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Die vierte Kraft
von Timon Dörnfeld
Ich bin Physik-Masterstudent, schreibe neben dem Studium Kurzgeschichten, fotografiere und mache Kung Fu.
Warum ist es so kompliziert Gravitation und Quantenmechanik in einer übergeordneten Theorie zusammenzufassen?
Warum ist Gravitation so speziell? Diese Kurzgeschichte wird diese Fragen nicht beantworten und auch der
Protagonist wird am Ende merken, dass es in der Forschung nicht immer um die Wissenserkenntnis an sich geht.
Forschung kann nie losgelöst von den Menschen und deren Sicht auf die Dinge betrieben werden, die von ihr beeinflusst werden.
Führt ein theoretisches Modell nicht zur Lösung eines Problems, dann muss das Modell überholt werden, das gilt nicht nur für die
Wissenschaft.
Bishop saß auf der Terrasse seiner Zweizimmerwohnung im späten Nachmittagslicht eines sonnigen Tages im April. Sein Blick
wanderte von seinem Block, von dem jede Seite überfüllt war mit Gleichungen, durchgestrichenen oder korrigierte Passagen
und Post-its an Stellen, wo ihm im Nachhinein etwas Weiteres in den Sinn gekommen war, zum Laptopbildschirm, auf dem Tabellen
und Graphen geplottet waren. Bishop kritzelte eine Zusammenfassung der letzten vier Stunden auf ein Blatt das er irgendwo an
die geeignete Stelle der Chronologie seiner Ausarbeitung, die ihm Kopfzerbrechen darüber bereitet wohin sie führen würde,
einsortieren wollte.
Die Tintenspur des Stiftes verblasste über die nächsten Worte. Bishop betrachtete die Miene und malte wirre Schlangenlinien
am Blattrand, doch die Mienenspitze hinterließ nur eine eingedrückte Furche auf dem Papier. Bishop sah sich nach einem anderen
Stift auf dem Tisch um, vergebens. Er ließ den Kugelschreiber auf den Unterlagen liegen und ging in die Wohnung, um nach Ersatz
zu suchen. In der Küche würde bestimmt irgendwo ein Stift herumliegen. Als er sie betrat fiel sein Blick auf die Kaffeemaschine,
unter der noch immer eine halb volle Tasse stand. Bishop erinnerte sich, wie er am Morgen bereits von der Arbeit ergriffen nur
knapp gefrühstückt hatte. Er sah genauer in die Tasse, zog eine Augenbraue skeptisch hoch und verwarf den Gedanken, wenigstens
einmal zu probieren‘ gleich wieder. Er stellte die Tasse einfach nur zur Seite und nahm sich eine neue aus dem Schrank, stellte
sie unter die Maschine und drückte auf den Knopf für einen großen Kaffee. Während das Programm startete, hing Bishop weiter
seinen Gedanken nach, die sich um seine Arbeit an dieser Theorie drehten. Er kam nicht weit, als er von der Maschine vor ihm
unterbrochen wurde, als diese ihm durch die Digitalschrift auf dem kleinen Bildschirm mitteilte, dass der Bohnenbehälter leer
sei. Er öffnete mit etwas Unmut den Deckel des Behälters und bemerkte, dass dem wirklich so war. Bishop musste drei Schränke
durchstöbern, bis er die goldene Verpackung fand und die Maschine auffüllen konnte. Er begutachtete die noch übrig gebliebene
Menge an Bohnen, die sich noch in der Packung befand und stellte sie einfach auf die Fensterbank über der Kaffeemaschine.
Würde wohl nicht lange dauern, bis er den Rest einfach auffüllen würde. Er starrte aus dem Fenster ins Leere und lauschte dem
Klacken und Rauschen der Maschine.
