Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 256: Das radioaktive Innere der Erde
Im Inneren der Erde ist der Erdkern. Dieser Kern hat einen Durchmesser von immerhin 6942 Kilometern; ist also in etwa so groß wie der Mond. Er ist fast 6000 Grad heiß, also in etwa so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Er besteht im wesentlichen aus Eisen und Nickel. Es gibt einen festen inneren Kern und außen um ihn herum einen flüssigen äußeren Kern. So viel wissen wir – und wie wir das herausgefunden haben, habe ich in Folge 143 der Sternengeschichten ausführlich erklärt.
Es gibt aber noch jede Menge was wir über das Innere unseres Planeten nicht wissen. Zum Beispiel warum er so heiß ist. Beziehungsweise: Warum er heißer ist als er sein sollte. Als die Planeten und damit auch die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind, taten sie das im Verlauf jeder Menge Kollisionen. Haufenweise kleinere Brocken kollidierten miteinander und schufen so die großen Planeten. Bei diesen Zusammenstößen wurde jede Menge Wärme freigesetzt; die frisch geschaffenen Planeten waren also allesamt sehr heiß. Und bis so ein großes Ding wie ein Planet abkühlt dauert es. Der Großteil der Wärme des Erdkerns ist immer noch die Wärme aus der Zeit seiner Entstehung.
Aber nach allen Modellrechnungen die wir über die Abläufe im Inneren der Erde angestellt haben, sollte der Kern unseres Planeten nicht so heiß sein, wie er tatsächlich ist. Wir haben natürlich kein Thermometer das wir in den Erdkern stecken können; die vermuteten Temperaturen sind selbst das Ergebnis von Modellrechnungen. Aber wir wissen aus Messungen von Erdbebenwellen ganz konkret, dass der äußere Kern flüssig sein muss. Wäre er das nicht, dann würden sich die seismischen Schwingungen die bei Erdbeben ausgelöst werden ganz anders ausbreiten als sie es tun.
Noch viel wichtiger: Gäbe es den flüssigen Erdkern nicht, dann hätten wir auch kein Magnetfeld. Es sind die Ströme aus flüssigen Eisen und Nickel die elektrische und magnetische Felder hervor rufen und so am Ende das globale Magnetfeld erzeugen. Damit der äußere Kern aber flüssig sein kann darf es im Inneren der Erde nicht zu kalt sein. Nach den Modellrechnungen die wir über die Entstehung und Abkühlung der Erde haben, sollte es aber im Inneren des Planeten zu kalt für einen flüssigen Kern sein.
Es ist offensichtlich das neben der ursprünglichen Wärme aus der Entstehungszeit der Erde noch eine andere Wärmequelle vorhanden sein muss. Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, das es sich dabei um Radioaktivität handeln muss.
Was genau die Radioaktivität ist und welche Rolle sie in der Astronomie spielt habe ich ja schon in den Folgen 126 und 127 der Sternengeschichten erzählt. Wichtig ist nun vor allem die Tatsache, dass radioaktive Elemente zerfallen, also sich in andere chemische Elemente umwandeln und das sie Energie abgeben wenn sie das tun. Diese Zerfallswärme könnte die Wärmequelle im Inneren der Erde sein die wir suchen. Es muss im Erdkern ausreichend große Mengen radioaktiver Elemente geben um den äußeren Kern flüssig und das Magnetfeld aufrecht erhalten zu können.
Aber ist das tatsächlich auch der Fall? Wir können ja nicht in den Kern hinein schauen… Es gibt allerdings gute Indizien auf die Existenz radioaktiver Stoffe im Erdinneren. Zum Beispiel Uran. Uran ist – so wie die anderen chemischen Elemente – natürlich im Prinzip überall im Universum zu finden. Ein Teil der Atome aus dem die ursprüngliche riesige Wolke aus Gas und Staub bestand aus der sich vor 4,5 Milliarden Jahren die Sonne und die Planeten gebildet haben, waren Uran-Atome. Deswegen ist es nicht überraschend wenn auch im Material der Erde Uran zu finden ist. Und wir finden es ja auch; Uranbergbau findet überall auf der Erde statt – bis 1990 auch im ostdeutschen Erzgebirge. Heute sind Kasachstan, Kanada und Australien die größten Uranbergbaunationen.
