Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter][Sternengeschichten-App]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 294: Warum sind Planeten rund?
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich vom arabischen Gelehrten al-Biruni erzählt und seiner sehr exakten Messung der Größe der Erdkugel vor mehr als 1000 Jahren. Dass die Erde eine Kugel ist, wusste man da schon aber viel länger. Aber warum ist sie eine Kugel? Und wieso sind andere Himmelskörper – wie zum Beispiel viele Asteroiden – nicht rund?
Um das zu verstehen, müssen wir uns zuerst damit beschäftigen, wie Planeten überhaupt entstehen. Das ist natürlich ein Thema, das viel zu umfangreich für eine einzige Sternengeschichten-Folge ist. Ich werde es daher auch nicht im Detail erklären, sondern mich auf die für die Form der Planeten relevanten Teile konzentrieren.
Ganz vereinfacht gesagt fängt alles mit einer Riesenmolekülwolke an, also einer gigantischen interstellaren Gaswolke, die fast komplett aus Wasserstoff besteht, aber auch einen Schwung anderer Elemente enthält. Die Wolke, aus der unser Sonnensystem entstanden ist, hatte vermutlich einen Durchmesser von etwa 65 Lichtjahren. Die ganzen Teilchen dieser Gaswolke bewegen sich aufgrund ihrer Bewegungsenergier mehr oder weniger zufällig hin und her. Wäre das schon alles, dann würde sich so eine Wolke im Laufe der Zeit immer weiter ausbreiten und verdünnen, bis sie quasi komplett verschwunden ist.
Aber da ist ja auch noch die Gravitation. Die ist überall und sie ist der Grund, warum es so etwas wie Planeten überhaupt gibt. Denn die gesamte Masse aller Teilchen in der Wolke übt eine Gravitationskraft aus, die sie zusammenhält. Umso fester, je größer die Masse ist. Und wenn die Masse eine bestimmte Grenzmasse übersteigt, dann passieren interessante Dinge. Diese Grenze wird das “Jeans-Kriterium” beziehungsweise die “Jeans-Masse” genannt. Und hat übrigens nichts mit der Jeans-Hose zu tun, sondern dem englischen Astronomen James Jeans, der das Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt hat.
Ist die Masse der Wolke größer als die Jeans-Masse, dann ist ihre Gravitationskraft stärker als die Kraft der sich bewegenden Teilchen. Die Wolke kann also unter ihrer eigenen Gravitationskraft in sich zusammenfallen und genau das tut sie dann auch. Normalerweise aber nicht die gesamte Wolke – sie fragmentiert, das heißt es entstehen mehrere Bereiche, in denen das Material sich immer dichter zusammendrängt. In jeder dieser Regionen entstehen dann Protosterne und aus der ganzen Wolke eine Sternengruppe.
Jetzt kommt die Drehimpulserhaltung ins Spiel, und die Prozesse über die ich ja im Detail schon in Folge 238 gesprochen habe. Ohne Drehimpulserhaltung würde das ganze Zeug aus der Wolke ja einfach in sich zusammenfallen, bis am Ende nur ein Stern da ist und sonst nichts. Aber weil sich eben all die Teilchen bewegen, fallen sie nicht in exakt gerader Linie auf den sich bildenen Stern. Sondern sie bewegen sich auch ein wenig um den Protostern herum. Das führt dazu, dass sich um den Stern eine rotierende Scheibe aus Material bildet. Und damit sind wir schon fast bei den Planeten.
Diese Scheibe ist voll mit Gas und Staub. Die Teilchen stoßen immer wieder zusammen. Manchmal prallen sie dabei voneinander ab; manchmal verbinden sie sich aber auch und werden größer. Diese größeren Objekte kollidieren ebenfalls und je nachdem zerbröseln sie dabei wieder zu kleineren Objekten oder werden noch größer. Irgendwann werden manche dieser sogenannten “Planetesimale” so groß, dass sie mit ihrer Gravitationskraft einen merkbaren Einfluss auf ihre Umgebung ausüben. Sie ziehen noch mehr Zeug an und wachsen noch schneller.
