Wie würdet ihr 3000 Astronominnen und Astronomen begrüßen? Ich würde mich ja – je nach Tageszeit – mit “Hallo” oder “Guten Morgen!” begnügen. Aber für die 30. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) die heute in Wien beginnt, reicht das natürlich nicht. Immerhin handelt es sich um die weltgrößte Astronomie-Konferenz die nur alle drei Jahre stattfindet. Da braucht es schon ein wenig mehr Lametta!

IAU XXX General Assembly Vienna (Logo: IAU)

IAU XXX General Assembly Vienna (Logo: IAU)

Einer der 3000 Astronomen die sich derzeit in Wien versammeln bin ich – auch wenn ich laut Akkreditierung offiziell nur als “Journalist” anwesend bin und deswegen vermutlich nicht extra begrüßt werden muss 😉 Aber bei so einem Event wie der IAU-Konferenz muss auf jeden Fall begrüßt werden; offiziell und von allen die etwas zu sagen haben. Und weil die Konferenz erst heute so richtig los geht und meine Berichte über die wissenschaftlichen Inhalte noch etwas dauern werden, habe ich einmal einen Blick auf genau diese Begrüßungen geworfen.

Immerhin finden sich im “Conference Booklet”, das allen Anwesenden ausgehändigt wird, gleich neun Grußbotschaften! Die in Österreich höchstrangige Begrüßung hätte ja vom Bundespräsidenten kommen müssen. Der hat sich aber nicht zu Wort gemeldet, was schade ist, denn Alexander van der Bellen hätte sicherlich etwas Interessantes zu sagen gehabt. (Nachtrag, 23. August: Alexander van der Bellen konnte offensichtlich kein Grußwort sprechen, da er den offiziellen Ehrenschutz über die gesamte Veranstaltung übernommen hat und diese Tatsache ein Grußwort offensichtlich ausschließt. Dieses protokollarische Detail war mir bis jetzt unbekannt). Bundeskanzler Sebastian Kurz hat zur IAU-Konferenz ebenfalls geschwiegen, was aber keine große Überraschung ist, da er das sowieso zu so gut wie allen Themen macht. Also eröffnet der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung – Heinz Faßmann – die Begrüßungen. Wenn Politiker sich zu Wissenschaft äußern sollen, endet das ja oft katastrophal oder mit der typischen Mischung aus nichtssagender Unverbindlichkeit und Desinteresse. Und die Grußworte von Heinz Faßmann entsprechen vorerst genau diesem Vorurteil. Als studierter Geograf hat er auf jeden Fall Ahnung von Wissenschaft. Aber die Worte die er an die IAU-Teilnehmer richtet, könnten nichtssagender kaum sein. “[c]urrent developments are very dynamic”, erfahren die Astronomen da über ihr Arbeitsgebiet. Und die Dynamik existiere auf einer “European and global scale”; die Astronomen hätten mit “instruments ranging from telescopes to satellites” jede Menge beeindruckende Ergebnisse geliefert.

Farbänderung eines Sterns beim Vorbeiflug an einem schwarzen Loch (Künstlerische Darstellung: ESO/M. Kornmesser)

Farbänderung eines Sterns beim Vorbeiflug an einem schwarzen Loch (Künstlerische Darstellung: ESO/M. Kornmesser)

Astronomen betreiben also mit Teleskopen eine dynamische Wissenschaft, in Europa und dem Rest der Welt. Gut zu wissen 😉 Aber schon im nächsten Absatz muss ich meine Vorurteile dann dramatisch revidieren. Da schreibt Faßmann dann über ein ganz konkretes Stück Forschung. Am Tag als das Grußwort geschrieben wurde, so Faßmann, sei in der Fachzeitschrift “Nature” ein Leitartikel über das Zentrum unserer Milchstraße zu finden gewesen. Der handle von “long standing research on the massive center of our galaxy and its impact on nearby stars”. Vermutlich handelt es sich um diesen Artikel. Dort wird darüber berichtet, das es erstmals gelungen sein, die gravitative Rotverschiebung im Licht eines Sterns zu messen, der sich in der Nähe des zentralen schwarzen Lochs unserer Milchstraße befindet. Mit seiner Masse von mehr als 4 Millionen Sonnenmassen erzeugt das ein enormes Gravitationsfeld und wie Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhersagt, hat das einen Einfluss auf die Farbe des Lichts. Drei Jahrzehnte haben Astronomen einen Stern dort in der Nähe beobachtet, bevor sie diesen Effekt das erste Mal in der Nähe eines schwarzen Lochs nachweisen konnten.

