In circa 6 Milliarden Jahren wird sich die Sonne zu einem roten Riesen aufblähen und (vermutlich) die Erde zerstören. Schon in knapp einer Milliarde Jahren wird die Sonne allerdings so heiß geworden sein, dass Leben auf unserem Planeten unmöglich ist. Das ist zwar schade, aber auch kein Grund sich akut Sorgen zu machen. Aber man kann ja trotzdem mal darüber nachdenken, ob man daran etwas ändern kann. Eigentlich muss man die Erde ja nur ein wenig von der Sonne wegschieben; dorthin wo es kühler ist. Aber “nur” ist hier vermutlich das falsche Wort. Ein Planet verschiebt sich nicht so leicht.
Aber möglich wäre es! Man muss dazu gar keine großartig neue Science-Fiction-Technik erfinden. Wir können eigentlich schon alles, was dazu nötig ist. Wir müssen nur (da ist das “nur” schon wieder…) die Bahnen von Asteroiden verändern und sie immer wieder knapp an der Erde vorbei fliegen lassen. Die gravitative Wechselwirkung gibt der Erde dann einen kleinen Schubs und wenn man alles richtig macht, kann man die Erde verschieben. Die Details dieser Methode habe ich in meinem Buch “Asteroid Now: Warum die Zukunft der Menschheit in den Sternen liegt” beschrieben. Wissenschaftlich und auch technisch ist das Problem der Erdbewegung im Wesentlich gelöst. Es würde halt nur sehr, sehr lange dauern…
Kürzlich bin ich auf einen interessanten Fachartikel gestoßen (“The ‘Earth Rocket’: a Method for Keeping the Earth in the Habitable Zone”). Mark Wessels, Physiklehrer am Collin County Community College in den USA, hat sich darin Gedanken über eine andere Methode der Erdverschiebung gemacht. Wir wissen ja schon seit 1903, wie man Dinge im Weltraum bewegen kann: Mit einer Rakete.
Ganz simpel gesagt: Wenn man Masse schnell genug in die eine Richtung schmeißt, bewegt man sich ebenso schnell in die andere Richtung. So funktioniert eine Rakete und so könnte man auch die Erde bewegen. Man müsste nur sehr viel Zeug sehr schnell in die richtige Richtung werfen. “Schnell” heißt in diesem Fall: Mindestens mit 11,1 Kilometer pro Sekunde, der Fluchtgeschwindigkeit. Alles was langsamer geworfen wird, fällt wieder auf die Erde zurück. Und was heißt “sehr viel”?
Das hat Wessels in seinem Artikel ausgerechnet. Um die Erde so zu bewegen damit sie dauerhaft in der habitablen Zone der Sonne bleibt; es also auch während der nächsten paar Milliarden Jahre angenehme Temperaturen hat, braucht es einen Massenausstoß von 11.400 Tonnen. Pro Sekunde. Das entspricht vier vollgetankten Saturn-V-Raketen. Pro Sekunde! Und wir müssten diese Masse von 11.400 Tonnen (pro Sekunde!) konstant über mehrere Milliarden Jahre in den Weltraum schleudern.
Nun. Das klingt kompliziert. Das ist kompliziert. Ich würde ja soweit gehen und es “unmöglich” nennen. Aber Wessels rechnet einfach weiter. Er stellt sich eine Art Railgun vor, also eine Kanone die durch die Wechselwirkung von elektrischen und magnetischen Feldern funktioniert. So etwas gibt es schon (wenn es schießen kann, hat irgendeine Armee auf dieser Welt es mit Sicherheit schon gebaut!), allerdings kann man damit nur kleine Projektile auf Bruchteile der Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Aber wenn wir irgendwann eine Mega-Railgun bauen, die 4 Saturn-V-Raketen pro Sekunde in den Himmel pusten kann: Haben wir überhaupt genug Masse, um die Erde dauerhaft zu bewegen?
Pro Jahr brauchen wir 380 Millionen Tonnen. Wie das Internet uns freundlicherweise informiert, entspricht das der Masse die 82 Prozent der Menschheit auf die Waage bringt. Vermutlich gibt es genug Leute, die jeder von uns gerne ins All schießen würde. Aber was machen wir dann im nächsten Jahr? Andererseits sind 380 Millionen Tonnen auch das 1,6fache des gesamten Mülls, den die USA in einem Jahr produziert. Wenn wir uns weiterhin mit dem Recycling zurück halten, sollten wir die nötige jährliche Menge also locker zusammen bringen!
Material ins All zu schießen ist aber nicht nur kein Recycling, es ist das absolute Anti-Recycling! Nix von dem Zeug kriegen wir wieder. Und irgendwann wird uns das Zeug ausgehen. Nach einer Million Jahre haben wir schon 380 Billiarde Tonnen Material ins All geworfen. Nach einer Milliarde sind wir bei schon bei einem Sechszehntel der bisherigen Erdmasse! Nach vier Milliarden Jahren Raketenantrieb ist ein Viertel der Erdmasse verfeuert worden.
Laut Wessels ist das allerdings kein Problem. Auch eine um 25 Prozent leichtere Erde wäre seiner Meinung nach immer noch ausreichend massereich um eine habitable Umgebung (mit 90 Prozent der derzeitigen Schwerkraft) bereit zu stellen. Aber gut, ein Volk das ein paar Milliarden Jahre lang neben einer gigantischen Kanone auf Dauerfeuer lebt, ist wahrscheinlich genügsam…
Ich bin mir nicht sicher, wie ernst Wessels das alles meint. Als ich damals mein Buch über Asteroiden geschrieben habe, dachte ich schon, es ist ein wenig illusorisch zu versuchen, die Erde durch Asteroidenvorbeiflüge zu bewegen. Aber da braucht man immerhin “nur” einen passenden Asteroiden auf den Weg bringen und seine Umlaufbahn alle paar tausend Jahre mal nachjustieren. Der Rest geht von selbst. Eine vier Milliarden Jahre nonstop feuernde Riesenkanone, die ein Viertel der Erdmasse ins All schießt, braucht ein klein wenig mehr Fantasie. Aber andererseits scheint Wessels generell viel Spaß daran zu haben, Dinge ins All zu schießen. In einer anderen Arbeit will er das Schmelzwasser der Arktis in den Weltraum befördern, um den klimawandelbedingten Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Vielleicht kann er unseren Planeten ja nicht leiden, und will ihn deshalb zerlegen und ins All schmeißen. Vielleicht ist ihm am Collin County Community College aber auch nur langweilig…
So oder so – es ist ein interessanter Artikel mit einem interessanten Gedankengang! Ich bleibe aber trotzdem fix im “Team Asteroiden”. Wenn wir in Zukunft große Dinge anstellen, dann mit Asteroiden und nicht mit Riesenkanonen!
Kommentare (41)