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Sternengeschichten Folge 285: Die Newtonsche Gesetze
Es gibt ziemlich viel Physik, die man lernen kann. Das macht man normalerweise nicht, weil ja auch nicht unbedingt alle Physikerinnen oder Physiker werden wollen. Und selbst wenn man eine wissenschaftliche Karriere einschlägt, lernt man dann nicht alles was es zu lernen gibt. Aber etwas lernen alle, egal ob Wissenschaftler oder nicht. Die drei Newtonschen Gesetze kommen in jedem Schulunterricht vor und während eines naturwissenschaftlichen Studiums an der Universität werden sie noch einmal wiederholt. Völlig zu recht, denn diese drei Regeln bilden quasi die Grundlage der modernen Physik.
Als Isaac Newton sie 1687 in seinem Buch über die “Mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie” veröffentlichte, hat er damit die moderne Physik eigentlich erst begründet. Es lohnt sich also, sich damit zu beschäftigen. Und heute haben wir es auch wesentlich einfacher als es Newton damals hatte. Denn Wörter und Konzepte die für uns heute ganz selbstverständlich sind, waren für Newton und seine Zeitgenossen unklar und verwirrend. Was ist eine “Kraft”? Was ist “Masse”? Dafür gibt es heute klare Definitionen – aber es gibt sie eben nur deswegen, weil Newton sich damals so angestrengt hat, zu erklären worum es dabei geht!
Liest man die Notizbücher von Isaac Newton, dann kann man mitverfolgen, wie er um klare Ausdrücke gekämpft hat. Mal verwendete er darin Begriffe wie “Power” um die Wechselwirkung zwischen Objekten zu beschreiben, mal verwendete er das Wort “Strength” und jede Menge andere Synonyme, die alles irgendwie etwas ähnliches bedeuten. Aber Newton wollte Klarheit und er wollte etwas, das eindeutig das beschreibt, worum es ihm geht. Eine wissenschaftlich-mathematische Fachsprache gab es damals aber noch nicht im gleichen Ausmaß wie heute und die normale Alltagssprache war für Newtons Zwecke zu unklar.
Newton wollte beschreiben, wie Objekte sich bewegen und einander beeinflussen. Und zwar auf eine komplett neue Art, eine mathematisch exakte Art. Das ist ihm auf eine höchst beeindruckende Weise gelungen und am Anfang stehen die drei Newtonschen Gesetze. Es sind drei Grundsätze, drei “Axiome”, die Newton durch intensive Beobachtung der Natur und mathematische Berechnungen gewonnen hatte.
Das erste Gesetz, so wie Newton es formuliert hat, lautet “Jeder Körper beharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern”. Etwas einfacher ausgedrückt: Ein Objekt, das sich nicht bewegt, wird sich auch nicht bewegen, solange man keine Kraft auf es ausübt. Und: Ein Objekt, das sich bewegt, wird sich weiterhin bewegen, solange man keine Kraft auf es ausübt. Oder noch einfacher ausgedrückt: Wenn man nichts macht, bleibt alles so wie es ist!
Das klingt einerseits sehr simpel. Eigentlich zu simpel, zumindest zu simpel um zum Fundament der modernen Physik zu werden. Es ist ja logisch: Wenn da zum Beispiel irgendwo ein Ball rumliegt, dann wird er so lange weiter irgendwo rumliegen, solange ich keine Kraft auf ihn ausübe – zum Beispiel indem ich mit dem Fuß dagegen trete. Aber genaugenommen ist es nicht das, was Newton gemeint hat. Genaugenommen ist das erste Gesetz auch nicht so logisch, wie wir vielleicht denken. Denn es sagt ja auch, dass der Ball, sobald er einmal in Bewegung ist, immer in Bewegung bleibt. Und das tut ein Ball normalerweise nicht. Kein Objekt, das wir aus dem Alltag kennen, bleibt immer in Bewegung. Alles was wir anstupsen, fortwerfen, schieben, oder sonst irgendwie bewegen, kommt irgendwann wieder zur Ruhe.