Faßmann schreibt dazu: “It’s a fascinating piece of work as we cannot see the real thing but measure it and its gravitational impact. This is yet another impressive result and shows what the combination of scientific theory and experiment is capable of.” Egal ob diese Worte jetzt tatsächlich direkt vom Bundesminister stammen oder von jemanden aus seinem Team: Man könnte die der Astronomie innewohnenden Schwierigkeiten kaum besser zusammenfassen als mit “We cannot see the real thing!”.

Wir können in der Astronomie tatsächlich so gut wie nichts sehen. Wir kriegen ein paar Photonen elektromagnetischer Strahlung und müssen uns enorm anstrengend, sie mit unseren Teleskopen aufzufangen. Und aus diesen Photonen müssen wir alles andere ableiten; all das Wissen über das Universum, die Galaxien, die Sterne, die Planeten. Dass wir auf diese Weise so viele Entdeckungen gemacht haben, IST faszinierend. Und wenn wir das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße untersuchen wollen, bleibt uns sowieso nichts anderes übrig, als indirekt zu arbeiten. Wir müssen die Umgebung beobachten (in dem Fall den Stern S2, über den ich vor langer Zeit schon mal geschrieben habe) und aus seinen (indirekt beobachteten) Eigenschaften auf die Eigenschaften des schwarzen Lochs schließen.

Wenn mich eines immer wieder an der Astronomie fasziniert, dann ist es die enorme Kreativität zu der wir angesichts der Unzugänglichkeit unserer Forschungsobjekte gezwungen werden. Wir müssen enorm oft um die Ecke denken, um aus den paar Photonen all die Informationen holen zu können, die wir brauchen. Ich fand es daher ebenso überraschend wie auch erfreulich, das Minister Faßmann genau diesen Aspekt heraus gegriffen hat, um damit die sich in Wien versammelnden Astronominnen und Astronomen zu begrüßen.

Der Rest der Grußworte war dann im Allgemeinen so vorhersehbar wie unaufregend. Der Wiener Bürgermeister freut sich, das so viele Leute kommen und Gelegenheit haben zu sehen, wie schön Wien ist. Der Rektor der Uni Wien erklärt (ein wenig überflüssig) den Teilnehmern der IAU-Konferenz was die IAU ist und verweist (schon deutlich interessanter) auf die mittelalterlichen österreichischen Astronomen Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach und Regiomontanus. Quantenphysiker Anton Zeilinger (Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) erzählt das er bei seinen Experimenten zur Quantenteleportation ebenfalls Teleskope eingesetzt hat. Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (ÖGA2) freut sich, dass die IAU-Tagung in Österreich stattfindet und dass die ÖGA2 sie organisieren darf. Interessant dürfte für einige dann aber vielleicht noch das Grußwort von Simonetta Di Pippo sein, die Direktorin des Büros der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (UNOOSA). Wahrscheinlich wissen nicht einmal alle Astronomen, dass die UNO so eine Behörde betreibt und das sie sich in Wien befindet. Dann folgen noch Grußworte der Präsidentin und des Generalsekretärs der IAU, die sich einerseit darüber freuen, dass die IAU demnächst ihr 100jähriges Jubiläum feiert und andererseits die vielen neuen Mitglieder und Mitgliedsstaaten begrüßen. Und zum Abschluss begrüßt dann auch noch der Vorsitzende des lokalen Organisationskommittes (also die Leute, die die ganze Arbeit mit der Konferenz haben) die Teilnehmer mit der Hoffnung, das alles gut gehen möge und der Versicherung, das man sich um alles kümmern werden um das sich gekümmert werden kann.

iaukram

Die offiziellen Begrüßungen von Politikern und Organisatoren sind im Allgemeinen ja der langweiligste Punkt jeder Konferenz (eigentlich von jeder Veranstaltung). Und wenn mein Buch nicht gerade ganz untem im Rucksack gewesen wäre, dann hätte ich vermutlich auch nicht damit angefangen, gerade diesen Teil des Conference Booklets so ausführlich zu lesen. Aber am Ende war es dann doch ganz interessant zu sehen, wie unterschiedlich die vielen verschiedenen Begrüßungen ausgefallen sind. Und unter all den vorhersehbaren Worten etwas zu entdecken, mit dem ich absolut nicht gerechnet hätte. Die Konferenz geht heute am späten Vormittag so richtig los. Astronominnen und Astronomen aus aller Welt werden davon erzählen, wie sie es geschafft haben, dem Universum seine Geheimnisse zu entlocken. “We cannot see the real thing” – Aber Astronomen können zum Glück sehr viel mehr als nur “sehen”!

