Vor mehr als einem Jahr habe ich hier im Blog über das Event Horizon Telescope (EHT) und “das erste Bild eines schwarzen Lochs” geschrieben. Ich habe erklärt, worum es sich bei diesem Teleskop handelt und warum es streng genommen kein echtes “Bild” produzieren wird. Und ich habe ebenfalls erklärt, das es trotzdem ein großartiges wissenschaftliches Projekt ist das großartige Daten liefern wird. Beendet habe ich den Artikel mit: “Es wird Monate dauern, bis das Bild fertig ist. Aber dann werden wir tatsächlich das Zentrum unserer Milchstraße so genau sehen können wie nie zuvor. Und ein schwarzes Loch so gut sehen können, wie man es eben sehen kann. Oder “sehen”.”
Nun, jetzt hat es schon “Monate” gedauert und das Bild ist immer noch nicht fertig. Was treibt das EHT also die ganze Zeit und warum dauert das so lange? Das Problem sind die Daten. Beim EHT handelt es sich nicht um ein einzelnes Teleskop, das man zum Himmel richtet, ein Bild macht und dann fertig ist. Es ist ein weltweiter Zusammenschluss aus Radioteleskopen die alle zur gleichen Zeit auf das Zentrum unserer Milchstraße geblickt haben. All diese Daten kann man dann im Computer kombinieren und daraus ein Bild errechnen (ein “Bild”, das uns Radiowellen zeigt, kein sichtbares Licht), das wesentlich besser ist als ein Einzelteleskop je machen könnte.
Die erste Schwierigkeit besteht also in der Zusammenführung der Daten. Die kann man nicht einfach mal eben schnell per Email verschicken. Die Datenmengen sind so umfangreich, dass es tatsächlich schneller ist, sie auf eine Festplatte zu spielen (bzw. ein paar Kisten voller Festplatten) und die dann physisch von A nach B zu transportieren. Das dauert und noch mehr dauert es, wenn “A” in der Antarktis liegt. Denn eines der beteiligten Teleskope steht am Südpol und als man die Aufnahmen gemacht hat, war dort Winter. Im Südpolwinter kommt niemand aus der Antarktis weg, auch keine Festplatte. Man musste also schon aus diesem Grund bis zum Dezember 2017 warten um auch diese Daten nutzen zu können.
Und dann ist die Kombination der Daten selbst natürlich auch keine triviale Aufgabe. Das geht nicht von heute auf morgen und es ist nicht damit getan, alle Daten in ein Computerprogramm zu stecken, einen Knopf zu drücken und dann auf das Resultat zu warten. Die Datenreduktion ist schon bei normalen Beobachtungen enorm aufwendig. Man muss bei jedem Teleskop die individuellen Eigenheiten berücksichtigen und die verschiedenen Aufnahmen so normalisieren, das sie alle zusammen passen. Man muss die Effekte der Atmosphäre messen und aus den Daten rausrechnen; wieder individuell für jede Aufnahme. Und so weiter – damit man all die möglichen Störquellen identifizieren und berücksichtigen kann, muss man zuerst einmal etwas beobachten, bei dem man weiß, was einen erwartet bevor man sich mit dem eigentlichen Ziel beschäftigen kann. Die Forscher am EHT haben also auch parallel bekannte Radioquellen beobachtet, um den ganzen Prozess der Datenreduktion zu kalibrieren. Das hat man mittlerweile mehr oder weniger zur Zufriedenheit aller Beteiligten erledigt; der Algorithmus läuft so, dass man sicher sein kann, bei der Beobachtung des schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße die Bilder auch vernünftig bearbeiten zu können.
Mit einem Bild alleine ist es auch nicht getan. Die Chance auf eine globale Beobachtung des galaktischen Zentrums hat man nur circa einmal pro Jahr, wenn die Beobachtungsbedingungen auf der Nord- und der Südhalbkugel gleich gut sind. Im April dieses Jahres hat man neue Daten vom neu zum Projekt dazugestoßenen Greenland Telescop bekommen, die man nutzt um die Aufnahmen aus dem Jahr 2017 zu prüfen und zu verbessern.
Kurz gesagt: Es ist verdammt viel Arbeit, ein Bild eines schwarzen Lochs zu machen und die beteiligten Wissenschaftler wollen ihre Arbeit so gut wie möglich machen, bevor sie die Daten veröffentlichen. Im aktuellen Status Update schreibt Shep Doeleman, der Direktor des EHT daher auch:
“It is the most exciting time of the project. We will be sure to share what we find after we have put the data and analysis methods through stringent tests to convince ourselves, and independent astronomy colleagues, of what these horizon-resolving observations tell us.”
Wissenschaft braucht eben Zeit. Die Zeit soll und muss man sich nehmen – besonders dann, wenn man etwas komplett Neues herausfinden und dabei keinen Fehler machen will.
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