Und auch bei diesem Wachstum gibt es einen Punkt, an dem die Dinge interessant werden. Es wäre ja überraschend, wenn sich bei all diesen chaotischen Kollisionen die Planetesimale zufällig so anordnen würden, dass am Ende ein großer, kugelförmiger Planet entsteht. Und natürlich ist das auch nicht so passiert. Wenn ein Himmelskörper groß genug wird, dann kann er nicht anders, als kugelförmig zu werden.
Das liegt am sogenannten “hydrostatischen Gleichgewicht”. Man muss hier zwei Kräfte betrachten: Einerseits die Gravitationskraft und andererseits die Bindungskräfte zwischen den Atomen und Molekülen aus denen die Materie aufgebaut ist. Ein Beispiel: Ein Ziegelstein bleibt deswegen ein Ziegelstein und zerfließt nicht einfach zu einer staubigen Pfütze aus Staub, weil die Atome aus denen er besteht durch eine gewisse Energie aneinander gebunden sind. Man muss also auch Energie aufbringen, wenn man das ändern will. Wenn man jetzt einfach mal mit der Faust gegen eine Ziegelmauer schlägt, dann wird man schnell – und schmerzhaft – merken, dass das energiemäßig nicht ausreicht. Wenn ich dagegen mit einem großen Vorschlaghammer komme oder einem Schlagbohrer, dann kann ich die Bindungen und den Ziegelstein leicht zertrümmern.
Wenn sich in einer Scheibe aus Gas und Staub um einen jungen Stern aus Atomen und Molekülen größere Objekte aufbauen, dann haben die zuerst mal keine irgendwie bevorzugte Form. Vereinfacht gesagt: Dort wo gerade ein neues Atom dranknallt, da bleibt es auch kleben. Die Formen der so entstehenden Planetesimale sind daher auch sehr unregelmäßig. Diese Dinger können mehr oder weniger irgendwie ausschauen. Und sie sind ein wenig wie die Ziegelsteine aus dem Beispiel von vorhin, die ihre Form behalten, solange sich nichts ändert.
Je mehr Masse so ein Planetesimal aber ansammelt, desto größer wird auch die Gravitationskraft, die diese Masse auf sich selbst ausübt. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Gravitationskraft so stark ist, dass die Bindungsenergie zwischen der Materie nicht mehr in der Lage ist, die ursprüngliche Form zu halten. Und nimmt die einzige Form an, die die Gravitationskraft noch erlaubt: Eine Kugel.
Es ist leicht zu verstehen, warum das so sein muss. Betrachten wir die Oberfläche einer Kugel: Hier ist jeder Punkt vom Mittelpunkt gleich weit entfernt. Genau so ist ja eine Kugel überhaupt erst definiert. Da die Stärke der Gravitationskraft neben der Masse auch vom Abstand abhängt, spürt also auch jeder Punkt die gleiche Anziehungskraft. Das ist der optimale Zustand und die Natur mag optimale Zustände.
Vielleicht kann man das auch an einem Beispiel besser verstehen. Stellen wir uns vor, es ist Sommer, es ist heiß und wir sind auf einer großen Wiese im Park. Plötzlich ruft dort irgendjemand: “Kostenloses Eis! Kostenloses Eis! Wer zuerst kommt, kriegt die besten Sorten!”. Was passiert? Natürlich laufen alle Leute auf der Wiese so schnell wie möglich auf diese Person zu. Wer will schon das kostenlose Eis verpassen? Sofort bildet sich eine Menschenmenge um die Stelle, an der das Eis verteilt wird. Nur wir haben natürlich Pech gehabt. Wir waren zu weit weg und haben es nicht ganz nach vorne geschafft. Aber wir wollen natürlich trotzdem das Eis haben! Wir laufen also außen um die Menschenmenge herum, hüpfen hoch und hin und her und probieren eine Position zu finden, bei der wir möglichst nahe am Eis sind. Egal aus welcher Richtung wir ursprünglich gekommen sind: Wir werden so lange um die Menschenmenge rumlaufen, bis wir die optimale Position gefunden haben. Also die Position, bei der wir uns sicher sind, dass dort nicht mehr Menschen vor uns stehen als irgendwo anders.
