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Wie man einen Planeten wiegt

von Daritz

Vor gut einem Jahr stellte ich mir die Frage, wie viel eigentlich die Sonnentrabanten wiegen und wie es möglich ist diese Massen zu bestimmen. Zu dieser Zeit war der Uranus nahe der Oppositionsstellung, also in einer Linie mit Erde und Sonne, darum entschied ich mich vorerst, mich auf den Gasriesen zu beschränken. Einen ersten Ansatz lieferte mir Archimedes: Nenn mir einen beliebigen Punkt und ich hebe die die Erde aus den Angeln!. Wieso also sollte dies mit dem Uranus nicht klappen? Durch das Hebelgesetz kann ich somit ganz einfach auf die Masse schließen! Leider hatte der Baumarkt nicht genug Holz für einen Hebel dieser Art. Ich musste mir also etwas anderes einfallen lassen…

Von Newton haben wir gelernt, dass die Bahn von Himmelskörpern um ein Gestirn, von der Masse ebendieses Zentralgestirns abhängt. Uranus hat einen ganzen Zoo von Monden, wenn man also die Bahnen dieser Monde misst, kann man auch auf die Masse des Uranus schließen. Um diesen Plan in die Tat umzusetzen waren zuerst Bilder nötig, Bilder die zeigen wie die Trabanten des Uranus diesen umkreisen. Zum Glück konnte ich als Teil der Astrogruppe meiner Schule, das schuleigene Teleskop für diese Beobachtung nutzen.

Das schuleigene Teleskop

Das schuleigene Teleskop

Natürlich wollte ich mir die Bewegung der Uranusmonde nicht durch visuelle Beobachtung merken, weshalb ich an 5 Nächten im Oktober Aufnahmen machte. Auf den mit sechs Sekunden belichteten Bildern sieht man Uranus und seine 4 größten Begleiter, Oberon, Titania, Umbriel und Ariel.

Uranus und seine Monde

Uranus und seine Monde

Nochmal nur größer!

Nochmal nur größer!

Aus diesen unscheinbaren Lichtpünktchen sollte ich nun etwas herauslesen. Um an die Quintessenz der Aufnahmen zu kommen, habe ich diese zuerst nach astronomischem Standard kalibriert. Dunkelbildabzug -klingt zwar kompliziert, ist es aber nicht- heißt die Methode um jegliches Licht, das nicht von den Sternen kommt, zu eliminieren. Dabei wird ein Bild mit geschlossenem Teleskopdeckel von den Lights, also den Aufnahmen des Planeten, abgezogen. Außerdem summierte ich die circa 20 Bilder jeweils einer Nacht um die gesamte Information nutzen zu können. Nun lagen mir fünf Bilder mit fünf unterschiedlichen Mondpositionen vor.

Mathe-du übernimmst!

Da sich aus den fünf Bildern die Bahnen der Gesteinsbrocken die Uranus umkreisen nicht allein zeigen, musste ich ein wenig nachhelfen. Um die Bahnen herauszufiltern, las ich zuerst die relative Pixelpositionen der Monde, in Abhängigkeit von Uranus, ab. Die Astronomiesoftware PixInsight half mir dabei sehr. Ich habe nur Oberon und Titania verwendet, da die anderen beiden Monde zu nah am Planeten gelegen waren und so das Ablesen nicht optimal funktioniert hat.

Ablesen der Pixelkoordinaten

Ablesen der Pixelkoordinaten

Diese Punkte trug ich nun in ein kartesisches Koordinatensystem ein. Durch die tolle Funktion der Geometrie Software GeoGebra gelang es mir eine Ellipse durch die fünf Punkte der fünf Nächte zu legen.

Ellipse von Oberon

Ellipse von Oberon

Eine wirklich stark exzentrische Ellipse. Sollte es sich nicht eigentlich um nahezu kreisförmige Bahnen handeln? Genau! Die Aufnahmen des Himmels sind zweidimensional, unser Universum ist jedoch dreidimensional, wir leben ja nicht im Flachland.:) Die Ellipse ist also nur eine Projektion der reellen Umlaufbahn, die nahezu kreisförmig ist. Jetzt gilt es, um die Bahnen richtig zu vermessen, die Ellipse zu deprojizieren! Dazu muss ich schwere Geschütze auffahren…Mathe! Mit ein wenig Vektorrechnung gelang die Deprojektion.

Deprojektion von Oberon

Deprojektion von Oberon

Fast Halbzeit! Die Umlaufzeit der Monde Oberon und Titania konnte ich ausrechnen, da ich wusste, wieviel Zeit zwischen 2 Beobachtungstagen vergangen ist.