Bishops Wohnung lag am Fuß des Tafelbergs über Kapstadt. Vereinzelt griff ein Auto oder eine Straßenbahn weiter unten in der
Stadt nach seiner Aufmerksamkeit, auch wenn es eher ein Reflex war, die plötzlich Bewegung zu beobachten, die in sein Sichtfeld
einfiel. Das monotone Geräusch des Aufbrühens des Kaffees lenkte Bishop von seinen Unterlagen ab und ließ seine Gedanken in
einem größeren Radius um die Thematik seiner Ausarbeitung kreisen.
Die Arbeit der letzten Wochen begann mit dem Projekt seiner Kollegen und ihm am CERN in Genf. Nach einigen schwerwiegenden
Problemen am Large Hadron Collider war die Anlage vor drei Monaten wieder für experimentelle Teilchenkollisionen brauchbar
gewesen. Durch Bishops Arbeit über das Higgs-Feld, war er in die internationale Arbeitsgruppe um das Higgs-Boson am LHC
gekommen. Monate lang waren hochenergetische Teilchen-Events im Teilchendetektor verursacht worden sowie Messdaten gesammelt
und ausgewertet worden. Um einen experimentellen Beweis auf das Higgs-Boson zu finden musste eine ganz bestimmte Zerfallskette
von bekannten Teilchen gefunden werden, die die Theorie bestätigen sollte, dass am Anfang dieser Kette das Higgs-Boson gestanden
hatte. Durch bereits zuvorige Teilchenkollisionen und per Ausschlußprinzip der Theorie selbst, konnte ein wenig MeV großer
Energiebereich eingegrenzt werden, in dem sich das god-damned-particle befinden müsste, falls es denn existierte. Nun wurde
es möglich diesen sehr schwer einsehbaren Energiebereich noch genauer zu betrachten, und so waren die Versuche weitergeführt
worden, mit der Hoffnung endlich ein eindeutiges Ergebnis zu herhalten. Egal wie dieses Ergebnis aussehen würde, also ob das
Higgs-Boson in diesem Bereich gefunden wird oder nicht, würde dies enorme Auswirkungen auf das Standardmodell der Teilchenphysik
haben. Entweder wird das Modell um ein weiteres Teilchen bereichert und vervollständigt, oder das Standardmodell muss verworfen
und eine bessere Theorie entwickelt werden.
Bishop persönlich fand die Vorstellung das Modell zumindest vorläufig zu vervollständigen – wer wisse schon, was sich
möglicherweise noch aus der Existenz des Bosons ergeben würde? – recht attraktiv. Es würde eine abgeschlossene Schönheit zeigen,
dass es bei diesem Modell um eine reelle Beschreibung der Natur handeln würde. Diese Symbolkraft beeindruckte Bishop seit jeher.
Nach Millionen von Teilchenkollisionen und deren Auswertung hatte man letztlich das Higgs-Boson gefunden und als reales
Elementarteilchen dem Standardmodell hinzugefügt. Die Euphorie der Wissenschaftsgemeinschaft näherte sich damals beinahe
der Hysterie, wie er fand. Die Weltöffentlichkeit wurde mehrere Wochen über den historischen Fund unterrichtet und die Medien
umrissen und diskutierten die Neuigkeit mitsamt einem umfassenden Resumes der Entstehung des LHC bis zum Fund des Higgs-Bosons.
Unbeachtet der medialen Öffentlichkeit und der meisten Wissenschaftler der Arbeitsgruppen dieses Projekts fiel Bishop in einigen
Event-Daten eine geringfügige Anomalie auf, die außerhalb der Energiebereiche lag, aber dennoch scheinbar systematisch in den
Messungen vorzufinden war. Im kleinen Kreis sprach er diesen minimalen Ausschlag an. Es gab jedoch keine Erklärung für diese
Fluktuationen der Messwerte. Da diese sich aber nachgewiesener Maßen nicht auf den Fund des Teilchens auswirkte, wurden Bishops
Fragen lediglich mit einem müden Lächeln auf die Zukunft verwiesen, man würde schon noch zeigen können, was sie waren und wo sie
herkamen, aber nicht mehr heute. Als Bishop eine Woche später nach Kapstadt zurückflog, hatten ihn die Fluktuationen noch immer
nicht losgelassen. Das Bestreben zu wissen, was diese regelmäßigen, nahezu unsichtbaren Erhebungen bei der Betrachtung dieser
speziellen Energiewerte an anderer Stelle hervorrief, ließ ihm keine Ruhe.
