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Here comes the sun(screen)
von Sarah Reim
Ich studiere Chemie, interessiere mich aber auch für eine Vielzahl anderer Dinge und freue mich über kleine und große Aha-Momente. Ich mag Seifenstücke, vieles, was grün ist, Holzfußböden und Wasser in allen Variationen.
Jeden Sommer hören wir Warnungen vor Hautkrebs und werden erinnert, uns doch bitte ausreichend mit Sonnencreme einzucremen. Aber wie funktioniert das eigentlich mit dem Lichtschutzfaktor, welche Strahlen führen zu Sonnenbrand und was haben diese Nanopartikel da schon wieder zu suchen?
Sonnencreme gibt es in unzähligen Varianten: von Lichtschutzfaktor 6 bis 50+, von 99 Cent bis 30 Euro, von extra wasserfest bis exotisch parfümiert ist für jeden etwas dabei. Grundsätzlich sind die meisten Inhaltstoffe identisch mit denen von Haut- und Körpercremes; die Zusammensetzung von Wasser- und Fettphase, Emulgatoren und Zusatzstoffen bestimmt unter anderem, wie schnell eine Creme einzieht und ob die Haut beispielsweise mit zusätzlicher Feuchtigkeit versorgt wird. Ausschlaggebend für eine Sonnencreme ist aber die meist groß aufgedruckte Zahl, die die Höhe des Sonnenschutzes angibt, die UVB/UVA-Bilanz und welche Stoffe enthalten sind, um das zu erreichen. Aber der Reihe nach…
Lichtschutzfaktor – viel hilft viel
Der Lichtschutzfaktor (LSF) ist wohl für die meisten Menschen das erste Kriterium beim Kauf einer Sonnencreme. Je höher die Zahl, desto höher der Schutz – logisch. Etwas genauer: der LSF gibt den Faktor an, mit dem die Eigenschutzzeit multipliziert werden kann, wenn ausreichend Sonnencreme aufgetragen wird. Wenn jemand also ziemlich sonnenempfindliche Haut hat und nach nur 10 Minuten einen Sonnenbrand bekommt, sich aber dick mit einer Creme mit LSF 30 eincremt, werden daraus schon 300 Minuten, also ganze 5 Stunden. Dabei gibt es allerdings ein paar Probleme: konstante Strahlung wie die im Labor wird man draußen über mehrere Stunden nirgends finden, nach 5 Stunden wird, wenn man sich auch nur ein bisschen bewegt oder schwitzt, nicht mehr allzu viel der Creme auf der Haut sein. Zudem wird bei den Tests zur Bestimmung des LSF die Sonnencreme meist deutlich dicker aufgetragen als wir es im Alltag tun.
Um auf den angegebenen Faktor zu kommen, müsste man nämlich 2 mg Creme pro Quadratzentimeter Haut verteilen, das entspricht allein für das Gesicht durchschnittlich etwa der Menge, die auf einen Teelöffel passt. Studien haben ergeben, dass die meisten Menschen jedoch gerade mal die Hälfte dessen benutzen und somit ihre Haut deutlich mehr Strahlung aussetzen als beabsichtigt. Bei Studien mit realistischeren Mengen an Creme hatte die Hautbeschaffenheit der Teilnehmer_innen einen so großen Einfluss, dass die Ergebnisse nicht mehr aussagekräftig waren. Ab Lichtschutzfaktor 30 können die Testergebnisse aufgrund der langen Expositionszeiten prinzipiell nur noch angenähert werden (wer möchte schon 10 h am Stück in einem Labor mit künstlichem Sonnenlicht bestrahlt werden…).
Also: viel Creme oder entsprechend höhere Lichtschutzfaktoren benutzen, häufig nachcremen und nicht zu sehr darauf verlassen, was auf der Packung steht. „Wasserdicht“ bedeutet übrigens auch nur, dass nach 40 Minuten im Wasser noch 50% der aufgetragenen Menge auf der Haut sein müssen.
Alles lila oder was?
Der Lichtschutzfaktor gibt an, wie gut die Haut vor Sonnenbrand geschützt wird. Immer häufiger findet man aber zusätzlich noch weitere Angaben wie „Breitbandfilter“ oder entsprechende Symbole.
Die von der Sonne abgegebenen Strahlen lassen sich je nach Wellenlänge in verschiedene Kategorien einteilen; wichtig für uns sind im Kontext von Sonnenbrand und -creme die sogenannten UV-Strahlen. UV steht für ultraviolett, also Licht, welches sich am Rand des für uns lila wirkenden Lichts befindet:
Diese Strahlung lässt sich wiederum in drei Unterkategorien aufteilen: UVA, UVB und UVC-Strahlung. Die UVC-Strahlung wird weitestgehend von der Ozonschicht gefiltert, sodass sie für uns keine Gefahr darstellt. Auch die anderen beiden Strahlungsarten werden zu einem Teil bereits dort abgeschwächt (unter anderem deshalb ist es wichtig der Vergrößerung des Ozonlochs entgegenzuwirken!), kommen aber auch bei uns und damit auf unserer Haut an.
