Wenn man die Sonne betrachtet (was man aber natürlich nie mit freiem Auge machen sollte!), dann sieht sie aus wie eine weiße Scheibe. Schaut man ein wenig genauer hin, sieht man vielleicht ein paar dunkle Sonnenflecken. Wenn man aber ganz genau hin sieht, dann erkennt man, was die Sonne wirklich ist: Eine gigantische Sphäre aus einem mehrere tausend Grad heißem Plasma, das vor sich hin brodelt wie ein Topf voller Spaghettisauce auf dem Herd. Das “Brodeln” wird in der Wissenschaft als “Konvektion” bezeichnet und das Phänomen auf der Sonne als Granulation bezeichnet. Heißes und hell leuchtendes Material aus dem Inneren der Sonne steigt nach oben, kühlt dort ab und sinkt wieder nach unten. Die Granulations”körner” (oder genauer: die “Konvektionszellen”) auf der Sonnenoberfläche sind etwa 1000 Kilometer groß und die Sonne ist der einzige Stern, bei dem wir dieses Phänomen direkt beobachten können.
Bis jetzt. Claudia Paladini von der Universität Brüssel und ihren Kollegen ist es mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte kürzlich gelungen, die Granulation auch auf einem anderen Stern zu beobachten (“Convective pattern on 1 the surface of the giant star π1 Gruis” (pdf)). Das Problem an der Sache ist, wie so oft in der Astronomie, die enorme Entfernung zu den Sternen. Die Dinger sind einfach viel zu weit entfernt, um irgendwelche Details sehen zu können.
Aber wenn man sich anstrengt (was Astronomen tun), kreativ ist (was Astronomen sind) und ein wenig Glück hat, dann klappt es. In diesem Fall haben Paladini und ihre Kollegen einen roten Riesen beobachtet. Der Stern heißt π1 Gruis, ist Teil eines 530 Lichtjahre entfernten Doppelsternsystems im Sternbild Kranich und 350 mal so groß wie unsere Sonne. Das ist praktisch, denn je größer, desto besser kann man den Stern beobachten. Dass er auch noch knapp 1000 Mal heller ist als unsere Sonne, hilft natürlich auch. Für die Beobachtung haben Paladini und ihre Kollegen das PIONIER-Instrument des VLT benutzt, ein Infrarot-Interferometer. Mit dieser speziellen Technik (wie Interferometrie funktioniert habe ich hier anhand der geplanten Bilder eines schwarzen Lochs erklärt) konnte man den Stern viel genauer beobachten als bisher und tatsächlich Strukturen auf seiner Oberfläche sehen:
Ok, auf den ersten Blick sieht das alles sehr verschwommen aus. Beim zweiten Blick sollte man dann aber bemerken, wie beeindruckend es ist, dass man da überhaupt etwas erkennen kann. Die hellen und dunkleren Flecken sind Konvektionszellen. Aber was für welche! Die Dinger sind bis zu 120 Millionen Kilometer groß. Zum Vergleich: Das entspricht fast der Distanz zwischen Erde und Sonne (150 Millionen Kilometer). Und es gibt davon viel weniger als auf der Sonne (die von etwa 2 Millionen Konvektionszellen bedeckt ist).
Woher kommen die Unterschiede? Eine blöde Frage eigentlich, denn die Sonne und π1 Gruis sind komplett unterschiedliche Sterne. Warum sollten die sich gleich verhalten. Der rote Riese im Sternbild Kranich hat das Ende seines Lebens schon bald erreicht. Vor ein paar Millionen Jahren war der Wasserstoff in seinem Zentrum verbraucht, und es konnte dort nicht mehr zu Helium fusioniert werden. Es entstand keine neue Energie mehr in seinem Inneren und es drang keine Strahlung mehr nach außen. Ohne den Druck dieser Strahlung ist der Stern unter seiner eigenen Masse in sich zusammengefallen, was zu einer höheren Dichte in seinem Zentrum und dadurch auch zu höheren Temperaturen geführt hat. Anstatt um die 15 Millionen Grad war es jetzt um die 100 Millionen Grad heiß und das hat gereicht, um nun das Helium per Kernfusion zu neuen Elementen zu verschmelzen. Die Energieproduktion lief wieder an, der Stern strahlte wieder und mehr als vorher. Der höhere Strahlungsdruck hat den Stern jetzt regelrecht aufgebläht und am Ende kam das raus, was π1 Gruis ist: Ein gewaltiger roter Riesenstern.
Der Stern hat heute noch eine Masse die etwa dem 1,5fachen der Sonnenmasse entspricht. Er hat aber natürlich eine viel, viel größere Oberfläche. Das bedeutet, dass auch die Gravitationskraft auf seiner Oberfläche geringer ist als die auf der Sonne. Und genau das ist ein Grund für die viel größeren Konvektionszellen. Die Beobachtungen am Riesenstern bestätigen das, was man aus theoretischen Modellen zur Sternentwicklungen ableiten kann und wenn Beobachtungen die Theorie bestätigen, dann ist das in der Wissenschaft immer sehr erfreulich!
Erfreulich ist es auch, dass man diese Beobachtungen überhaupt machen konnte. Einerseits aufgrund der technischen Herausforderung, andererseits aber auch, weil die Rote-Riesenphase eines Sterns nicht lange dauert. Nur ein paar zehn- bis hunderttausend Jahre lang, denn der Strahlungsdruck sorgt nicht nur dafür das sich der Stern ausdehnt, sondern auch dafür, dass er nach und nach die äußeren Schichten seiner Atmosphäre abstößt. π1 Gruis ist schon gut dabei, vor ein paar zehntausend Jahren hat er schon ein Stück seiner Hülle abgeworfen, was man auch beobachtet hat (also nicht den Prozess selbst, aber man hat Spuren dieser Hülle gefunden und zurück gerechnet, wann es passiert sein muss). Und in ein paar weiteren zehntausend Jahren ist die ganze Hülle weg und nur noch ein kleiner weißer Zwerg übrig.
Bis dahin haben aber die Astronomen noch genug Zeit, die Konvektionszellen bei π1 Gruis und anderen roten Riesen zu studieren. Wie es geht, weiß man ja jetzt.
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