Bishops nächste Wochen waren geprägt von stundenlangen Studieren der Event-Messwerte und dem Versuch diese in
Einklang mit den gegebenen Bedingungen zu bringen. Über die Zeit des Arbeitens entwickelte sich in Bishop langsam eine Theorie
um diese Abweichungen erklären zu können. Je näher er dem aktuellen Punkt seiner Theorie kam, verschwammen die Gleichungen und
sein Verständnis von dem Folgenden wurde unschärfer je weiter er sich vorantastete. Bishop fand Widersprüche, verfolgte diese,
geriet dabei in Sackgassen, verwarf jene Ansätze, verfolgte dann andere Wege, die nicht vielversprechender waren und musste auch
diese wieder verwerfen. Bishop entwickelte ein Labyrinth, dessen Bauplan ihm immer weiter zu entgleiten begann, je weiter er
sich fortbewegte. Er war im Begriff seine eigenen Gedankengänge nicht mehr verstehen zu können. Die Auswirkungen, die sich aus
den Fluktuationen heraus ergaben und die unabstreitbar aus den Messwerten hervorgingen, schienen jedoch fundamentalen Sätzen
der modernen Physik zu widersprechen.
So wie Bishop nun am Fenster stand und seinen Blick über die Stadt schweifen ließ, wusste er nicht was er mit diesem Scheitern
anfangen sollte, welches sich so offensichtlich seiner Arbeit aufdrängte.
Als er zwei Vögel, sich umkreisend steil in den Himmel empor stiegen sah, ergriff ihn plötzlich eine Enttäuschung, wie er sie
noch nie seit seiner wissenschaftlichen Karriere, angefangen als Student an der Universität, erlebt hatte. Sein erstes großes
Scheitern. Aber was sollte er schon ändern können, die Natur ist so wie sie ist.
„Einstein hatte wohl recht, als er meinte, dass falls Gott die Welt geschaffen haben sollte, seine Sorge nicht war sie so zu
gestalten, dass wir sie verstehen können“, flüsterte Bishop seinem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu.
Er sah hinab auf seinen Kaffee, wie die letzten Tropfen aus der Maschine in die Tasse tropften und griff nach der heißen Tasse.
Auch wenn er jeden Morgen mindestens zwei Tassen trank, bemerkte er an dieser Tasse Kaffee wie sehr er die letzten Wochen nicht
auf den Geschmack, sondern auf seine Wirkung geachtet hatte. Er behielt den Schluck einen Moment im Mund und genoss das Aroma
der gerösteten Bohnen. Schade eigentlich, dass er es so ausgeblendet hatte, weil er seinen gesamten Alltag diesem Problem
gewidmet hatte. In diesem Moment schloss ein Teil von Bishop mit der Sache, die draußen auf der Terrasse auf seinem Tisch lag
ab und blickte auf die Bergkette im Osten, an der noch die Strahlen der untergehenden Sonne hingen. Nachher könnte er das gute
Wetter nutzen und wieder einmal seinen Zehnkilometerkurs laufen oder sich auf sein Rennrad setzen. Beim Sport würde er den Kopf
frei genug bekommen, dass er die Nacht mal wieder durchschlafen könnte. Das Problem, schlecht zu Schlafen, würde sich vermutlich
spätestens morgen aufgelöst haben.