Bis vor ein paar Jahren war die UVB-Strahlung die einzige, die für wirklich schädlich gehalten wurde. Die Mehrzahl der Sonnencremes hatte lediglich einen UVB-Filter und tatsächlich macht sie den Teil der Strahlung aus, der zu Sonnenbrand führt. Sie ist aber auch für den Anstoß der Vitamin-D3-Synthese zuständig und spielt damit eine wichtige Rolle für unsere Knochenstabilität.
Die UVA-Strahlung kann dank ihrer längeren Wellenlänge in tiefere Hautschichten vordringen. Dort regt sie die Melaninproduktion an, was zur Bräunung der Haut führt. Dieses Prinzip nutzen übrigens Solarien: die Kund_innen werden mit UV-Licht bestrahlt, welches im Vergleich zum Sonnenlicht mehr UVA-Strahlung enthält und werden so schneller braun als das bei gleicher Strahlungsleistung und einer der Sonne entsprechenden Verteilung der Fall wäre.
Die so entstandene „Sofortbräune“ hält allerdings nur wenige Tage und führt auch nicht zu der durch UVB-Strahlung erreichbaren „Lichtschwiele“, einer Verdickung der Oberhaut, die zu einem zusätzlichen Sonnenschutz der Haut führt. „Vorbräunen“ im Solarium, um Sonnenbrand im Urlaub entgegen zu wirken, funktioniert also nicht.
UVA-Strahlung ist außerdem für die mit viel Sonneneinwirkung verbundene vorzeitige Hautalterung verantwortlich und kann Sonnenallergien (z.B. Mallorca-Akne) hervorrufen. Auch ohne Sonnenbrandrisiko ist sie also nicht zu vernachlässigen.
Das Hautkrebsrisiko wird übrigens durch beide Strahlungsarten erhöht. Die Annahme, das sei lediglich bei UVB-Strahlung der Fall, ist überholt. Es wirken jedoch unterschiedliche Mechanismen, welche zu unterschiedlichen Mutationen und Krebsarten führen können.
Chemisch vs. physikalisch // organisch vs. anorganisch
Im Allgemeinen kann man Sonnencreme in zwei Kategorien einteilen: solche mit chemisch lichtschützenden Komponenten und solche mit physikalischem Lichtschutz.
Diese Einteilung beruht auf den Mechanismen, mit denen die ultravioletten Strahlen unschädlich gemacht werden.
Bei der chemischen Variante wird die Strahlung in Wärmeenergie umgewandelt. Die dabei zum Einsatz kommenden Moleküle besitzen einen ein sogenanntes „aromatisches System“. Diese Art von Verbindungskombinationen absorbiert Strahlen im UV-Bereich und zwar verschiedener Wellenlängenbereiche, je nachdem, wie der Rest des Moleküls aussieht.
Der Vorteil daran ist, dass es sowohl Moleküle gibt, die UVA-Strahlen abfangen als auch solche, die von UVB-Strahlen angeregt werden, und sogar ein paar, die das gesamte UV-Spektrum abdecken. Mit der richtigen Auswahl oder Mischung kann also ein sehr umfassender Sonnenschutz erzielt werden.
Ein weiterer Vorteil liegt in der guten Handhabbarkeit. Cremes mit chemischen Filtern hinterlassen im Allgemeinen keinen weißen Film auf der Haut, ziehen schnell ein und lassen sich als Lotion, Creme oder Spray herstellen.
Ein paar gravierende Nachteile gibt es aber auch: die Moleküle können durch die Haut vom Körper aufgenommen werden und stehen im Verdacht hormonelle Änderungen hervorzurufen. Insbesondere Octocrilen wird von vielen Wissenschaftler_innen inzwischen kritisch gesehen, da es durch die Haut aufgenommen und sogar in Muttermilch nachgewiesen werden kann. Dennoch ist gerade dieser Stoff noch in sehr vielen Sonnencremes enthalten, da er einen guten Breitbandschutz liefert. Sonnencremes ohne Octocrilen sind oft extra gekennzeichnet und finden sich vor allem unter Naturkosmetika.
Auf chemische Sonnenschutzfilter reagiert empfindliche Haut zudem manchmal mit allergieartigen Reaktionen. Besonders bei Kindersonnencreme wird deshalb zunehmend versucht, auf chemische Filter zu verzichten.
Bei den beachtlichen Mengen Sonnencreme, die täglich im Meer landen, ist auch die nachgewiesene Schädlichkeit für Wasserorganismen ein Problem, welches immer mehr Aufmerksamkeit erfordert. Die Effekte sind so stark, dass Hawaii 2017 bestimmte organische Sonnenschutzmittel verboten hat.
Physikalische Filter arbeiten nach einem anderen Prinzip: die UV-Strahlen werden nicht aufgenommen, sondern von Partikeln in der Sonnencreme reflektiert und gelangen gar nicht erst in die Haut. Dabei werden mineralische Pigmente eingesetzt, die wie kleine Spiegel wirken – soweit die Theorie. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass auch diese Stoffe einen Großteil der Energie aufnehmen und in Wärme umwandeln. Deshalb wäre es eigentlich korrekt, von anorganischen/mineralischen Filtern zu sprechen und die anderen entsprechend als organisch zu bezeichnen – denn chemisch sind sie im Grunde alle und die Schutzmechanismen überschneiden sich.