Nachtrag: Einen Teil der Grußworte kann man hier online lesen.

P.S. Wer nicht nur lesen will, was ich im Blog zur IAU-Konferenz schreibe, kann mir auch bei Twitter oder Instagram folgen; da wird es auch zwischendurch immer wieder mal Updates geben. Und unter dem Hashtag “#IAU2018” findet man sowohl bei Twitter als auch bei Instagram Bilder und Infos all der anderen Konferenzteilnehmer.
P.P.S. Und falls mich zufällig auf der Konferenz jemand treffen und begrüßen will: Ein einfaches “Hallo!” reicht völlig aus 😉

Kommentare (18)

  1. #1 noch'n Flo
    Schoggiland
    20. August 2018

    Ich fühlte mich bei den Worten des Herrn Fassmann spontan an diesen Klassiker erinnert:

    https://tinyurl.com/y72pj6rl

  2. #2 Mars
    20. August 2018

    und ich bin immer wieder erstaunt, was FF über bestimmte bereiche der Philosophie und Esoterik schreibt, wo er solche sätze vom stapel lässt:
    dass er – und viele kommentatoren – das anderen nicht zugestehen kann ist manchmal schade, gerade da er ja sich in kommunikation üben will.

    “”” Wenn mich eines immer wieder an der Astronomie fasziniert, dann ist es die enorme Kreativität zu der wir angesichts der Unzugänglichkeit unserer Forschungsobjekte gezwungen werden. Wir müssen enorm oft um die Ecke denken, um aus den paar Photonen all die Informationen holen zu können, die wir brauchen. “””


    will da gar kein neues fass aufmachen,
    mich fasziniert dies oben beschriebene naturwissenschaftliche ebenso, aus einem unvollständigen puzzle das ganze ableiten zu wollen UND da auch gute ansätze zu finden. aber das können eben vermutlich nicht nur astronomen allein … denk ich mir.

  3. #3 Zhar
    20. August 2018

    @ Mars
    du vergleichst da gerade Äpfel mit Bienen. Es kommt eben auf die Methodik an, und dort trennt sich dann das Wissen von der Vermutung, die Fakten von der Fantasterei. Beide Felder fangen mit Mutmaßen an, doch nur eins ist gewillt diese mit allen Mittel zu widerlegen.

  4. #4 Mars
    20. August 2018

    @zhar

    wenn du schon den bienen-vergleich hernimmst, solltest du aber auch sehen, dass ein geistewissenschaftliches problem auch dort gelöst werden sollte, und nicht mit mathematik!
    also ganz ruhig, bronco – sorry Zhar.

    ich wollte hier nur verdeutlichen, dass ich es eben auch faszinierend finde, wie man aus kleinsten brocken noch was machen kann – auch wenn sich manches dann in 20 jahren evt widerlegen lässt. aber die NW hat eben kein alleinstellungsmerkmal

    aber ich finde ein wenig toleranz andersdenken – also nicht reinen naturwissenschaftlern – gegenüber manchmal angebracht. es wird schon genug um sich geschlagen, nutzen wir doch unsere menschliche seite in uns (die ich jedem NW zugestehe)
    ‘fass zumach’

  5. #5 Florian Freistetter
    20. August 2018

    @Mars: Klar müssen andere Wissenschaften auch kreativ sein. Aber die Astronomie ist insofern einzigartig unter den Naturwissenschaften als das wir unsere Forschungsobjektenur aus der Ferne anschauen können. Auf Physik, Chemie, Biologie, Geologie, etc trifft das nicht zu. Mehr wollte ich gar nicht sagen.