Berechnete Zeiten im Vergleich mit dem Literaturwert

Berechnete Zeiten im Vergleich mit dem Literaturwert

Leider fehlt mir noch der Radius. Dieser liegt mir nur in Pixeln oder als Winkel unter dem diese Pixel erscheinen vor. Nicht erschrecken, den Winkel gibt mir die Kamera mit der die Aufnahmen gemacht worden sind, da diese nur einen gewissen Ausschnitt des Himmels abbildet. Um diesen Winkel in absolute Werte umzurechnen braucht man die Entfernung zum Gasriesen selbst.

Ein Planet im Rückwärtsgang

Um zu zeigen, wie ich den Radius der Mondbahnen ermittelt habe muss ich ein wenig ausholen. Die Bilder der fünf Nächte zeigen nicht nur die Bewegung der Uranustrabanten sondern auch eine Bewegung des Uranus selbst. Klar, der Planet bewegt sich ja um die Sonne….Falsch! Uranus bewegt sich so dermaßen langsam, dass es sich hier um die Erde handelt die am Uranus vorbeizieht. Der Gasriese bewegt sich also von der Erde aus gesehen rückwärts! Diese scheinbare Verschiebung wird auch Parallaxeneffekt genannt.

So bewegt sich Uranus durch den Raum!

So bewegt sich Uranus durch den Raum!

Damit konnte ich etwas anfangen! Wenn man nämlich weiß, wie stark dieser Parallaxeneffekt ist, kann man die Entfernung zum Objekt ermitteln. Mit dieser Entfernung war es mir nun möglich die Pixelwerte der Mondbahnradien in absolute Werte umzurechnen.

Vergleich der berechneten Radien mit den Literaturwerten

Vergleich der berechneten Radien mit den Literaturwerten

Endspurt!

Für eine kreisförmige Bewegung ist die sogenannte Zentripetalkraft nötig. Als Zentripetalkraft kommt bei Umlaufbahnen nur die Gravitationskraft infrage.

Veranschaulichung der Zentripetalkraft Quelle:https://de.wikipedia.org/ Urheber: Tobias Rütten Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.de

Veranschaulichung der Zentripetalkraft
Quelle:https://de.wikipedia.org/ Urheber: Tobias Rütten
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.de

Nun setzte ich also die Formeln der beiden Kräfte gleich, setzte die ermittelten Bahndaten in die Formel ein und formte auf die Masse des Zentralkörpers um! Et voilá:

Die Uranusmasse weicht mit Titanias Daten nur um 0,2% vom Literaturwert ab, bei Oberon nur um 1,7%

Die Uranusmasse weicht mit Titanias Daten nur um 0,2% vom Literaturwert ab, bei Oberon nur um 1,7%

Ich habe nun einen Gasriesen ohne eine herkömmliche Haushaltswaage gewogen! Wenn ihr das nächste mal eine Planetenmasse bei Wikipedia nachschlagen wollt, überlegt zweimal ob ihr sie nicht lieber selbst ermittelt.;)

Kommentare (22)

  1. #1 Crazee
    2. Oktober 2018

    Cool!

  2. #2 Mars
    2. Oktober 2018

    alle achtung, bürschchen (positiv belegter ausdruck) + (kleine selbstinfo schadet hier nicht)

    nicht nur der umgang mit dem teleskop, auch die passende software und das
    – kommt gleich ….- passende gehirn und die idee dazu!
    wirklich gut.
    wenn man bedenkt, dass die alten herren – so wie keppler – sich darüber auch gedanken machen mussten, und nicht immer auf die passende technik und formelsammlung zurückgreifen konnten, nein, schmälert es die o.g. leistung für mich nicht.

    spannend wäre gewesen, deine ermittelten werte und die der literatur (wer ist das genau?) am schluss zu präsentieren (+ Abweichung in %), ein extrabeifall wäre da sicher gewesen
    wirklich schön.

  3. #3 noch'n Stephan
    2. Oktober 2018

    Wow! Ganz stark! Sowohl vom Aufwand, den du betrieben hast, wie auch der Text. Wirklich toll.