Trotz seiner Enttäuschung würde Bishop seine Arbeit für den restlichen Tag ruhen lassen. „Probleme kann man niemals durch
dieselbe Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind…“ Bei dem Gedanken hielt Bishop im Trinken inne. „Was also, wenn ich
alles andere außer acht lasse und einmal anfange zu spinnen?“ Bishop konstruierte seine Theorie im Kopf noch einmal von Anfang
bis zum Punkt an dem er stand. Während er von einer Formel zur anderen sprang und seine Ansätze aneinanderfügte, formte sich in
ihm eine widerspruchsfrei Idee. Die Messdaten und Gedanken von mehreren Wochen konzentrierten sich zu der Idee, dass Masse,
welche aus Higgs folgen sollte, letztlich ebensowenig in der Natur zu finden sei. Dass das was wir als alltäglich halten gar
nicht existiert, und das Gravitation als fundamentale Kraft eine Illusion sei.
„Lustig, für sich selbst gesehen passt da alles zusammen,“ dachte Bishop als er den Bleistift aus einem Kochbuch zog und aus
der Küche ging. Er wollte abschließend wenigstens dieses Ergebnis unter alle Unterlagen und Notizen schreiben, um einen
Schlussstrich zu ziehen.
Auf die Terrasse tretend leerte er mit in den Nacken gelegten Kopf seine Tasse. Als er den Kopf senkte um die Tasse auf die
Tischplatte zu stellen, stach ihn etwas ins Auge. Bishop zuckte erschrocken zusammen, ließ die Tasse fallen und wischte sich
hektisch mit der Hand durchs Auge um die Wespe wegzufegen.
Doch da war keine Wespe. Ein Wespenstich fühlte sich auch gänzlich anders an als das eben. Er blinzelte prüfend, doch sein
Auge schmerzte bereits gar nicht mehr. Sich aufrichtend sah er was ihn da eben gestochen hatte, doch konnte er nicht verstehen,
wie es zu dem Stich gekommen war, jetzt wo er seine Ursache direkt vor sich sah.
Auf Kopfhöhe vor ihm rotierte der leere Kugelschreiber, den Bishop vorhin auf den Tisch gelegt hatte, schwerelos von ihm weg.
Um sich selbst drehend trudelte der Stift über das Geländer hinweg, überquerte die unter ihm liegende Straße auf Höhe des
Zweiten Stocks und stieß auf der anderen Straßenseite gegen das Hausdach und wurde gen Himmel abgelenkt. Bishop stand wie
angewurzelt auf der Stelle und starrte dem Stift hinterher, als seine Tasse in sein Blickfeld schwebte. Er sah ihr nach,
kurz bevor sie seiner Reichweite entglitt, griff er nach ihr. In Bishops Kopf überschlugen sich die Gedanken, wiederholten
sich und versuchten dieses Geschehen einzuordnen. Er stellte die Tasse auf dem Tisch ab und beugte sich über seine Unterlagen.
Die letzte noch unvollständige Niederschrift beendete er mit einem Strich. Seine Gedanken kreuzten sich und überschlugen sich,
als seine Hände anfingen zu zittern. Mit schwachem Griff um den Stift schaffte er nur noch das Wort Gravitation zu schreiben
und es symbolisch durchzustreichen. Bishop trat eine Schritt vom Tisch zurück. Er blickte auf das Blatt in seiner Hand und ließ,
wie als wollte er einen weiteren Beweis fordern, los. Das Papier hing vor ihm in der Luft und neigte sich langsam auf ihn zu,
als wollte es ihm entgegenrufen, wie richtig er lag.
Eine Straße weiter spielten sich zwei Schulfreundinnen einen Federball zu, der einen hohen Bogen nahm eher er mit dem nächsten
Schlag empor stieg, bis ihn die Mädchen aus den Augen verloren. Bishop spürte das Kribbeln eines nach oben abbremsenden Aufzugs
im Bauch. Seine Fersen lösten sich vom Boden seiner Terrasse. Er blickte zum Himmel, wo die wenigen Wolken, die zu sehen waren,
sich verschmierend in höhere Atmosphäre empor erhoben. Als Bishop sich schwerelos über dem Dach des Hauses befand, konnte er
über die gesamte Stadt sehen und wie die Sonne in Zeitraffergeschwindigkeit durch die schnell wabernden Wolkenstrukturen über
dem Meer dramatisch auf sie fiel. Schreie waren von überallher zu hören. In all dem Auflösen musste Bishop plötzlich lächeln
und empfand eine unbekannte Ruhe.
