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Das Geheimnis der drucksensitiven Farbe
von Antonia B.
Ich bin eine 17-jährige wissenschaftsbegeisterte Schülerin aus Stade. In meiner Freizeit tanze ich leidenschaftlich gerne und fahre Rennrad.
Die heutige Zeit ist voller erstaunlicher Technologien, manche so außergewöhnlich, dass es schwer ist, an ihre Existenz zu glauben. Eine ist die drucksensitive Farbe (engl. Pressure Sensitive Paint (PSP)) zum Messen von Druckverhältnissen. Aber STOPP!! Eine Farbe, welche Luftdrücke messen kann? Wie soll das denn bitte funktionieren? Genau das möchte ich in diesem Blogeintrag erklären. Also bleib dran 🙂
Für die Entwicklung von Flugzeugen und auch Autos ist es wichtig, ihre aerodynamische Wirkung zu kennen. So kann Treibstoff gespart werden und der Flug in den Traumurlaub wird billiger. Hier kommt die drucksensitive Farbe ins Spiel, sie ändert durch Lumineszenzauslöschung (keine Angst, hier komme ich später wieder drauf zurück) ihre Leuchtintensität, sobald Luftdruck auf sie wirkt. Früher wurden diese Messungen mit Hilfe von Druckmessbohrungen vorgenommen, ihr Nachteil ist allerdings, dass durch die Bohrungen die Oberfläche und somit die aerodynamische Wirkung von beispielsweise einem Flugzeugflügel verändert wird. Gleichzeitig ist diese Druckmessung nur punktuell und nicht, wie die PSP flächig. Das ist ja alles schön und gut, aber wie funktioniert dies alles?
Schon mal von Lumineszenz gehört?
Dies ist die Grundlage für die Funktion der drucksensitiven Farbe. Lumineszenz ist ein physikalischer Prozess, bei dem Luminophoren (Farbstoffmoleküle) durch Energiezufuhr Licht abgeben. Die Lumineszenz ist ein Prozess aus Phosphoreszenz oder Fluoreszenz; beides sind lichtabgebende Prozesse. In den Messungen mit der drucksensitiven Farbe wird UV-Licht zum Bestrahlen der Farbe verwendet. Sobald die Photonen des UV-Lichts auf die Elektronen der Luminophoren treffen, geben diese ihre gesamte Energie an die Elektronen des Moleküls ab. So werden diese von ihrem energetischen Grundzustand S0 auf ein höheres Energieniveau S2 gebracht. Allerdings streben sie von Natur aus ein tieferes Energieniveau an. Jetzt kommt es darauf an, ob die Elektronen wieder getroffen werden, wenn sie nämlich nicht getroffen werden, gelangen sie auf das Energieniveau S1. So kommt durch den Prozess des Internal Conversion die Fluoreszenz zustande. Sobald das angeregte Elektron von einem weiteren Elektron getroffen wird, ändert es seine Drehrichtung und erreicht ein niedrigeres Energieniveau T1. Dieses Leuchten ist deutlich länger, aber dafür viel schwächer. Dieser Übergang heißt Intersystem Crossing. Dies ist die Phosphoreszenz. Schau dir jetzt bestenfalls noch das eingefügte Jablonski-Diagramm an 😉
Aber was hat das denn jetzt alles mit Luftdruck und einer Farbe zu tun?
Das war ja nur die Vorbereitung, jetzt wird es erst richtig spannend.
Wenn du dir das Jablonski-Diagramm angeschaut hast, liest du zweimal neben den Wörtern Fluoreszenz und Phosphoreszenz „Quenching“. Dies ist die Lumineszenzauslöschung. Wenn Sauerstoff durch die Oberfläche zu den Luminophoren diffundiert, findet keine Lumineszenz statt. Dabei werden diese nicht zerstört, der Prozess ist also reversibel. Sobald der Quencher (hier der Sauerstoff) nicht mehr zu den Luminophoren gelangt, findet wieder Lumineszenz statt. Gleichzeitig solltest du wissen, dass bei erhöhtem Luftdruck auf eine Stelle des Modells hier auch der Sauerstoffgehalt steigt. Je höher also der Druck ist, desto höher ist die Sauerstoffkonzentration und desto höher die Lumineszenzauslöschung. Dies führt dazu, dass an dieser Stelle auch das Leuchten schwächer wird.