Die am mit Abstand häufigsten eingesetzten Mineralien sind kleine Partikel Titandioxid und Zinkoxid. Beide sind weiß, werden unter anderem in Wandfarbe eingesetzt und sind auch für die weiße Farbe von Sonnencreme verantwortlich. Um den weißen Film und eine pastenartige Konsistenz zu verhindern, werden immer kleinere Partikel verwendet, denn dadurch erhöht sich die relative Oberfläche und es werden insgesamt weniger Mineralien gebraucht, sodass die Schicht für das menschliche Auge nicht mehr sichtbar ist.
Wenn die einzelnen Teilchen kleiner als 100 Nanometer sind, spricht man von Nanomaterialien. Diese Materialien haben aufgrund ihrer geringen Größe physikalische und chemische Eigenschaften, die sich von größeren Partikeln desselben Materials unterscheiden. Hier sind das vor allem Löslichkeit (wobei sie sich strenggenommen nicht auflösen, sondern nur dispergieren) und die größere Oberfläche, die zu höheren Lichtschutzfaktoren führen.
Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen können weder Zinkoxid- noch Titaniumdioxid-Nanopartikel durch die Haut aufgenommen werden. Es besteht deshalb für uns als Verbraucher erstmal keine Gefahr durch den Zusatz von Nanopartikeln. Die Studien, die immer wieder herangezogen werden, um das Gegenteil zu beweisen, beziehen sich auf direkt in die Blutbahn injiziertes Titandioxid, bzw. solches, das als Staub eingeatmet werden kann. Beide Szenarien sind recht weit von der Anwendung in Sonnencreme entfernt. Trotzdem sollte man darauf achten, dass man die Creme nicht unbedingt auf offene Wunden aufträgt…
Take-away messages für die, die schnell an den Strand wollen
- Sowohl UVA- als auch UVB- Strahlen sind schädlich. Weder Solarien, noch Sonnencremes, die keinen ausreichenden UVA-Schutz (UVB/UVA sollte mindestens 3 sein) besitzen, sind eine gute Idee
- Um einen hohen Breitbandschutz zu bekommen, ist im Moment noch eine Mischung aus organischen und anorganischen Filtern die Methode der Wahl. Bestimmte organische Filter bergen Risiken, eventuell für den menschlichen Körper, sicher aber für die Umwelt. Octocrilen im Speziellen sollte vielleicht besser vermieden werden.
- Die umweltfreundlichere Variante sind mineralische Filter (vor allem Titandioxid als UVB – und Zinkoxid als UVA-Filter), die jedoch, wenn sie nicht in Nanoform vorliegen, oft nicht so praktisch sind. Als Nanopartikel bringen sie das Risiko mit, was im Moment noch auf die meisten Nanopartikel zutrifft: die Technologie steckt noch in ihren Kinderschuhen und Langzeiteffekte auf verschiedene Systeme sind schlicht noch nicht ausreichend untersucht. Nach aktueller Studienlage stellen sie aber als Cremezusatz kein Risiko dar.
- Der risikoärmste Sonnenschutz ist immer noch Kleidung. Auch wenn die meisten T-Shirts (abgesehen von speziell mit UV-Schutz ausgestatteten) gerade mal LSF 15 haben, bleibt dieser doch zumindest bestehen und schadet nicht. Wer es vermeiden möchte, sich ständig mit Sonnencreme einzuschmieren und sich Gedanken darüber zu machen, was da gerade eigentlich alles passiert, könnte also auch einfach die sonnenbestrahlte Fläche ein wenig minimieren.
Here comes the sun, and I say “It’s all right!”
Studien und sonstige Links, für alle, die noch mehr lesen wollen, oder einfach gern wissenschaftliche Quellen für Aussagen haben
- Studie, dass Sonnenschutz das Krebsrisiko senkt (Hurra)
- Ausführlicher Artikel der Pharmazeutischen Zeitung zu LSF, Probleme bei der Messung hoher LSF, Auswirkungen von UVA-Strahlung…
- Studie zur Auftragungsdicke von Sonnencreme
- Studie zum Krebspotential von UVA-Strahlen
- Artikel zu Strahlungsarten und verschiedenen Filtermethoden
- Studie zur Funktionsweise von „physikalischen“ Filtern
- Artikel zu Sonnenstrahlung vs. Solarium
- Literaturstudie zur Sicherheit von Nanopartikeln
- Studie zum Nachweis von Sonnencremeinhaltstoffen im Meer
- Artikel zur Schädlichkeit von chemischen Filtern auf Korallenriffe
…und noch eine Studie dazu - Artikel zum Verbot bestimmter Sonnencremes auf Hawaii
- Studie zu allergischen Reaktionen auf Octocrilen
- Studie zu (Un)schädlichkeit verschiedener mineralischer und chemischer Lichtschutzfilter
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