Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter][Sternengeschichten-App]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 290: Der Jupitermond Europa
Europa ist ein faszinierender Ort. Und damit ist nicht der Kontinent gemeint (obwohl der auch ziemlich faszinierend ist), sondern der Mond des Jupiter. Beziehungsweise einer der vielen Monde des Jupiters. Der größte Planet des Sonnensystems hat auch mehr Monde als alle anderen Planeten. Fast 70 kennt man derzeit und Europa ist der viertgrößte davon. Entdeckt hat ihn Galileo Galilei im Jahr 1610. Er war der erste, der ein Fernrohr zum Himmel gerichtet hat und der erste, der Himmelskörper entdeckte, die nicht die Sonne umkreisten bzw. die Erde, wie viele damals ja immer noch glaubten. Aber Galilei sah deutlich, wie sich Europa und drei weitere Monde um den Jupiter bewegten. Deswegen werden Europa und die drei anderen großen Monden Ganymed, Kallisto und Io als “Galileische Monde” bezeichnet. Der Name stammt allerdings nicht von Galilei – den hat der deutsche Astronom Simon Marius ausgewählt, der unabhängig von Galilei und nur sehr kurz nach ihm diese Monde ebenfalls entdeckt hatte.
“Europa” war in der griechischen Mythologie eine Geliebte des Gottes Zeus, also der griechischen Entsprechung des Jupiters. Das schien Marius passend für den Namen eines Mondes und Zeus hatte jede Menge Geliebte – es waren also genug Namen für jede Menge Monde vorhanden. Übrigens hat auch der Kontinent Europa auf der Erde seinen Namen aus der gleichen mythologischen Geschichte; da ist die Entstehung aber ein wenig komplizierter und das würde jetzt zu weit führen. Außerdem soll es ja um Astronomie gehen und nicht um antike Mythologie.
Europa ist ein ziemlich großer Himmelskörper, auf jeden Fall für einen Mond. Er hat einen Durchmesser von 3122 Kilometern und ist damit nur wenig kleiner als der Mond der Erde. Die mittlere Dichte von Europa beträgt 3 Gramm pro Kubikzentimeter und das ist interessant. Bei unserer Erde sind es 5,5 Gramm pro Kubikzentimeter und dieser hohe Wert weißt darauf hin, dass unser Planet einen Kern aus Metall haben muss und nicht komplett aus Gestein bestehen kann (was ja auch der Fall ist, wie ich in Folge 143 der Sternengeschichten erzählt habe). Die vergleichsweise geringe Dichte von Europa sagt uns, dass da definitiv kein großer Metallkern im Inneren des Mondes stecken kann. Es kann auch nicht allzu viel Gestein geben; es muss auch sehr viel Material mit einer geringen Dichte beteiligt sein: Eis. Europa muss also aus einer dicken Eisschicht bestehen, und darunter Gestein und höchstens ein klein wenig Metall.
Und wenn man sich Europa so ansieht, dann scheint das auch der Fall zu sein. Die Oberfläche des Mondes ist extrem hell. Es ist sogar eine der hellsten Oberflächen aller Himmelskörper im Sonnensystem: Fast zwei Drittel des einfallenden Sonnenlichts werden reflektiert. Man sieht auf Europa auch so gut wie keine Einschlagskrater. Die sollten aber natürlich vorhanden sein. Europa hat keine nennenswerte Atmosphäre, die einschlagende Asteroiden abhalten könnte. Man müsste dort also genau so viele Krater finden, wie auf unserem Mond, dem Mars, den anderen großen Jupitermonden, und so weiter. Tut man aber nicht. Man kennt überhaupt nur knapp 40 Krater und der größte davon ist gerade Mal 50 Kilometer groß. Das alles ist ein Hinweis darauf, dass die Oberfläche von Europa aus geologischer Sicht noch extrem jung ist.
