Es ist ein wenig ruhiger geworden um “Planet X”. Und damit meine ich den potentiell existierenden und für die Erde absolut ungefährlichen Himmelskörper im äußeren Sonnensystem und nicht den Quatsch, der immer wieder von Spinnern zwecks Weltuntergangsprognosen verbreitet wird. Dass es im äußeren bzw. äußersten Sonnensystem noch nicht entdeckte größere Himmelskörper gibt, ist eine Hypothese die in der Astronomie schon seit vielen Jahrzehnten existiert. Immer wieder fand man indirekte Hinweise auf die Existenz solcher Planeten und die besten bisher stammen aus einer Analyse der Umlaufbahnen ferner Kometen, die im Jahr 2016 veröffentlicht worden ist. Ich habe die ganze Geschichte des “Planet X” schon früher in einer ausführlichen Serie zusammengefasst. Kurz gesagt: Ferne Kometen und Asteroiden bewegen sich so, als wären ihre Bahnen von einem größeren Objekt beeinflusst worden. Die Auswertung der Daten deutet auf einen Planeten mit der mehrfachen Erdmasse hin, der sich einige hundert Mal weiter von der Sonne entfernt befindet, als die Erde.
Dass es so einen Himmelskörper geben könnte, ist plausibel. In der chaotischen Entstehungszeit unseres Sonnensystems sind einige Himmelskörper weit hinaus geschleudert worden und es ist absolut möglich, dass so auch ein “Planet X” seinen Weg in die Tiefen des Alls gefunden hat. Nur: Wie soll man so ein Ding direkt beobachten und seine Existenz einwandfrei nachweisen? Ein Planet, der sich so weit von der Sonne entfernt befindet, reflektiert nur sehr wenig Licht und leuchtet extrem schwach. So weit von der Sonne entfernt braucht er auch enorm lange für einen Umlauf; er bewegt sich also sehr, sehr langsam. Wenn man nicht genau hinsieht, dann schaut so ein “Planet X” wie ein schwach leuchtender Stern aus und von denen gibt es an unserem Himmel nicht gerade wenig! Was kann man also tun? Genauer hinschauen!
Man braucht ein Teleskop, das nicht nur in der Lage ist, sehr schwach leuchtende Objekte am Himmel zu beobachten. Es muss den Himmel auch immer und immer wieder beobachten, die Aufnahmen vergleichen und nachsehen, ob sich einer der schwach leuchtenden Punkte ein klein wenig bewegt hat. Nur dann kann man herausfinden, ob es sich um einen fernen Stern oder einen vergleichsweise nahen Planeten handelt. So ein Teleskop gibt es nicht. Noch nicht! Und wir müssen zum Glück gar nicht mehr lange warten, bis es ein passendes Instrument geben wird.
Auf dem 2682 Meter hohen El-Peñón-Gipfel des Cerro Pachón im nördlichen Chile ist ein Zusammenschluss amerikanischer Forschungseinrichtungen gerade dabei, das Large Synoptic Survey Telescope (LSST) zu bauen. Im Jahr 2019 soll damit das erste Mal beobachtet werden; 2022 soll es komplett fertigstellt sein. Über dieses Teleskop und seine Aufgaben habe ich hier schon ausführlich berichtet. Der Spiegel des LSST ist mit 8,4 Meter vergleichsweise klein (zumindest im Vergleich mit der kommenden Generation der Riesenteleskope und ihren über 30 Meter großen Spiegeln). Aber das LSST hat ein enorm großes Bildfeld! Im Gegensatz zu anderen Teleskopen kann es nicht nur einen winzigen Ausschnitt des Himmels betrachten. Es bräuchte nur ein paar Nächte, um den gesamten Himmel zu betrachten. Und genau das macht es auch. Bzw. nicht den gesamten Himmel, denn die Erde ist ja eine Kugel und von einem einzigen Standort kann man immer nur (ein wenig mehr als) den halben Himmel sehen. Aber Hauptaufgabe des LSST wird es sein, den Himmel immer und immer wieder zu fotografieren und nachzusehen, ob sich zwischen den Aufnahmen etwas geändert hat. So hofft man, einige Millionen neuer Asteroiden und Kometen zu entdecken; jede Menge Supernovaexplosionen in fernen Galaxien und alle möglichen anderen coolen Sachen.
Und vielleicht auch “Planet X”. David Trilling von der Northern Arizona University und seine Kollegen haben sich mal angesehen, wie die Chancen stehen, dass das LSST den hypothetischen Planeten entdeckt (“On the detectability of Planet X with LSST”). Sie sind dabei von den Standard-Beobachtungszyklen und Daten-Auswertungsmethoden des Teleskops ausgegangen. Um eine Chance zu haben, den Planet X zu entdecken, muss das LSST eine bestimmte Region des Himmels mindestens fünf Mal innerhalb von 45 Tagen beobachten. Zwei dieser Beobachtungen müssen mit mindestens zwei Tagen Abstand voneinander gemacht werden. Diese Kriterien treffen auch 61 Prozent des Himmels zu, wie diese Grafik zeigt:
In gelb sieht man die Regionen des Himmels, in denen LSST den Planeten entdecken könnte, wenn es ihn gibt. Die violetten Regionen werden vom LSST zwar beobachtet; dort erfüllt man aber während der 10jährigen Beobachtungsphase die Kriterien nicht. Und die grauen Bereiche werden gar nicht beobachtet. 61 Prozent sind gut – andererseits bleiben da immer noch 39 Prozent des Himmels übrig, in denen sich Planet X verstecken könnte. Und vielleicht ist er doch ein wenig weiter weg oder kleiner als man anhand der bisherigen Daten vermutet. Dann würden die Chancen des LSST auf eine Entdeckung stark sinken. Alles was wir über Planet X wissen, wissen wir ja nur aus der Analyse der Umlaufbahnen einer Handvoll Asteroiden. Das ist nicht gerade viel Information… Aber auch hier wird uns das LSST helfen können. Denn was dieses Teleskop mit Sicherheit finden wird, sind hunderttausende bisher unbekannte Asteroiden und Kometen! Wenn da tatsächlich irgendwo ein “Planet X” die Sonne umkreist und mit seiner Gravitationskraft die Bahnen ferner Asteroiden beeinflusst, dann wird uns das LSST wesentlich bessere Hinweise darauf liefern können, als wir bisher haben.
Planet X wird sich nicht ewig verstecken können. Früher oder später kriegen wir das Ding!
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