Es ist gerade einmal 23 Jahre her, als der erste Planet entdeckt wurde, der einen anderen Stern umkreist. Seitdem ist enorm viel passiert und unser Wissen über die extrasolaren Planeten hat sich gewaltig vergrößert. Und jetzt sind wir anscheinend schon so weit, um darüber nachdenken zu können, die Gebirge auf Exoplaneten zu beobachten!
Das tun zumindest Moiya McTier und David M. Kipping. In ihrer kürzlich veröffentlichten Arbeit (“Finding Mountains with Molehills: The Detectability of Exotopography”) versuchen sie herauszufinden, wie man die Topografie von Exoplaneten überhaupt untersuchen kann und was dafür nötig wäre. Denn es klingt ja schon ein wenig absurd. Von den tausenden Exoplaneten die wir in den letzten Jahrzehnten entdeckt haben, haben wir so gut wie keinen direkt gesehen. Wir haben sie alle nur indirekt gefunden; durch Schwankungen in der Position oder der Helligkeit der Sterne die sie umkreisen. Wie um Himmels Willen soll man herausfinden, was für Berge auf einem Planeten rumstehen, wenn wir den Planeten nicht einmal sehen können?
Aber da vergisst man die Kreativität der Astronominnen und Astronomen! Wenn wir etwas wirklich gut können, dann ist das sehen. Vor allem, wenn es darum geht etwas zu sehen, was man eigentlich gar nicht sehen können sollte. Die Planeten der anderen Sterne haben wir ja auch gefunden, ohne sie zu sehen. Wir haben das Licht der Sterne beobachtet und nach periodischen Helligkeitsschwankungen gesucht. Immer wenn ein Planet von uns aus gesehen kurz vor dem Stern vorüber zieht, wird ein kleiner Teil dessen Lichts blockiert und er wird dunkler. Die Schwankungen sind wirklich winzig und betragen meist nur Bruchteile eines Prozents. Aber wir können sie trotzdem beobachten und aus ihnen die Existenz und einige Eigenschaften des Planeten ableiten.
Und mit der Topografie, so McTier und Kipping, ist es genau so. Stellen wir uns die Erde einmal vor. Da gibt es jede Menge größere und kleinere Gebirge, es gibt tiefe Gräben (die meistens allerdings von Ozeanen bedeckt sind), und so weiter. Die Erde ist nicht rund (und nein, sie ist auch nicht flach), sondern – zumindest was das Thema dieses Artikels angeht – unregelmäßig geformt. Außerdem dreht sie sich um ihre Achse. Wenn sie an der Sonnenscheibe vorüber zieht, dann zeigt sie also immer ein anderes Profil. Und blockiert deswegen mal mehr, mal weniger Sonnenlicht. Natürlich sind die Schwankungen winzig. Selbst ein so großes Gebirge wie der Himalaya ragt nur minimal über die Erdoberfläche hinaus. Bei einem Radius von 6371 Kilometern spielen die 8 Kilometer Höhe von Mount Everest & Co keine große Rolle. Aber wenn der Himalaya gerade “auf der Seite” der Erde steht, während sie vor der Sonne vorüber zieht, blockiert die Erde eben doch ein klein wenig mehr Licht als sonst. Und hat man Instrumente, die gut genug sind, dann kann man das registrieren.
Aber haben wir diese Instrumente denn auch? Nein. Das ist das Ergebnis, zu dem McTier und Kipping bei ihrer Arbeit kommen. Zumindest dann nicht, wenn wir erdähnliche Gebirge auf erdähnlichen Planeten finden wollen, die sonnenähnliche Sterne in deren lebensfreundlicher Zone umkreisen. Auch bei den sehr häufigen roten Zwergsternen, bei denen wir immer wieder coole Planeten finden, ist es aussichtslos. Selbst die riesigen Teleskope die derzeit gebaut werden würden das nicht schaffen. Nicht einmal geplante Projekte die noch viel weiter in der Zukunft liegen, wie das 74 Meter große Colossus-Teleskop oder schon längst wieder ausgemusterte Pläne wie das für das 100 Meter große Overwhelmingly Large Telescope kriegen das nicht hin.
In anderen Fällen könnte es mit den Riesenteleskopen der Zukunft aber klappen. McTier und Kipping betrachten den Fall eines marsgroßen Planeten mit einem dem Himalaya ähnlichen Gebirge der einen weißen Zwergstern in engem Abstand umkreist (nicht so eng allerdings, als dass die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet die Rotation des Planeten mit der des Sterns synchronisieren, denn dann sieht man immer nur das gleiche Profil des Planeten wenn er am Stern vorüber zieht). Hier wären die Bedingungen gerade so, dass man aus den minimalen Veränderungen in der Lichtkurve auf die Existenz der Gebirge schließen könnte.
Aber warum stellt man sich so eine Frage überhaupt? Warum wollen wir wissen, ob irgendwo auf einem Exoplaneten ein Exo-Himalaya zu finden ist? Weil die Topografie interessante Konsequenzen hat. Das Himalaya-Gebirge etwa ist ein Resultat der Plattentektonik. Der 25 Kilometer hohe Olympus-Mons-Vulkan auf dem Mars ist ein Resultat von massivem Vulkanismus. Anders gesagt: Die Topografie erlaubt uns Rückschlüsse auf die tektonischen Vorgänge im Inneren eines Planeten. Und die sind nicht nur an sich schon enorm interessant und enorm wichtige Informationsquellen, wenn wir Planeten verstehen wollen. Die Tektonik hat auch massive Auswirkungen auf die potentielle Lebensfreundlichkeit eines Planeten. Ohne einen ständigen Austausch von Material zwischen Atmosphäre und Planeteninneren ist ein Planet längst nicht so lebensfreundlich.
Aber eigentlich lautet die Antwort auf die Frage so wie die Antwort, die Bergsteiger George Mallory auf die Frage gegeben hat, warum er den Mount Everest besteigen will: “Weil er da ist!” Wenn die Exoplaneten einen Topografie bzw. eine Geografie (oder muss das “Exografie” heißen?) haben, dann wollen wir darüber Bescheid wissen! Weil sie da ist!
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