  6. #6 Mars
    20. August 2018

    ja, da hast du recht, die entfernung ist dabei was besonderes,
    aber der blick ins kleinste ist ebenfalls ohne instrumente nicht wirklich möglich
    grüssle

  7. #7 turtle of doom
    20. August 2018

    Viele Politiker haben es zur Perfektion gebracht, mit einer riesigen Wortfülle nichts auszusagen. Perfekter Fokus auf loss aversion – bloss niemanden vergraulen…

    Wenn ein Typ der IAU geschildert hätte, wie er zum ersten Mal mit Astronomie in Berührung kam – “Die Lehrerin sagte uns, acht Minuten brauche das Licht von der Sonne zu uns, acht Minuten! Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus!” – fände ich das allemal recht interessant.

  8. #8 RPGNo1
    20. August 2018

    @FF
    Ich bin ein neugierig. Hättest du denn auch eine Einladung als Fachteilnehmer (nicht als Journalist) zur Tagung erhalten können, da du einen Uni-Abschluss in Astronomie und Berufserfahrung nachweisen kannst? Oder bist du aufgrund deiner langjährigen anderweitigen Beschäftigung inzwischen sozusagen “unter den Tisch gefallen”, also nicht mehr einladungswürdig?

  9. #9 Florian Freistetter
    20. August 2018

    @RPGNo1: Die Wissenschaftler (bis auf die die irgendeinen Preis der IAU gewonnen haben) werden nicht eingeladen sondern können sich anmelden. Dann zahlt man die nicht unerhebliche Konferenzgebühr und fertig. Das kann im Prinzip jeder, egal ob Astronom oder nicht. Wenn man dort nicht nur zuhören sondern selbst was präsentieren will muss man das vorher anmelden und die Organisatoren prüfen das und wählen aus wer präsentieren darf und wie (Vortrag oder nur Poster). Als Pressemensch muss man sich auch anmelden und es wird geprüft ob man tatsächlich entsprechend arbeitet. Muss aber dann wenn man zugelassen wird keine Gebühr zahlen 😉 Pressezulassung ist für mich also deutlich günstiger. Ich hab ja auch keine Uni mehr die Gebühren und Reisekosten für mich übernimmt so wie bei den wissenschaftlichen Teilnehmern. So muss ich halt nur Reise- und Hotelkosten zahlen und spar mir die Konferenzgebühr.

  10. #10 RPGNo1
    20. August 2018

    @FF
    Aha, wieder etwas gelernt. Danke für die Rückmeldung. Viel Spaß noch auf der Versammlung. 🙂

  11. #11 Jürgen A.
    Berlin
    21. August 2018

    @ FF

    Wie hoch ist denn die Konferenzgebühr ?

  12. #12 Florian Freistetter
    21. August 2018

    @Jürgen: Ist unterschiedlich – kann man hier im Detail nachschauen: https://astronomy2018.univie.ac.at/

  13. #13 Jürgen A.
    Berlin
    21. August 2018

    @ FF

    Ich habs gefunden. Je nach Anmeldezeitpunkt zwischen 540 und 660 Euro für einen normalen Menschen (z.B. kein Student).

  14. […] bei der weltgrößten Astronomiekonferenz die derzeit gerade in Wien stattfindet, handelt die Mehrzahl der Vorträge nicht von […]

  15. […] hinter dieser Aussage doch ein Stück sehr interessanter Wissenschaft. Ich bin ja zur Zeit bei der Generalversammlung der Interationalen Astronomischen Union in Wien und es gibt einen sehr wichtigen Grund, solche Konferenzen zu besuchen: Man lernt dort jede Menge […]

  16. […] Internationale Astronomische Union (IAU) veranstaltet ja gerade in Wien die weltgrößte Astronomie-Konferenz. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird auch das 100jährige Jubiläum der astronomischen Vereinigung […]

  17. […] am 31. August 2018, geht die große Konferenz der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Wien zu Ende. Die etwa 3000 Astronominnen und Astronomen aus aller Welt werden wieder nach Hause fahren […]

  18. […] Der erste Artikel von der Konferenz handelte nicht von der Forschung, sondern von der Begrüßung der Forscherinnen und Forscher. Und dem sehr überraschenden und erfreulichen Blick, den Österreichs Wissenschaftsminister auf die Astronomie gewofen hat: “Willkommen bei der IAU-Generalversammlung: Wie begrüßt man 3000 Astronomen?” […]