Zur gleichen Zeit begannen überall auf dem Planeten Seismometer auszuschlagen und sich aufzuschaukeln. Bäume richteten ihre
Äste gen Himmel, als würden sie tief Luft holen. Die Niederschläge in Tiefdruckgebieten, über den Globus verteilt, versiegten,
sodass die Menschen, nicht begreifend, zwischen den schwerelosen Regentropfen standen und empor schauten. Eine palästinenische
Kurzstreckenrakete stieg in den Himmel empor und sollte nie wieder auf dem Planeten einschlagen.
Alle Satellitenfunkstationen meldeten abnehmende Übertragungsraten und schlechter werdende Verbindungen zu ihren Trabanten im
Orbit. Kurze Zeit später blickte ein Astronaut an Bord der Internationalen Raumstation wegen schweren Kommunikationsstörungen
mit dem Boden durch ein Fenster auf die unter ihm liegende Erde. Die Raumstation war bereits so weit von dem Planeten entfernt,
dass dieser vollständig in den Fensterausschnitt passte. Entlang der Kontinentalplatten riss die Oberfläche des Planeten
rotglühend auf, bis er schließlich, als er nur noch die Größe einer Geldmünze hatte, zerbrach und die Sonne durch die
Bruchstücke des heißen Erdkerns die Szene überblendete.
Birgt Wissenschaft das Potential die Welt untergehen zu lassen?
Viele Menschen würden diese Frage mit „Ja” beantworten. Und man kann es ihnen nicht anrechnen, die Geschichte liefert Beweise
genug. Schwarzpulver, Nervengas, die Atombombe.
Richard Feynman schrieb einmal, „Is science of any value? I think the power to do something is of value. Whether the result is
a good thing or a bad thing depends on how it is used, but the power is a value. (…) To every man is given the key to the gates
of heaven. The same key opens the gates of hell. And so it is with science.“
Wissenschaft, die Erforschung der Natur anhand von Gesetzmäßigkeiten und deren Einkleiden in mathematische Formeln birgt das
Potential, die Welt zu verändern, nicht mehr nicht weniger. Ob und wie dieses Potential umgesetzt wird, liegt nicht einmal
allein in den Händen des Forschers, sondern wird erst durch das Erkennen Zweiter und Dritter in deren Charakter manifestiert.
Trotz allem sollte der Forscher in seiner Erkenntnis die Weitsicht besitzen jenes Potential abwägen zu können. Zu erkennen,
ob die Menschheit für seine Entdeckung bereit ist, ob sie reif genug dafür ist. In Folge dessen verheimlichte Da Vinci seine
Pläne eines Unterseebootes, weil er es als Waffe missbraucht, Menschenleben beenden sah. Er sollte Recht behalten.
Denn eines birgt Wissenschaft, unabhängig von positiven oder negativen Auswirkungen, immer, und das ist Wahrheit. So wie wir
die Realität heute wahrnehmen ist ein Resultat wissenschaftlichen Fortschrittes. Mit jeder bewiesenen oder widerlegten Theorie
erhascht der Mensch ein weiteres kleines Puzzleteil vom großen Entwurf, von dem wir die Gesamtteilchenzahl nicht kennen.
So führt jedes kleine Puzzleteil unausweichlich zu einer Anpassung des bisherigen Verständnisses über die Welt, zu etwas Neuem,
zu einer Veränderung.