Man schätzt das Alter auf knapp 90 Millionen Jahre. Natürlich bedeutet das nicht, dass der Mond selbst erst vor so kurzer Zeit entstanden ist. Europa entstand mit den anderen großen Jupitermonden vor 4,5 Milliarden Jahren zu der Zeit, als alle großen Himmelskörper des Sonnensystems entstanden sind. Aber seine Oberfläche hat sich seitdem immer wieder verändert. All die Spuren all der Asteroiden die im Laufe der Jahrmilliarden eingeschlagen sind, sind heute verschwunden. Das passiert ja auch bei uns auf der Erde. Hier sind es Wind und Wetter, die durch Erosion Einschlagskrater verwittern lassen. Und vor allem die Plattentektonik und der Vulkanismus, die dafür sorgen, dass – zumindest aus geologischer Sicht – nichts lange so bleibt wie es ist auf der Oberfläche der Erde.
Wind und Wetter gibt es auf Europa nicht. Aber es gibt Plattentektonik und Vulkanismus. Oder so etwas ähnliches zumindest. Es gibt keine Lava und kein Magma. Aber es gibt Eis. Jede Menge. Der ganze Mond ist mit Eis bedeckt, das ein- bis zweihundert Kilometer dick ist. Und diese Eisschicht ist nicht statisch, sondern sie kann sich bewegen und verändern. Es gibt dort zum Beispiel “Eisvulkane”. Aus denen kommt kein geschmolzenes Gestein, sondern geschmolzenes Eis. Beziehungsweise Wasser. Und das ist vielleicht das interessanteste an Europa: Seine junge Oberfläche sagt uns, dass da nicht nur festes Eis sein kann, sondern auch flüssiges Wasser.
Aber wo kommt dort draußen, so fern der Sonne, flüssiges Wasser her? Die Höchsttemperatur auf Europas Oberfläche beträgt -150 Grad Celsius. Dort kann es nur Eis geben. Aber unter der Oberfläche sieht es ganz anders aus. Und um das zu verstehen, müssen wir kurz auf Europas Nachbarn blicken. Da ist einerseits mal der riesige Jupiter selbst, circa 670.000 Kilometer entfernt. Für einen Umlauf um Jupiter braucht Europa 3 Tage und 13 Stunden. Die Bahn von Europa um Jupiter herum ist fast kreisförmig, aber eben nur fast. Das hat Konsequenzen: Selbstverständlich gibt es auch auf Europa Gezeiten. Wie das mit den Gezeiten funktioniert habe ich ja schon in Folge 161 ausführlich erklärt. Die Gezeiten, die der riesige Jupiter auf Europa ausübt, sind enorm. Und da der Mond auf seinem Weg um den Planeten wegen der nicht kreisförmigen Bahn mal näher und mal weiter weg, sind die Gezeiten unterschiedlich stark. Vereinfacht gesagt: Der Mond wird regelmäßig gestreckt und gestaucht beziehungsweise regelrecht durchgeknetet. Dazu kommt, dass die Abweichung von der Kreisbahn bei Europa selbst nicht konstant ist. Die Umlaufzeit des Mondes steht in einem ganzzahligen Verhältnis zur Umlaufzeit von Io. Europa vollendet eine Runde um den Jupiter in exakt der Zeit, die der weiter innen umlaufende Io für zwei Runden braucht. Diese Bahnresonanz führt dazu, dass sich die gravitativen Kräfte zwischen Io und Europa verstärken können und sich die Form der Umlaufbahn regelmäßig ändert. Was dann wieder Auswirkungen auf die Gezeitenkräfte hat und auf die Stärke, mit der Jupiter den Eismond Europa durchknetet.
Diese mechanische Energie im Inneren des Mondes sorgt für Wärme und die macht die Existenz eines flüssigen Wasserozeans unter der Eisschicht möglich. Direkt beobachtet hat man dieses unterirdische Meer noch nicht, aber wir wissen, das es vorhanden sein muss. Einmal sind da die Anzeichen auf der Oberfläche selbst. Die schon vorhin beschriebene junge Oberfläche. Aber auch Spuren von Mineralien und Salzen, die eigentlich nur aus so einem Ozean stammen können und über Eisvulkane an die Oberfläche gelangt sein müssen. Man hat auch Wasserstoff- und Sauerstoffatome beobachtet, die eine Art sehr dünnen Nebel über der Oberfläche bilden. Sie müssen aus Wasser stammen, das aus dem Inneren an die Oberfläche gelangt und dort durch die Sonnenstrahlung in seine atomaren Bestandteile aufgespalten wird. Wir haben Anzeichen solcher Ausbrüche sogar schon direkt beobachtet. 2012 beobachtete das Hubble-Weltraumteleskop etwas, das man als Ausbruch in der Südpolregion des Mondes interpretieren könnte und was eine 200 Kilometer hohe Fontäne aus Wasserdampf gewesen sein könnte. Und Daten der Galileo-Raumsonde aus dem Jahr 1997 legen nahe, dass die Sonde damals vielleicht sogar direkt durch so eine Fontäne geflogen ist.
