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Immer der Nase nach – ein Enzym-Screenings der besonderen Art
von Katrin Weinhandl
Ich habe mein Mikrobiologie-Studium an der Karl-Franzens-Universität Graz abgeschlossen und arbeite nun seit etwa 7 Jahren am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib). Seit etwa einem halben Jahr betreue ich mit einer kleinen Gruppe den acib-eigenen Blog, wo wir regelmässig über aktuelle Entwicklungen in der Biotechnologie berichten.
WissenschaftlerInnen schlagen oft sehr kreative Wege ein, um in ihrer Forschung voranzukommen, so auch ForscherInnen der Biotechnologie. Schon einmal daran gedacht, auf seine fünf Sinne zu vertrauen, wenn man sich auf die Suche nach neuen Enzym-Vertretern begibt? Mit ein bisschen Glück „erschnüffelt“ man sich seinen Biokatalysator sogar bei einem Waldspaziergang.
„Größer“ – „Schneller“ – „Weiter“ sind bekannte Schlagworte unserer Leistungsgesellschaft. In der industriellen Biotechnologie werden diese Begriffe durch „energieeffizienter“, „umweltfreundlicher“ oder „grüner“ ersetzt. Die großen Ideen und Innovationen für die Verbesserung von industriellen Prozessen liegen oft direkt vor uns; wir müssen sie uns nur von der Natur abschauen und – hier liegt oft die Schwierigkeit – vor allem erkennen.
Suchen ForscherInnen nach speziellen enzymatischen Funktionen, werfen sie oft einen Blick auf Flora und Fauna und holen sich diese natürlichen Technologien ins Labor.
Eine spezielle Verteilungsstrategie vieler Pflanzen ist beispielsweise die Herstellung von Cyaniden (besser bekannt als Blausäure). Pflanzen setzen Blausäure frei und halten sich so ihre natürlichen Feinde vom Leib. Das Enzym für die Freisetzung der Blausäure nennt man Hydroxynitrillyase (HNL). Im Labor hat man herausgefunden, dass HNL auch zur Rückreaktion befähigt ist, also der Bindung von Cyanid an bestimmte Moleküle. Darüber freut sich die pharmazeutische Industrie, denn durch diesen Prozess können wertvolle Bausteine für zB Medikamente oder Vitaminpräparate synthetisiert werden. Doch wie findet man nun Pflanzen, die HNL freisetzen?
… und das Gute liegt so nah
Der Vorteil bei der Suche nach geeigneten HNL-Lieferanten ist die Tatsache, dass Blausäure einen charakteristischen Bittermandelgeruch hat. Man findet sie in vielen Fruchtkernen von Rosengewächsen (zB Pfirsich, Marille, Sauerkirsche) aber auch in den Blättern und Blüten von Süßgräsern, einigen Hülsenfrüchten oder Farnen. ForscherInnen haben sich also auf ihrer Suche nach einer neuen HNL-Funktion als erstes in den Wald begeben und nach möglichst intensiv riechenden Pflanzen gesucht. Blausäure ist zwar bekanntlich giftig, aber die Dosis, die man dabei im Wald einatmet, ist absolut unbedenklich.
Der am intensivsten riechende Farn wurde mit ins Labor genommen und einer genaueren Untersuchung unterzogen (Transkriptom- und Proteomanalysen, 3D-Struktur, biochemische Charakterisierung). Auf diese Art und Weise konnten bereits einige HNL-Vertreter entdeckt und der Einsatz von HNL in industriellen Herstellungsprozessen ständig verbessert werden. Somit sind wir dem Credo „energieeffizienter“, „umweltfreundlicher“ und „grüner“ wieder ein Stückchen näher gekommen – und die Luft, die wir bei unserem Waldspazierung einatmen, wird zudem wieder ein klein wenig klarer.
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