Der Besuch in einem Planetarium kann ein großartiges Erlebnis sein. Es kann unter Umständen sogar DAS Erlebnis sein, dass einen jungen Menschen dazu bringt, sich ein Leben lang mit Astronomie beziehungsweise der Wissenschaft zu beschäftigen. Aber auf jeden Fall ist ein Planetarium ein hervorragendes Instrument zur Vermittlung von Wissenschaft. Ein Instrument, das ich selbst bis jetzt noch nie genutzt habe (obwohl ich einmal fast einen Job als wissenschaftlicher Leiter eines Planetariums bekommen hätte, aber das ist eine andere Geschichte). Aber andere tun das, und davon möchte ich heute berichten.
Es geht dabei nicht um “normales” Planetarium, sondern eines, das sich transportieren lässt. Und betrieben wird es von Ruth Grützbauch. Manche erinnern sich vielleicht noch an den Bericht von einem Beobachtungsaufenthalt in Hawaii, den Ruth vor vielen Jahren hier im Blog veröffentlicht hat. Sie ist Astronomin, hat sich aber vor einiger Zeit ganz der Wissenschaftsvermittlung gewidmet. Zuletzt in Jodrell Bank, dem größten Teleskop Großbritanniens; mittlerweile wieder in Österreich. Dort hat sie “Public Space” ins Leben gerufen: Ein Projekt bei dem mit einem mobilen Planetarium auch dort Wissen vermittelt werden kann, wo das ansonsten vielleicht ein wenig schwer ist.
Um was es bei diesem Projekt genau geht, habe ich in einem Interview mit Ruth besprochen:
Wozu braucht man ein Planetarium? Den Himmel gibt es ja auch in echt zu sehen. Oder auf Unmengen von Bildern, die Satelliten und Teleskopen gemacht haben?
Ruth: Erstens gibt es im Planetarium kein schlechtes Wetter, dass den Blick auf den Himmel verderben könnte und zweitens auch keine Lichtverschmutzung, also keine künstlichen Lichtquellen, die den Himmel aufhellen und so die meisten Himmelsobjekte unsichtbar machen würden. Aber das Planetarium kann noch viel mehr als das. Es ist eigentlich eine Mischung aus einer Art Weltraumsimulator und einer Zeitmaschine. Es zeigt uns den Himmel genau so wie er hier und jetzt aussehen würde, aber ich kann mich beliebig in der Zeit vor und zurück bewegen. Genauso kann ich meinen Standort auf der Erde verändern, mir den Blick vom Nordpol oder aus Australien ansehen. Ich kann mich auf einen Saturnmond setzen und den Ausblick auf die Ringe aus der ersten Reihe genießen. Ich kann an Planeten und Monde heranzoomen oder mir entstehende und explodierende Sterne aus der Nähe anschauen. Das kann ich zwar mit den fantastischen Bildern von Teleskopen auch so im Internet machen, aber die Visualisierung des gleichen Bildes im Inneren einer Kuppel fühlt sich an, als würde man tatsächlich an Bord des Raumschiff Enterprise durch den Weltraum fliegen.
Wieso hast du dir gerade ein Planetarium ausgesucht, um Wissen zu vermitteln?
Ruth: Ich bin ausgebildete Astronomin, da bietet sich das Planetarium natürlich an. Ich glaube auch dass Astronomie die Einstiegsdroge der Wissenschaften ist, da es um Fragen geht die fast jeden interessieren. Durch die visuelle Natur der Astronomie ist sie auch einfach zu vermitteln. Es ist fast unmöglich sich der Faszination des Universums zu entziehen, vorallem nicht wenn sie in einem immersiven Raum wie dem Planetarium vermittelt wird.
Besteht da nicht auch die Gefahr der Enttäuschung? Wer keine Ahnung vom Universum hat und den Weltraum nur aus den Science-Fiction-Filmen mit all den grandiosen Special-Effects kennt, ist vielleicht dann etwas unterwältig, wenn man den Planetariumshimmel sieht?
Ruth: Ich hab das 2 Jahre mit englischen Kindern gemacht und die waren immer begeistert. Natürlich kann man nie alle ausnahmslos erreichen aber darum gehts auch gar nicht. Ich glaub auch dass Leute in einem Film doch wissen dass es ein Film ist, während das Planetarium quasi eine art Echtheitsanspruch hat. Man muss es gesehen haben um zu verstehen wie toll es ist 🙂
Was unterscheidet dein Planetarium von den ganzen Planetarien die es eh schon gibt?