Aber das liegt nur daran, dass wir hier ein paar Kräfte übersehen. Der Ball, der über den Boden rollt, spürt ja eine Kraft. Er spürt die Reibungskraft mit dem Boden. Er spürt den Widerstand der Luft. Und all diese Kräfte wirken auf ihn und bremsen ihn ab. Würde sich der Ball aber im Vakuum des Weltalls befinden, fernab von allen anderen Objekten die ihn irgendwie beeinflussen können, dann würde er sich immer weiter bewegen, ohne stehen zu bleiben.
Das zweite Newtonsche Gesetz beschäftigt sich nun damit, was passiert, wenn eine Kraft wirkt. Es lautet in der ursprünglichen Fassung: “Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.”
Newton beschreibt damit, wie genau ein Körper seine Bewegung verändert, wenn eine Kraft auf ihn einwirkt. Mit “Änderung der Bewegung” meint Newton das, was wir heute als Veränderung des Impuls bezeichnen würden. Es geht also nicht nur darum, dass ein sich bewegendes Objekt seine Geschwindigkeit verändert, wenn eine Kraft auf ihn einwirkt. Das passiert zwar auch, aber der Impuls ist das Produkt aus Geschwindigkeit und Masse. Die Masse darf man nicht vernachlässigen, wie ich später noch erklären werde. Newton sagt mit seinem zweiten Gesetz also, dass jede Kraft einer Änderung des Impulses entspricht und das die Richtung des Impulses sich in die Richtung verändert, in die auch die Kraft gerichtet ist.
Viele werden sich vielleicht aus der Schulzeit noch gemerkt haben, dass eine Kraft gleich Masse mal Beschleunigung ist. Das ist auch so; meistens zumindest. Und es ist im Prinzip auch genau das, was Newtons zweites Gesetz aussagt. Aber nicht ganz. Dort sagt Newton, das Kraft gleich Impulsänderung ist. Der Impuls ist aber Masse mal Geschwindigkeit. Wenn sich der Impuls ändert, dann kann sich also die Geschwindigkeit ODER die Masse verändert haben (oder beides). Normalerweise ändert sich die Masse von Objekten aber nicht so einfach. Wenn ich gegen einen Fußball trete, dann bleibt dessen Masse gleich. Wir können die Veränderung der Masse also ignorieren und müssen uns nur um die Änderung der Geschwindigkeit kümmern. Die Veränderung der Geschwindigkeit ist aber nichts anderes als die Beschleunigung und deswegen ist die Kraft, die auf den Fußball wirkt, gleich der Masse mal der Beschleunigung. Und er beschleunigt in die Richtung, in die auch die Kraft wirkt.
Sollten wir aber keine Fußbälle betrachten, sondern zum Beispiel Raketen, dann müssen wir auf jeden Fall Newtons ursprüngliche Formel benutzen. Denn wenn eine Rakete ins Weltall fliegt und dabei Unmengen an Treibstoff verbrennt, ändert sich ihre Masse durchaus sehr stark. Wenn wir in diesem Fall die Kräfte verstehen wollen, müssen wir nicht nur die Veränderung der Geschwindigkeit berücksichtigen sondern auch die Veränderung der Masse.
Man kann die Bedeutung des zweiten Newtonschen Gesetzes für die Physik kaum überschätzen. Man braucht es immer dann, wenn sich irgendwo irgendwas bewegt und das ist quasi ständig der Fall. Und selbst wenn sich irgendwann mal nichts bewegt, wirken doch im Allgemeinen irgendwelche Kräfte und auch dann braucht man diese Formel, die auch die “Grundgleichung der Mechanik” genannt wird.
Bleibt noch Newtons drittes Gesetz. “Zu jeder Kraft gibt es eine gleich große Gegenkraft: Aktion = Reaktion”. So lautet zumindst eine oft verwendete Formulierung, die aber ein wenig irreführend ist. So wie das gesamte dritte Gesetz ein wenig verwirrender und schwerer zu verstehen ist wie die ersten beiden. Newton selbst hat es damal so formuliert: “Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung entgegengesetzt gleich, oder die Wirkungen zweier Körper aufeinander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung.” Noch besser ist eine modernere Version: “Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus, so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A”.
