Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 300: Kryovulkanismus
In den letzten Folgen der Sternengeschichten habe ich von Vulkanen erzählt. Davon, was Vulkanismus eigentlich ist, wie er funktioniert und wie wichtig er für die Erde ist. Von den Vulkanen auf anderen Planeten des Sonnensystems und vom vulkanisch aktivsten Himmelskörper des Sonnensystems, dem Jupitermond Io. Wir kennen heute drei Himmelskörper im Sonnensystem, auf denen aktuell aktive Vulkane existieren: Die Erde, die Venus und eben Io. Auf dem Mars und dem Merkur und auch dem Mond gab es in der Frühzeit des Sonnensystems Vulkane; auf dem Mars vielleicht auch noch in der jüngeren geologischen Vergangenheit des Planeten. Aber das war es mehr oder weniger. Im inneren Sonnensystem bleiben nur noch die beiden Marsmonde, aber das sind winzige Felsbrocken und viel zu klein für Vulkane. Im äußeren Sonnensystem haben wir nur die großen Gasplaneten ohne feste Oberfläche und damit auch ohne Möglichkeit für Vulkanismus.
Aber es gibt ja noch die vielen, vielen Monde der Gasplaneten. Es gibt die Zwergplaneten und die großen Asteroiden. Was ist mit denen? Für den Vulkanismus den wir von der Erde kennen, sind diese Objekte im Allgemeinen zu klein. In ihrem Inneren gibt es nicht genug radioaktives Material um ausreichend Wärme für das Schmelzen von Gestein zu erzeugen und nicht jeder Mond ist in so einer speziellen Position wie Io, der ja – wie ich in der letzten Folge der Sternengeschichten erzählt habe – durch die Gezeitenkräfte Jupiters die Energie für seinen Vulkanismus bekommt.
Es gibt aber noch eine zweite Art von Vulkanismus. Hier geht es nicht um Feuer, sondern um Eis. Er nennt sich “Kryovulkanismus” oder “Eisvulkanismus”. Auf der Erde kann dieses Phänomen nicht stattfinden, aber an anderen Orten des Sonnensystems, wo andere Bedingungen herrschen, spielt es eine wichtige Rolle.
Damit ein Eisvulkan entstehen kann, muss es einerseits kalt sein. Minus 150 Grad ungefähr und es braucht einen Himmelskörper, in dessen Inneren leicht schmelzbare Substanzen sind. Also kein Gestein, das erst bei circa 1000 Grad schmilzt, sondern gefrorene Gase wie Methan oder Kohlenstoffdioxid, oder auch gefrorenes Wasser. Es braucht Himmelskörper, die ganz anders aufgebaut sind, als die Erde und die anderen erdähnlichen Planeten im Sonnensystem. Die Erde, so wie auch Mars, Venus und Merkur bestehen ja – vereinfacht gesagt – aus einem metallischen Kern, der von einem Mantel aus eventuell teilweise geschmolzenen Gestein umgeben ist und einer dünnen festen Gesteinskruste darüber. Es gibt aber auch “Eiswelten”, die typischerweise aus einem Gesteinskern bestehen, über dem eine dicke Schicht aus gefrorenem Material liegt. Das kann Eis sein, aber eben auch Methan, Ammoniak, Kohlendioxid, und so weiter.
Und genau so wie sich unter der festen Oberfläche der Erde geschmolzenes Gestein befindet, kann man unter der gefrorenen Eiskruste dieser Eiswelten eine Schicht aus geschmolzenen Eis finden. Oder anders gesagt: Himmelskörper dieser Art haben unter ihrer Eiskruste oft unterirdische Ozeane aus flüssigem oder teilweise geschmolzenen Eis. Und genau so wie geschmolzenes Gestein durch Risse in der Erdkruste nach oben dringen kann, ist das auch bei den Eiswelten möglich. Nur das es eben kein geschmolzenes Gestein ist, sondern geschmolzenes Eis.
Auch Eisvulkane entstehen also wenn Lava aus dem Inneren eines Himmelskörpers an die Oberfläche tritt. Nur das die “Lava” hier im wesentlichen aus Wasser besteht. Das dann natürlich an der kalten Oberfläche wieder gefriert, so wie ja auch die echte Lava wieder zu Gestein erstarrt.
Vulkane, die Wasser und Eis durch die Gegend schleudern: Das klingt absurd und faszinierend. Ist aber astronomisch und physikalisch absolut möglich und es findet in unserem Sonnensystem statt. Erste Hinweise auf die reale Existenz von Eisvulkanen fand man im Jahr 2005, als die europäische Raumsonde Huygens auf dem Saturnmond Titan landete.
