus Material das von roten Riesensternen und Supernova-Explosionen ins All hinaus geschleudert worden sei. Material, dass eingebettet in die Meteoriten all die chemischen und nuklearen Prozesse überlebt hat und heute immer noch als Fremdkörper erkennbar ist: Als Staubkörnchen die von fremden Sternen stammen, älter als das Sonnensystem; echter Sternenstaub also.

Konkrete Beweise für diese Idee zu finden war allerdings schwierig. Die Gase Neon und Xenon hatte man untersucht in dem man die gesamten Meteoriten verdampfte – konkreter “Sternenstaub” blieb da nicht übrig. Später fanden Wissenschaftler dann aber andere Methoden: Sie lösten Meteoriten in Säure auf und untersuchten die Reste die dem Säurebad widerstanden. Das meiste des Gesteins aus denen die Meteorite bestanden verschwand dabei, aber im Rest fand sich auch kohlenstoffhaltiges Material in dem Gase eingeschlossen waren die die gleiche Isotopenzusammensetzung zeigten wie man sie von der Beobachtung roter Riesensterne kannte. Eine detaillierte Untersuchung dieses Trägermaterials der fremden Gase war allerdings immer noch nicht möglich.

Die Untersuchungsmethoden aber wurden immer besser und genauer und im Jahr 1987 konnte man Körnchen aus winzigen Diamanten und Siliciumcarbid isolieren. Es war nun möglich diese Körnchen direkt zu untersuchen und sie zeigten ebenfalls eine Isotopenzusammensetzung die sich von der des Sonnensystems unterschied. Der Nachweis von echtem “Sternenstaub” war gelungen.

Präsolare Diamanten kann man im Wiener Naturhistorischen Museum anschauen

Präsolare Diamanten kann man im Wiener Naturhistorischen Museum anschauen

Mittlerweile hat man eine ganze Menge dieser präsolaren Minerale entdeckt, wie der “Sternenstaub” in der Wissenschaft offiziell genannt wird. Neben Diamant und Siliciumcarbid sind das zum Beispiel Graphit, Titancarbid, Siliciumnitrit, Korund, Spinell oder Hibonit.

Es ist immer noch schwierig den Sternenstaub direkt zu untersuchen. Aber wir lernen daraus viel über das was vor langer Zeit im Universum passiert ist; lange bevor das Sonnensystem entstanden ist. In manchen Körnchen finden wir zum Beispiel das Isotop Calcium-44. Normalerweise macht dieses Isotop 2 Prozent der Calciumatome aus. In manchen präsolaren Körnern ist die Menge aber deutlich höher. Calcium-44 kann aus dem radioaktiven Zerfall des Titan-Isotops Titan-44 entstehen. Dieses Element hat eine Halbwertszeit von 63 Jahren. Im Vergleich zum Alter des Sonnensystems ist das so kurz das man mit guter Gewissheit davon ausgehen kann, das von all den Isotopen dieses Atoms die bei der Entstehung des Sonnensystems vorhanden waren heute kein einziges mehr vorhanden ist. Es entsteht auch nicht so einfach. Dazu braucht es zum Beispiel eine Supernova-Explosion. In der Endphase eines Sternenlebens kann ein ausreichend großer Stern durch Kernfusion Silicium erzeugen. Das Silicium-Isotop Silicium-28 kann dann ein paar Kerne von Heliumatome einfangen und so zu Titan-44 werden. Das klappt aber nur unter den speziellen Bedingungen die vor beziehungsweise während einer Supernova-Explosion herrschen.

Das Calcium-44 das wir heute noch in den Sternenstaub-Körnchen finden kann also nicht in unserem Sonnensystem entstanden sein sondern muss der letzte, stabile Rest der Kette an kernphysikalischen Umwandlungen sein die irgendwann mit Silicium im Inneren eines viel älteren, fremden Sterns begonnen hat.

Es ist schwer, den Sternenstaub zu finden und zu erforschen. Aber er ist da! Ein winziger Teil des Staubs, der überall auf unseren Straßen liegt oder an unseren Schuhsolen klebt stammt aus dem Weltall – und ist älter als unser Planet, unsere Sonne und unser ganzes Sonnensystem.

Kommentare (12)

  1. #1 Stefan
    13. Oktober 2017

    Es ist immer noch schwierig den Sternenstaub direkt zu untersuchen.
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  2. #2 Stephan
    13. Oktober 2017

    Mir haben sich wieder die Nackenhaare aufgestellt, danke für das extrem spannende Thema und die wunderschön geknüpfte Kauselkette !

  3. #3 Steffan
    14. Oktober 2017

    @Stefan: kannst du deinen kryptischen “Link” evtl. erklären??

  4. #4 Robert
    14. Oktober 2017

    So wie das Thema Sternenstaub hier dargestellt wird, muss es einen Big Bang gegeben haben.
    Was aber, wenn man irgendwann nichtradioaktive Isotope mit einer Ordnungszahl von über 112 findet ?
    Könnte es dann einen Big Bang vor dem Big Bang gegeben haben?