    @Mars
    Da mir zum Nachmessen Teleskop und Fähigkeit fehlen, hab ich mal Daritz’ Werte mit der Angabe aus Wikipedia (jaja…ich weiß 🙂 )verglichen. Der Durchschnitt der beiden berechneten Massen hat eine Abweichung vom Wikipedia-Wert von 0,75%. Also von mir gibt’s den Extrabeifall

  4. #4 Jolly
    2. Oktober 2018

    “Die Uranusmasse weicht mit Titanias Daten nur um 0,2% vom Literaturwert ab, bei Oberon nur um 1,7%”
    (Bildunterschrift, letztes Bild)

  5. #5 Aginor
    2. Oktober 2018

    Ich gebe zu ich bin beeindruckt.
    Ich hätte so aus dem Stegreif nicht gewusst, wie man das rechnet.

    Nur ein paar mehr der beteiligten Formeln hätte ich noch gerne gesehen, also die mit denen man auf die Bahnen kommt, also die Deprojektion und das was GeoGebra macht um die Ellipse zu generieren, sowie den Weg wie man aus der Parallaxe auf die Entfernung kommt.
    Aber ansonsten wirklich nett gemacht, der Artikel. 🙂

    Gruß
    Aginor

  6. #6 Dampier
    2. Oktober 2018

    Ziemlich gut. Hat mir gefallen. Ein paar Sachen hätte ich gern noch genauer erklärt gehabt, vor allem die angewandte Mathematik hast du immer sehr kurz abgehandelt.

    Von Newton haben wir gelernt, dass die Bahn von Himmelskörpern um ein Gestirn, von der Masse ebendieses Zentralgestirns abhängt. Uranus hat einen ganzen Zoo von Monden, wenn man also die Bahnen dieser Monde misst, kann man auch auf die Masse des Uranus schließen.

    Als Nicht-Astronom und Mathe-Null würde mich da die genauere Herleitung interessieren. Welche Parameter müssen bekannt sein, damit man die Masse des Uranus errechnen kann? Müssten nicht zB. auch die Massen der Monde bekannt sein, oder reicht es, den Abstand & die Geschwindigkeit der Umlaufbahnen zu wissen? Die Massen der Monde hast du ja offenbar nicht selbst bestimmt, also aus der Literatur entnommen? Oder braucht man die gar nicht?

    Ne, aber klasse Artikel soweit & schön geschrieben.

    PS. Was ist das für eine Bergkette auf dem Foto??

  7. #7 Mars
    2. Oktober 2018

    @Dampier

    die frage nach der bergkette ist gut
    dann kannst du seinen standort aus dem foto triangulieren und herausbekommen auf welcher schule er ist … oder so ähnlich

    ja, ein paar mathesachen bleiben verborgen.

  8. #8 Sven
    2. Oktober 2018

    Ich kann mich den anderen nur anschließen. Wirklich sehr schön.

    Mich hätte noch eine Fehlerrechnung interessiert. Dann könnte man sagen, ob die erstaunlich geringe Abweichung vom Literaturwert “echt” ist oder nur Glück. (Und die 11 geltenden Stellen beim Bahnradius von Titania findet man als Physiker nicht ganz so toll.)

    @Dampier:
    Wenn man davon ausgeht, dass die Masse des Planeten sehr viel größer ist als die des Mondes, dann spielt die Masse des Mondes keine Rolle. Die kürzt sich in der Bewegungsgleichung raus, weil ohne Reibung und sonstige Kräfte alle Körper unabhängig von ihrer Masse gleich schnell fallen.

    @Mars:
    Oder man macht es andersherum. Über die Rückwärtssuche von Google Images kann man die Schule finden, und damit dann vermutlich auch die Bergkette.

  9. #9 Karl Mistelberger
    2. Oktober 2018

    > #6 Dampier, 2. Oktober 2018
    >> Von Newton haben wir gelernt, dass die Bahn von Himmelskörpern um ein Gestirn, von der Masse ebendieses Zentralgestirns abhängt. Uranus hat einen ganzen Zoo von Monden, wenn man also die Bahnen dieser Monde misst, kann man auch auf die Masse des Uranus schließen.

    > Als Nicht-Astronom und Mathe-Null würde mich da die genauere Herleitung interessieren.

    Vor Newton lebte Kepler, das 3. Gesetz fand er hier:

    Kepler’s House in Linz: apod.nasa.gov/apod/ap180515.html

    https://pawn.physik.uni-wuerzburg.de/video/Vorlesung1/Kapitel3/grav.htm

    https://de.wikipedia.org/wiki/Galaktisches_Zentrum#Zentrales_Schwarzes_Loch

  10. #10 Mars
    2. Oktober 2018

    @Sven
    der tipp für @Dampier – als selbsgenannte mathenull –
    war natürlich mit einem dicken grinsen 😉
    … ich denke er versteht das

  11. #11 Dampier
    2. Oktober 2018

    @Karl Mistelberger, natürlich kann ich mir das irgendwo anlesen. Ich hätte es halt gut gefunden, wenn das im Artikel noch kurz behandelt worden wäre.