Über diesen extrem faszinierenden Himmelskörper habe ich in Folge 157 der Sternengeschichten ja schon ausführlich gesprochen. Der riesige Mond hat einen Durchmesser von 5150 Kilometern. An seiner Oberfläche ist es -180 Grad kalt und alles ist fest gefroren. Fast alles, denn es gibt dort Flüsse und Seen, in denen aber kein Wasser fließt, sondern flüssiges Methan. Es gibt Wolken aus Methan und es regnet dort Methan. Auch die dicke Atmosphäre des Mondes besteht bis zu 6 Prozent aus Methan und das hat die Wissenschaftler damals überrascht. Denn in der Atmosphäre sollte gasförmiges Methan durch die Wechselwirkung mit dem Sonnenlicht chemisch schnell zerstört und abgebaut werden. Irgendwas muss also immer wieder Methan nachliefern und zwar aus dem Inneren des Mondes. Es muss also einen Prozess geben, bei dem Material aus dem Inneren irgendwie auftaut, an die Oberfläche kommt und dort in der Atmosphäre freigesetzt wird: Kryovulkanismus eben. Die Energie dafür kommt bei Titan vermutlich aus der gleichen Quelle wie bei der Erde: Der Kern von Titan ist groß genug um relevante Mengen an radioaktiven Material zu enthalten, das durch seinen Zerfall Wärme erzeugt. Teilweise geschmolzenes Eis, vermischt mit Ammoniak, das bei solchen Temperaturen noch flüssig ist, könnten so an die Oberfläche getrieben werden.
Den ersten direkten Nachweis von Kryovulkanismus fand aber nicht die Sonde Huygens, sondern die Raumsonde Cassini, die gemeinsam mit Huygens zum Saturn geflogen war. Cassini untersuchte andere Monde des Saturn, unter anderem Enceladus. Dieser Mond ist mit einem Durchmesser von ungefähr 500 Kilometern deutlich kleiner als Titan, aber mindestens ebenso faszinierend. Der Mond ist extrem hell; er ist der Himmelskörper im Sonnensystem, der am meisten Licht reflektiert, was daran liegt, das seine Oberfläche fast komplett mit reinem Wassereis bedeckt ist. Dadurch das so viel Sonnenlicht reflektiert wird, ist es auch ziemlich kalt; mit Temperaturen von minus 200 Grad. Bei Vorbeiflügen von Cassini an Enceladus im Jahr 2005 entdeckte man aber Bereiche, die bis zu 25 Grad wärmer waren als erwartet. Diese Bereiche lagen direkt über langen Spalten im Eis der Südpolregion des Mondes. Sie sind ein paar hundert Kilometer lang und bis zu 300 Meter tief. Hier dringt teilweise geschmolzenes Eis bis an die Oberfläche, was eigentlich nicht passieren sollte. Enceladus ist dafür viel zu kalt, und auch zu klein, um einen ausreichend heißen Kern zu besitzen. Er ist auch ziemlich weit weg von Saturn und obwohl auch hier Gezeitenkräfte und Effekte wie beim Jupitermond Io für eine Verformung des Mondes und eine entsprechende Erwärmung sorgen, dürfte die Temperatur eigentlich nicht reichen, um das Eis weit genug aufzuschmelzen. Man vermutet, das andere Stoffe wie Ammoniak im Inneren des Planeten mit dem Eis vermischt sind. Die setzten den Schmelzpunkt des Eises herab. Im Inneren des Mondes könnte also ein durch die Gezeitenkräfte aufgeheizter Gesteinskern existieren, der die Eisschicht darüber zum Schmelzen bringt. Wenn der Druck in dieser Flüssigkeit groß genug ist, sucht sich das Wasser einen Weg durch die Spalten im Eis an die Oberfläche und ein Eisvulkan entsteht.
Mittlerweile hat man die aus den Spalten am Südpol hinaus strömenden Eiskristalle auch direkt beobachtet. Viele davon können durch die geringe Anziehungskraft des Mondes nicht festgehalten werden und entkommen ins All. Dort bilden sie den sogenannten E-Ring des Saturns, der komplett aus diesen winzigen Eiskristallen besteht.
Titan und Enceladus sind aber nur zwei von vielen Beispielen für aktive Eisvulkane im Sonnensystem. Auf dem größten Asteroid im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, auf Ceres, gibt es den vier Kilometer hohen Ahuna Mons, der nicht nur aussieht wie ein Schildvulkan auf der Erde, sondern auch einer ist, nur eben ein Eisvulkan. Die Raumsonde Dawn hat den Asteroid 2015 besucht und helle Flecken entdeckt, die auf verschiedene Salze und Mineralien zurückzuführen sind, die durch Eisvulkanismus aus dem Inneren des Himmelskörpers an die Oberfläche gelangt sind.
Eisvulkanismus hat man auch auf Triton entdeckt, dem größten Mond des Planeten Neptun. Er wurde auf Charon nachgewiesen, dem Mond von Pluto und auch auf Pluto selbst vermuten die Astronomen kryovulkanische Aktivität. Vermutlich gibt es Eisvulkane auch auf anderen Monden und großen Asteroiden im äußeren Sonnensystem und wir haben nur noch nicht ausreichend Daten gesammelt um entsprechende Entdeckungen zu machen. Es ist aber auf jeden Fall klar, das es im Sonnensystem wesentlich mehr Orte mit kalten Vulkanen gibt als mit den heißen, Lava-speienden Berge die wir von der Erde kennen.
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