Dabei dachten die Menschen immer die Welt sei unveränderlich. Sie dachten, dass Strukturen, die sie einmal etabliert haben,
nicht mehr umzuwerfen möglich sei. Seit jeher wehren sie sich gegen Veränderung oder Personen, die diese zu realisieren
versuchen. Es liegt in der menschlichen Natur Veränderung zu vermeiden, Neuem skeptisch gegenüber zu stehen, Bestehendes
beizubehalten und so mögliche Gefahren und Risiken des eigenen Lebens zu minimieren. Es ist die Angst vor dem eigenen
Existenzverlust, die unsere Gesellschaft mit Hilfe der Freiheit des Kapitalismus zur Perfektion getrieben hat. So weit,
dass die Mächtigen der Welt ein System geschaffen haben, dass es ihnen ermöglicht unbeobachtet und ungestraft ihren Willen
und ihre Perversitäten auszuleben und gleichzeitig dem Rest zu suggerieren, dass jene, als Volk, durch Wahlen und Gesetze
die Fäden der Staaten in den Händen halten würden. Dass mit der Zeit das Erstrebenswerteste geworden ist, über anderen zu
stehen und zu wissen, dass es anderen schlechter geht als einem selbst. Der Mensch ist mehr denn je im Begriff seine mit
Blut erkämpfte Mündigkeit, zum Wohl eines bequemen Lebens wieder fallen zu lassen. Es macht mehr denn je den Eindruck, als
wären wir müde geworden nach der Wahrheit hinter den Dingen zu fragen, sie in Frage zu stellen und deren Sinn zu ergründen.
Auf der anderen Seite gibt es immer auch eine Minderheit derer, die diesen Drang nach Veränderung in sich tragen und ihn
durchzusetzen versuchen. Personen, die sich einem Ideal verschreiben und darauf aufmerksam machen, dass der Mensch bei allem
was er meint zu wissen noch lange nicht wissend ist. In den meisten Fällen lässt die Gesellschaft solche Personen untergehen.
Sie werden zensiert, verfolgt, festgenommen und verschwinden.
Doch hin und wieder gibt es ein stilles Aufbegehren unter den Menschen, welches nur den Stoß einzelner Personen bedarf, um
alte Verhältnisse umzuordnen.
Die Art von Personen, die immer wieder in der Geschichte das Wagnis eingingen ihre Überzeugungen offen zu vertreten und für
ihre Ideale einzustehen.
Hätte man einem Galileo Galilei die Millennium-Simulation des Universums gezeigt, er hätte die Auswirkungen seiner Entdeckung
nicht für möglich gehalten.
Hätte man einem Leonardo Da Vinci erzählt, dass der Mensch sich nicht nur durch die Luft wird bewegen können, sondern auf dem
Mond spazieren wird, er hätte den Kopf geschüttelt.
Hätte man einem George Orwell gezeigt, wie unsere Regierungen ihre Bevölkerung systematisch durchleuchten, er hätte sich
gefragt, wozu er seine Anstrengungen aufwendete eine radikale Darstellung der Zukunft als Warnung niederzuschreiben.
Hätte man einem Martin Luther King gesagt, dass im Jahr 2009 ein Farbiger Präsident des Landes wird, dessen Gesellschaft ihn
so verachtet und unterdrückt, er hätte es nicht für möglich gehalten.
Und wie ich dies schreibe, brenne ich darauf zu erfahren, was Schulkinder des nächsten halben Jahrhunderts einem Stephen
Hawking erzählt hätten.
Blickt man auf den Lauf der Geschichte, so wie sich der Mensch in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, so kommt man
nicht umhin zu erkennen, dass ein Wagnis einzugehen, dass gegen die breite Meinung zu schwimmen oder dass selbstständiges
Reflektieren, anstatt sich stillschweigend in den Fluss der Widerstandslosigkeit einzugliedern, die Welt verändern kann.
Und die wirklich entscheidende Frage ist: Was werden Sie jetzt tun?
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