Und wenn wir nun davon ausgehen, dass alle anderen Leute auf der Wiese das ebenso tun, dann entsteht ganz automatisch eine Reihe von Kreisen um das Eis. Denn nur ein Kreis stellt sicher, dass alle gleich weit vom Mittelpunkt – also dem Ort wo es das Eis gibt! – entfernt sind. Wenn da schon hundert Leute im Kreis um das Eis herum stehen, dann kämen die nächsten hundert Leute sicher nicht auf die Idee, einfach außen an diesem Kreis eine lange Schlange zu bilden. Denn die Leute in der Schlange kämen erst dann an die Reihe, wenn alle aus den Kreisen und diejenigen vor ihnen in der Schlange dran waren. Viel besser für alle ist es, ebenfalls einen Kreis außen herum um die Menschenmenge zu bilden. Dann haben alle die gleiche Chance aufs Eis.
Aber weg vom Eis und zurück zu den Planeten. Hier funktioniert das genau so. Nur ist es hier nicht die Anziehungskraft des köstlichen Eises, dass die Form bestimmt, sondern die Anziehungskraft der Gravitation und es sind nicht Menschen, sondern Atome, die sich bewegen. So lange, bis sie alle so nah wie möglich an das Zentrum der Anziehungskraft gelangt sind und das geht eben nur, wenn sie sich alle kugelförmig um einen gemeinsamen Mittelpunkt anordnen.
Deswegen sind Planeten rund. Und bevor jemand meckert: Natürlich war das eine sehr vereinfachte Darstellung. Auf der Oberfläche der Erde gibt es ja jede Menge Abweichungen von der Kugelform, zum Beispiel Berge. Aber die gibt es nur, weil die einerseits klein genug sind und andererseits aus einem Material, das starke Bindungskräfte hat. So stark, dass es gerade noch ausreicht, um der Anziehungskraft der Erde zu widerstehen. Wären die Berge höher und damit massereicher, dann würde aber selbst das nicht mehr helfen, dann würden sie durch die Eigengravitation der Erde in den Planeten sinken und schrumpfen. Die Berge auf der Erde sind mehr oder weniger fast so hoch, wie sein können. Ein paar hundert Meter mehr gingen theoretisch noch, aber recht viel mehr als 10 Kilometer hohe Berge sind bei uns nicht drin. Und 10 Kilometer sind relativ wenig verglichen mit den 6371 Kilometer des Erdradius. Aus Sicht des Planeten fallen die Berge gar nicht auf; die Oberfläche ist quasi spiegelglatt.
Natürlich gibt es noch weitere Details die die Sache komplizierter machen. Die Rotation eines Planeten und die dadurch erzeugten Fliehkräfte wirken der Gravitationskraft ebenfalls entgegen, was zu Abweichungen von der Kugelform führt. Es gibt Gezeitenkräfte, die alles verformen. Es gibt – wie ich in Folge 256 der Sternengeschichten erzählt habe – im Inneren großer Himmelskörper die durch radioaktive Elemente freigesetzte Wärme, die dazu führt das festes Gestein flüssig wird, was dessen Zusammenhalt natürlich schwächt. Und so weiter.
Aber sieht man von diesen Details ab, dann haben Himmelskörper schlicht und einfach keine andere Wahl, als rund zu sein, sobald sie eine gewisse Größe überschritten haben. Dafür sorgen die fundamentalen Eigenschaften der Natur.
Kommentare (41)