Interessant, aber wie misst man mit ihr?
Ich beziehe mich im Folgendem auf eine Messung mit einem Flugzeugflügel:
Die gesamte Messung findet in einem Windkanal statt, in diesen darf ausschließlich das beabsichtigte UV-Licht gelangen. In dem Windkanal ist das Modell des Flugzeugflügels befestigt. Es ist so befestigt, dass der Anstellwinkel verändert werden kann. Schließlich soll ja die gesamte aerodynamische Wirkung untersucht werden, also auch beim Start und bei der Landung. In dem Windkanal sind sogenannte CCD-Kameras angebracht, dies sind Kameras mit guter räumlicher Auflösung sowie hoher Lichtsensitivität. Mit diesen kann das schwache Fluoreszenzlicht optimal aufgenommen werden, um genaue Messergebnisse zu erlangen. Da nur das abgegebene Fluoreszenzlicht der Wellenlänge 425nm-600nm aufgenommen werden soll, ist vor der Kamera ein optischer Filter angebracht.
Bevor die drucksensitive Farbe mit einer Drucksprühpistole auf das Modell aufgetragen werden kann, müssen auf dieses zuerst eine weiße Isolierschicht und zwei weitere Kontaktschichten aufgetragen werden. Die Isolierschicht dient dazu, die Farbe unabhängig vom Material des Modells zu machen, die Kontaktschichten ermöglichen durch molekulare Wechselwirkungen das Haften der Farbe. Die Farbe selber besteht aus einer transparenten Polymerschicht (Binder), in welchem die Luminophoren eingeschlossen sind. Obwohl die Luminophoren in einer Polymerschicht eingeschlossen sind, funktioniert das Quenchen der Luminophoren, da der Sauerstoff leicht durch die Schicht hindurchdiffundieren kann. Diese Schicht ist nur 50 Mikrometer dünn, weshalb es Übung braucht, diese aufzutragen. Gleichzeitig muss sie überall gleichmäßig dünn aufgetragen sein, da sonst die Messergebnisse verfälscht würden. Auf die Farbe werden zum Schluss noch Positionsmarkierungen gesetzt, um die entstanden Bilder später zu kalibrieren. Nun kann die Messung starten!
Während der Messung sind mehrere Rechner im Einsatz. Das Datenerfassungs- und Auswertesystem (DEAS) steuert die Versuchsparameter im Windkanal. Dies sind Ruhedruck, Temperatur, Anstellwinkel, und Machzahl. Die Machzahl gibt das Verhältnis der Strömungsgeschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit wieder. Die Schallgeschwindigkeit hängt jedoch von der Temperatur ab und somit muss diese vorher errechnet werden. Ein zweiter Rechner steuert das Auslösen der Beleuchtungsquellen und die hochgenaue Erfassung der Bilder durch die CCD-Kamera. Die so erfassten Daten werden zuerst aufbereitet und an einen leistungsstarken Rechner weitergeleitet. Hier wird eine Kalibrierung der Daten, welche herkömmlich gemessen wurden, mit denen mit der drucksensitiven Farbe erfassten, durchgenommen. So kann zuerst ein zweidimensionales und später dreidimensionales Bild am Computer erstellt werden. Anhand dieser Bilder können Druckzustände und Verwirbelungen erkannt werden und beispielsweise Flugzeugflügel optimiert werden.
Wer hätte bloß gedacht, dass dies alles mit einer Farbe möglich ist? Oder, dass so eine Methode überhaupt schon existiert. Ich hatte es zuerst auch nicht für möglich gehalten und finde ihre Wirkungsweise hochspannend. Also, wenn du demnächst zufällig in ein Gespräch mit einem Technikmuffel verwickelt sein solltest, bringe diese Person ruhig zum Staunen mit deinem neu erworbenen Wissen 😉
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