Die Struktur der Oberfläche liefert noch weitere Hinweise. Europas Eis ist von unzähligen Gräben und Linien durchzogen. Die sollten eigentlich bestimmte Muster bilden, denn der Mond zeigt Jupiter immer die selbe Seite. Das ist wieder eine Auswirkung der Gezeiten; so wie bei uns ja auch der Mond immer die selbe Seite in Richtung Erde zeigt. Diese “gebundene Rotation” sollte dafür sorgen, dass sich die Bruchlinien im Eis auf eine bestimmte Weise anordnen – was sie aber nicht tun. Ein Grund dafür kann wieder der unterirdische Ozean sein. Dadurch “schwimmt” die Eiskruste quasi auf dem Ozean und muss nicht der Rotation des Mondes selbst folgen.
Europa besteht also vermutlich aus einem kleinen metallischen Kern der von einer felsigen Schicht umgeben ist. Darüber befindet sich ein Ozean aus flüssigem Wasser, der bis zu 100 Kilometer tief sein könnte. Darüber kommt die ebenfalls viele Dutzend Kilometer dicke Schicht aus Eis. Wie es unter dem Eis aber wirklich aussieht, wissen wir derzeit nicht. Es gab bis jetzt noch keine Mission die speziell zur Untersuchung dieses Mondes ins All geschickt worden ist. Die Pioneer- und Voyagersonden der 1970er Jahre sind am Mond vorbei geflogen und konnten nur ein paar Aufnahmen machen. Der Galileo-Sonde in den 1990er Jahren gelangen ein paar bessere Bilder auf denen mehr oder weniger alles beruht, was wir heute über Europa wissen. Eine für 2020 geplante Mission direkt zu Europa scheiterte, weil sich die NASA aus dem gemeinsamen Projekt von NASA und ESA zurück gezogen hat. Die Europäische Weltraumagentur ESA hat darauf hin JUICE geplant, den JUpiter ICy moon Explorer der 2022 starten soll. 2032 wird die Sonde eine Umlaufbahn um Ganymed einnehmen, den größten Jupitermond; davor aber noch ein paar Mal an Europa vorbei fliegen. Die NASA dagegen plant den “Europa Clipper”, der sich in den 2020er Jahren ganz diesem einem Mond widmen soll. Der Start von JUICE wird mit großer Sicherheit erfolgen; der Europa Clipper ist dagegen noch in einer frühen Planungsphase. Es wird also auf jeden Fall noch dauern, bis wir mehr über den Eismond und seinen Ozean wissen.
Und zu wissen gäbe es noch genug. Wie genau sieht dieser Ozean aus? Wie tief ist er wirklich? Selbst wenn man nur sehr zurückhaltende Schätzungen anlegt, kommt man auf eine gesamte Wassermenge auf Europa, die etwa dreimal so groß ist wie die Menge all des Wassers in den Meeren der Erde. Und wie sind die Bedingungen in diesem Ozean? Gibt es dort etwas, was den hydrothermalen Warmwasserquellen in unseren Meeren ähnelt? Also diesen von der Wärme im Inneren des Planeten angetriebenen Quellen die eventuell die Orte waren, an denen das Leben auf der Erde entstanden ist? Wie viel Salz gibt es in Europas Ozeanen? Man hat Spuren an der Oberfläche beobachtet, die auf jede Menge Salz hindeuten. Was dann natürlich alles Auswirkungen auf die große offene Frage hat: Gibt es irgendwo in Europas Ozeanen Leben? Hydrothermale Quellen wären gut dafür. Sehr viel Salz dagegen weniger. Und natürlich fehlt da unten das Licht. Aber solange wir nicht nachsehen, werden wir nicht Bescheid wissen…
Kommentare (20)