Aber es geht uns ja um das Uran im Erdkern. Unter normalen Umständen sollte sich dort nicht so viel ansammeln als das damit die fehlende Wärme der Erde erklärt werden könnte. Aber vielleicht ist die Entstehung der Erde nicht so abgelaufen wie wir das bisher dachten! Unser Bild von der Entstehung der Planeten hat sich in den letzten Jahrzehnten ja schon öfter geändert. Im 20. Jahrhundert dachte man, das die Planeten durch viele Kollisionen aus kleinen Objekten kontinuierlich zu großen Himmelskörpern angewachsen sind und das jeder Planet im wesentlichen dort entstanden ist wo er sich heute befindet.
Aber wie ich in Folge 68 der Sternengeschichten erklärt habe, haben wir gegen Ende des 20. Jahrhunderts herausgefunden das Planeten “wandern” können. Wir wissen heute das vor allem die großen Planeten nicht dort entstanden sind wo sie sich heute befinden. Die gravitative Wechselwirkung mit dem in der Frühzeit des Sonnensystems noch vorhandenen Staubes und Gases zwischen den Planeten hat ihre Umlaufbahnen verändert. Und vielleicht ist auch die Erde nicht so kontinuierlich entstanden wie wir das bisher angenommen haben. Das Material aus dem sich die Planeten gebildet haben war ursprünglich nicht völlig gleichmäßig verteilt. Die Zusammensetzung unterschied sich je nach Abstand zur Sonne: Näher an der Sonne war es wärmer als weiter weg und es gab weniger leicht flüchtige Stoffe wie zum Beispiel Wasser. Wo weniger Wasser war, war auch weniger Sauerstoff. Aber gerade Sauerstoff ist ein sehr interessantes Atom, da es sehr gerne mit anderen Atomen reagiert. Viel Sauerstoff bei der Entstehung der Erde könnte aber dafür sorgen das bestimmte chemische Reaktionen ablaufen die es dem Uran leichter machen sich mit Eisen zu verbinden und mit ihm den metallischen Kern des Planeten zu bilden.
Die Erde entstand aber zu nahe an der Sonne; dort gab es nicht genug Sauerstoff für diesen Prozess. Aber, das zeigen zumindest Computersimulationen, vielleicht ist die Entstehung des Planeten in zwei Phasen abgelaufen. Die Erde wuchs anfangs ganz normal aus kleinen Brocken immer weiter. Währenddessen wuchsen im äußeren Sonnensystem ebenfalls kleinere Brocken durch Kollisionen zu größeren Objekten. Diese Himmelskörper waren chemisch aber anders zusammengesetzt als die Protoerde in der Nähe der Sonne. Als die Gasriesen Jupiter und Saturn wegen der Wechselwirkung mit dem Gas und Staub anfingen durchs Sonnensystem zu wandern, führten die gravitativen Störungen die dadurch ausgelöst wurden dazu, dass größere Objekte aus dem äußeren Sonnensystem ins Innere geschleudert wurden und dort mit der Erde kollidierten. Am Ende entstand so ein Planet mit einem Eisenkern der ausreichend Uran enthält um die heutige Temperatur zu erklären.
Vielleicht ist aber auch ein ganz anderer Prozess abgelaufen. Andere Forscher sind der Meinung es ist vor allem radioaktives Kalium das im Erdkern die Hitzequelle bildet. Diese Hypothese existiert seit den 1970er Jahren, aber erst seit 2003 hat man dank chemischer Experimente konkrete Hinweise das das so auch funktionieren könnte. Denn es ist nicht unbedingt einfach das nachzustellen was im Erdinneren passiert. Dort herrschen Temperaturen und Drücke die wir im Alltag auf der Erdoberfläche nicht kennen. Aber Wissenschaftler hatten es geschafft im Labor die Bedingungen im Inneren der Erde nachzustellen und konnten zeigen das sich radioaktives Kalium dann tatsächlich bevorzugt vom silikathaltigen Material der Erdkruste und des Erdmantels in das metallische Material des Erdkerns bewegt. Auch hier gilt: Ob das wirklich passiert, wissen wir nicht. Noch nicht…
Was auch immer passiert ist: Wir können froh darüber sein. Ohne das Magnetfeld unseres Planeten wäre das Leben hier lange nicht so angenehm wie es heute ist. Vielleicht hätte sich das Leben so wie wir es kennen auch überhaupt nicht entwickelt. Denn das Magnetfeld schützt uns vor der aggressiven kosmischen Strahlung, vor den Protuberanzen der Sonne und es schützt auch die Atmosphäre vor dem Sonnenwind – der unsere Lufthülle ansonsten vielleicht schon längst davon geblasen hätte.
Der Radioaktivität im Inneren der Erde ist es also zu verdanken, das unser Planet so lebensfreundlich ist wie wir ihn erleben können. Wo auch immer sie her kommt…
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