  12. #12 Dampier
    2. Oktober 2018

    @Mars
    Yep : ]
    Triangulation ist übrigens eine der wenigen Sachen, die ich damals im Matheunterricht verstanden habe. Vielleicht weil wir tatsächlich die Höhe des Blitzableiters auf dem Schulgebäude selbst bestimmt haben. Das hat mich fasziniert und so habe ich es mir merken können.

    @Sven
    Danke für die Erklärung. Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden.

  13. #13 tomtoo
    2. Oktober 2018

    Alter Falter, wenn das ein Astronomie Projekt war und du nicht der Lehrer, dann aber mal gewaltig Hut ab.

  14. #14 rolak
    2. Oktober 2018

    Was ist das für eine Bergkette?

    Blöde Frage, Dampier: die hinter dem Schulteleskop selbstverständlich.

    Sehr schöner Text, Krakelzettel gibt nen Bonus.

  15. #15 Karl Mistelberger
    2. Oktober 2018

    > #11 Dampier, 2. Oktober 2018
    > natürlich kann ich mir das irgendwo anlesen.

    Irgendwo anlesen geht nicht. Zuerst kommt die Suche, die ich den Lesern ersparen wollte.

    > Ich hätte es halt gut gefunden, wenn das im Artikel noch kurz behandelt worden wäre.

    Der Artikel taugt in seiner Form überhaupt nichts.

  16. #16 Daritz
    2. Oktober 2018

    Danke für die positiven Rückmeldungen!
    Die Berge im Hintergrund gehören zu den Südtiroler Alpen im Pustertal. Wer einen mathematisch ausführlicheren Projektbericht lesen möchte kann das auf dem Blog der Schulastrogruppe machen. Es gibt natürlich auch noch andere interessante Artikel auf dieser Seite;)
    astrocusanus.blogspot.com
    Liebe grüße

  17. #17 Bjoern
    3. Oktober 2018

    Auch von mir erst mal Beifall! 🙂
    (Die Formeln hätte ich zwar gewusst, aber ich könnte nicht so gut mit einem Teleskop umgehen, dass ich die Daten dafür hätte ermitteln können…)

    Eine naheliegende weiterführende Frage hätte ich noch: Wie bekommt man denn die Massen der Monde heraus? (Um die kreist ja im Allgemeinen nichts, sodass man da nicht dieselbe Methode anwenden kann.)

  18. #18 Alderamin
    3. Oktober 2018

    Wirklich großartige Arbeit. Der Artikel, den ich immer schon mal schreiben wollte (oder so was in der Art).

    Da ich auch schon mal Planeten aufgenommen habe und weiß, wie kompliziert der Umgang mit der ganzen Technik ist, doppelt Daumen hoch!

  19. #19 Reno M
    4. Oktober 2018

    Prima Artikel 🙂

  20. #20 Karl Mistelberger
    6. Oktober 2018

    > #16 Daritz, 2. Oktober 2018
    > Danke für die positiven Rückmeldungen! Die Berge im Hintergrund gehören zu den Südtiroler Alpen im Pustertal. Wer einen mathematisch ausführlicheren Projektbericht lesen möchte kann das auf dem Blog der Schulastrogruppe machen.

    1. Was ist der aktuelle Kenntnisstand? Der Vorbeiflug von Voyager 2: https://adsabs.harvard.edu/cgi-bin/bib_query?1992AJ….103.2068J

    Improved values for the masses of the Uranian system and the satellites Ariel, Umbriel, Titania, Oberon, and Miranda are obtained on the basis of an analysis of the Doppler-tracking data and star-satellite imaging from the Voyager 2 spacecraft combined with earth-based astrometric satellite observations.

    2. Unsicherheiten? https://www3.physik.uni-stuttgart.de/studium/praktika/ap/pdf_dateien/Allgemeines/Messunsicherheiten.pdf

    Warum ist ein Messergebnis ohne Angabe einer Messunsicherheit nicht aussagekräftig? Erläutern Sie dies am Beispiel Ihrer Körpergröße!

  21. #21 Karl Mistelberger
    6. Oktober 2018

    Funktionierender Link zu Uranus: https://doi.org/10.1086/116211

  22. […] am 02.10.2018: Link zum Artikel […]