  5. #5 Yeti
    14. Oktober 2017

    @Steffan@Stephan:
    Das war Werbung.

  6. #6 Karl-Heinz
    14. Oktober 2017

    @Robert

    So wie das Thema Sternenstaub hier dargestellt wird, muss es einen Big Bang gegeben haben.
    Was aber, wenn man irgendwann nichtradioaktive Isotope mit einer Ordnungszahl von über 112 findet ?
    Könnte es dann einen Big Bang vor dem Big Bang gegeben haben?

    Das Element 82 (Blei) ist das letzte Element, von dem stabile, also nicht radioaktive Isotope existieren. Alle nachfolgenden (Ordnungszahl 83 und höher) sind ausnahmslos radioaktiv und somit instabil.

  7. #7 Robert
    16. Oktober 2017

    Karl-Heinz,
    ab 118 soll es wieder stabile Nuklide geben. (nach der Theorie)
    Wenn wir auf der Erde keine Diamanten gefunden hätten, wär niemand auf die Idee gekommen, dass es so etwas gibt.
    Es könten im Sternenstaub ja auch Moleküle vorkommen, die unter irdischen Verhältnissen nicht entstehen könnnen, in einer Supernova aber doch.
    Blos, wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll, dann findet man auch nichts.

  8. #8 Karl-Heinz
    16. Oktober 2017

    @Robert

    Könnte es dann einen Big Bang vor dem Big Bang gegeben haben?

    Frage: Mit dem Big Bang meinst du jetzt das Universum oder eine Supernova?

  9. #9 Captain E.
    16. Oktober 2017

    @Robert:

    ab 118 soll es wieder stabile Nuklide geben. (nach der Theorie)
    Wenn wir auf der Erde keine Diamanten gefunden hätten, wär niemand auf die Idee gekommen, dass es so etwas gibt.
    Es könten im Sternenstaub ja auch Moleküle vorkommen, die unter irdischen Verhältnissen nicht entstehen könnnen, in einer Supernova aber doch.
    Blos, wenn man nicht weiß, wonach man suchen soll, dann findet man auch nichts.

    “Theorie” ist zu hoch gegriffen. Man könnte das allerhöchstens Hypothese nennen, und ob die überhaupt noch ernsthaft verfolgt wird? Man hat ja bereits Oganesson in Form von Og-298 erzeugt, und die Halbwertszeit wurde mit 0,89 ms bestimmt. Gut, es könnte natürlich Oganesson-Isotope geben, die tatsächlich stabil wären. Oder es gibt erst ab Ordnungszahl 119 stabile Isotope, denn nichts mit 119 oder höher konnte bislang synthetisiert werden. Eine “Insel der Stabilität” im Sinn stabiler Isotope ist nicht zu erwarten. Auf diesen Inseln (Plural!) könnte es zwar Isotope geben mit merklich längeren Halbwertszeiten, aber eben doch keine stabilen.

    So zeigen die bisher entdeckten Isotope des Elements Flerovium, das 114 Protonen enthält, auffällig lange Halbwertszeiten, die bis zu mehrere Sekunden betragen. Spitzenreiter bei diesem Element und um einiges “stabiler” als alles andere mit vergleichbaren Atommassen ist Fl-285 mit sage und schreibe 5 Sekunden. Rein rechnerisch müsste Fl-298 über das eine besonders lange Halbwertszeit verfügen. Bislang konnte dieses Isotop aber noch nicht beobachtet bzw. synthetisiert werden. Stabil wird es eher nicht sein, und wohl nicht einmal Halbwertszeiten wie die langlebigeren Uran- oder Plutonium-Isotope aufweisen.

  10. #10 Robert
    16. Oktober 2017

    Captain E,
    Danke für die ausführliche Antwort. Ich hatte einmal einen Beitrag von Peter Atkins darüber gelesen.
    Mit stabil meinte ich auch nur einige Minuten. Aber vielleicht existiert eine rad. Zerfallsreihe weit auserhalb unseres Wissens.
    Karl Heinz
    Mit dem Big Bang meinte ich tatsächlich den Urknall. Es wäre einfach unlogisch zu glauben, dass es nur einen Urknall gegeben hat.

  11. #11 Karl-Heinz
    17. Oktober 2017

    @Robert
    Bei einem zyklischen Universum glaube ich nicht, dass die Materie (Atome, …) bei einem neuerlichen Big Bang überlebt.

  12. #12 Robert
    17. Oktober 2017

    Karl-Heinz,
    das All ist unendlich(meine Meinung), ein Big Bang muss nicht das gesamte All erfassen, und Teile vom “anderen Ende” können durchaus älter sein, als 13 Mrd. Jahre.
    Und auch die Zeitabläufe können verschieden ablaufen. Für einen Bereich , etwa ein ein Schwarzes Loch, steht die Zeit still, in einem beschleunigten Teil läuft die Zeit langsam ab, und wieder woanders verläuft die Zeit in irdischen Maßstäben.
    Meine Phantasie ist da genau so grenzenlos wie das All.