Ruth: Es ist mobil. Es ermöglicht Vermittlern daher zu ihrer Zielgruppe zu kommen anstatt darauf zu hoffen, dass die Leute zu ihnen kommen. Ich möchte mit meinem Projekt genau diesen Vorteil ausnutzen und das Planetarium an Orte und zu Veranstaltungen bringen, die nicht unbedingt mit Bildung und Wissenschaft zu tun haben: auf öffentliche Plätze, Straßenfeste, Fußgängerzonen, Einkaufszentren. Ich möchte Menschen erreichen die sich vielleicht noch nie Gedanken darüber gemacht haben was es da draußen alles gibt. Ich möchte Leute ansprechen, die sich nicht von Wissenschaft angesprochen fühlen, die eine Art Schwellenangst vor den Elfenbeintürmen der Wissenschaft verspüren oder die es sich einfach nicht leisten können mit der ganzen Familie in ein Museum zu gehen. Da ist das mobile Planetarium ideal. Und da die Leute diese Art der Erfahrung garnicht erwarten wenn sie quasi zufällig auf das aufblasbare Zelt stoßen, ist die Wirkung noch umso größer.
Wie funktioniert ein aufblasbares Planetarium? Wie groß ist das dann und wer muss es aufblasen?
Ruth: Es besteht aus einem halbkugelförmigen Zelt aus Stoff, dass mit einem Gebläse “aufgeblasen” wird, also eigentlich wird es nur durch die hineingeblasene Luft hochgedrückt und so aufrecht gehalten. Das Zelt hat einen Eingang mit Reißverschluss durch den Leute hinein und hinausgehen können. Das Zelt hat 5 Meter Durchmesser, ist 3,2 Meter hoch und bietet Platz für 30 Kinder und circa 20 Erwachsene (je nachdem wie lieb sie sich haben). Transportiert wird das ganze mit einem Lastenfahrrad und in Zukunft soll auch das Gebläse mit dem Fahrrad betrieben werden.
Warum sollten Menschen, die bis jetzt noch keinen/kaum Kontakt zur Wissenschaft haben, auf einmal ein Planetarium besuchen wollen?
Ruth: Eben weil das mobile Planetarium zu ihnen kommt, in die Räume wo Menschen sich sowieso aufhalten und deswegen vielleicht sogar gelangweilt und offen für etwas neues sind. Das aufblasbare Planetarium ist auch viel niederschwelliger und zugänglicher. Es wird Leuten quasi untergejubelt, die gar nicht damit gerechnet hätten.
Hast du noch weitere Pläne für dieses Projekt, oder willst du nur möglichst vielen Leuten den Sternenhimmel zeigen?
Ruth: Ich möchte gezielt sogenannte bildungsbenachteiligte Gegenden fördern, in “Problemschulen” oder in Gegenden mit hohem Migrationsanteil. Dazu möchte ich die Einnahmen aus anderen Veranstaltungen (Geburtstagsparties, Firmenfeiern, Privatschulen, etc) verwenden um dann günstigere oder sogar kostenlose Veranstaltungen dort anbieten zu können. Ich möchte dazu beitragen dass Wissenschaft mehr ins Alltagsleben der Menschen eindringt oder als solches wahrgenommen wird. Fake News und Alternative Facts brauchen eine gebildete oder zumindest nicht wissenschaftsfeindliche Gesellschaft um erkannt und bekämpft zu werden.
Wie kann man mit einem Planetarium “Fake News” bekämpfen?
Ruth: Je mehr Leute wissen desto weniger fallen sie auf Humbug herein. Es geht um die Vermittlung einer Geisteshaltung: Wie ist das? Ist das wirklich so wie’s aussieht oder doch anders? Es geht darum Leute zum Nachdenken zu bringen und Wissensdurst zu fördern, nach dem Motto: das schau ich nach bevor ich es einfach glaube.
Noch dazu geht es bei den Falschmeldungen die im Umlauf sind oft um kleingeistige Inhalte und Anschuldigungen. Ich bin fest davon überzeugt dass die Auseinandersetzung mit dem Universum und unserem Platz darin solchen Geisteshaltungen entgegenwirkt
Es geht mir nicht nur um den – zugegebenermaßen großartigen – Sternenhimmel. Es geht bei dem Projekt mehr darum Neugierde zu wecken, Horizonte zu erweitern, eine neue Perspektive zu schaffen und einen Wow-Effekt ins oft zu graue alltägliche Leben zu bringen.
———————————
Einen “Wow-Effekt” kann man im Leben tatsächlich oft genug brauchen. Und die Astronomie ist definitiv geeignet, solche Wow-Effekte zu liefern. Ich bin schon gespannt, wie sich Public Space entwickelt. Und wenn ich demnächst mal die Gelegenheit habe, das mobile Planetarium auch selbst zu besuchen, dann werde ich hier im Blog auf jeden Fall davon berichten.
Bis dahin könnt ihr übrigens das Projekt sehr gerne unterstützen. Die Wirtschaftsagentur Wien veranstaltet gerade einen Ideenwettbewerb um das Stadtleben für Kinder interessanter zu machen. Und was könnte interessanter sein als das Universum, das überall zu Besuch kommen kann! Wer das ebenso sieht, kann das Projekt von Ruth hier bei einem Public Voting unterstützen.
Kommentare (14)