“Kräfte treten immer paarweise auf” – das ist es, worum es hier geht! Newton sagt, dass Kräfte immer das Resultat der Wechselwirkung zwischen (mindestens) ZWEI Objekten sind. Er selbst hat das so formuliert: “Wenn man mit dem Finger auf einen Stein drückt, dann wird der Finger selbst immer auch vom Stein gepresst”. Man kann es vielleicht mit Abständen vergleichen. Einen Abstand gibt es immer zwischen zwei Punkten. Der Abstand zwischen A und B ist genau so groß, aber entgegengerichtet dem Abstand zwischen B und A. Einen “Abstand” zwischen einem einzelnen Punkt kann es nicht geben.
Etwas verwirrend ist es auch, dass bei der Beschreibung des dritten Gesetzes oft die Begriffe “Aktion” und “Reaktion” verwendet werden. Das klingt so, als wäre die eine Kraft die Ursache, aus der die zweite Kraft folgt. In Newtons Beispiel wäre das so, als würde der Stern gegen den Finger drücken, weil und nachdem ich mit dem Finger auf den Stein gedrückt habe. Aber das ist nicht so; die zweite Kraft ist keine Reaktion auf die erste Kraft. Man sollte das mit Aktion/Reaktion am besten ganz vermeiden und nur von Kraft 1 und Kraft 2 sprechen. Auch das mit der “gleich großen” Kraft ist oft verwirrend. Stellen wir uns ein Auto vor, das mit hoher Geschwindigkeit auf der Straße lang fährt und eine Fliege, die auf die Windschutzscheibe des Autos prallt. Das Auto trifft die Fliege, die Fliege trifft das Auto. Das Auto übt eine Kraft 1 auf die Fliege aus, die Fliege eine gleich große aber entgegengesetzte Kraft 2 auf das Auto. Trotzdem fährt das Auto ungestört weiter, die Fliege landet dafür zermatscht auf der Windschutzscheibe. Wie kommt das, wenn die Kräfte doch gleich groß sind?
Die Kräfte sind tatsächlich gleich groß. Aber nicht die Beschleunigung, die von dieser Kraft verursacht wird. Denn da kommt wieder Newtons zweites Gesetz ins Spiel. Kraft ist Masse mal Beschleunigung, wenn wir bei der vereinfachten Version bleiben. Oder andersherum: Beschleunigung ist Kraft durch Masse. Je geringer die Masse, desto größer ist die Beschleunigung die ein Objekt erfährt. Und weil die Masse einer Fliege deutlich geringer als die Masse des Autos, wird die Fliege so stark beschleunigt, dass sie komplett zerquetscht wird, während das Auto eine komplett vernachlässigbare Beschleunigung erfährt.
Beim verwirrenden dritten Gesetz ist es am besten, wenn man sich von der alten Newtonschen Formulierung ganz verabschiedet und moderne Begriffe verwendet. Den der Impulserhaltung zum Beispiel. In einem abgeschlossenen System muss der gesamte Impuls immer erhalten bleiben. Jede Kraft ist ja – wie das zweite Gesetz sagt – eine Änderung des Impulses. Die Summe aller wirkenden Kräfte in einem System entspricht also der Summe aller Impulsänderungen und die muss gleich Null sein, weil sich der Gesamtimpuls ja nicht verändern kann. Und deswegen muss es für jede wirkende Kraft eine gleich große entgegenwirkende Kraft geben.
Die moderne Physik der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie hat Newtons klassische Mechanik mittlerweile natürlich stark erweitert und dort gelten die Newtonschen Gesetze nicht mehr in der gleichen exakten Form. Aber trotzdem bleiben sie das Fundament, auf dem sich die moderne Physik entwickelt hat und sind immer noch überall nötig und absolut ausreichend, um einen Großteil der Phänomene zu verstehen und zu beschreiben, die uns im Alltag begegnen. Egal ob bei fallenden Äpfeln, zermatschten Fliegen oder startenden Raketen: Ohne Newtons Gesetze geht gar nichts!
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