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Impfen – Pro und Contra
von Till Korten.
Ich bin Biochemiker und arbeite als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Biophysik molekularer Motoren.
Ich hatte neulich mit einer Bekannten eine hitzige Diskussion über die Vor- und Nachteile des Impfens. Im Anschluss habe ich im Internet nach allgemeinverständlichen Informationen zum Impfen recherchiert. Leider musste ich feststellen, dass einige der ersten Treffer in der Suchmaschine meiner Wahl Fakten, Halbwahrheiten und Fiktion wild mischen. Deshalb möchte ich in diesem Artikel erzählen, was ich im Studium und nach aktueller Recherche in der Fachliteratur zum Impfen gelernt habe.
Was ist eigentlich Impfen?
Man kann sich Impfen gut wie einen Steckbrief vorstellen: Durch die Impfung wird der Abwehr unseres Körpers (dem Immunsystem) gezeigt wie ein Krankheitserreger aussieht, damit sich der Körper besser und vor allem schneller gegen diesen Krankheitserreger wehren kann. Dadurch kann in den meisten Fällen eine Infektion verhindert werden, da die Immunabwehr die Krankheitserreger erkennt und zerstört bevor sie sich im Körper vermehren können. Der große Vorteil daran ist, dass das eigene Abwehrsystem unseres Körpers genutzt wird um im Vorfeld zu verhindern, dass man überhaupt krank wird. Dafür ist nur ein minimaler Eingriff (Spritze) mit kaum Nebenwirkungen (oft leichte Schmerzen an der Einstichstelle und manchmal ein Tag leichtes Fieber) nötig. Eine Impfung wirkt meist nach ein bis drei Anwendungen für viele Jahre, manchmal das ganze Leben.
Selbstverständlich enthält ein Impfstoff keine kleinen Bildchen, die in den Dienststellen der Körperabwehr ausgehängt werden. Stattdessen enthalten Impfstoffe Teile der Krankheitserreger, die unsere Körperabwehr mit dem Krankheitserreger vertraut machen.
Wie funktioniert unsere Körperabwehr eigentlich?
Unser Körper besitzt zwei grundlegend verschiedene Mechanismen um sich gegen Krankheitserreger zu wehren:
Die angeborene Immunantwort bleibt das gesamte Leben lang gleich. Sie besteht aus mechanischen Barrieren, die das Eindringen von Erregern verhindern sollen, aus Zellen die Erreger gezielt angreifen und unschädlich machen und aus Eiweißen, die Zellen der Körperabwehr anlocken, aktivieren und ihnen den Angriff auf Erreger erleichtern. Die angeborene Immunantwort spüren wir zum Beispiel bei einem Mückenstich, wo die entsprechende Stelle anschwillt, rot wird und anfängt zu jucken. An dieser Stelle hat der Körper einen Fremdstoff erkannt (den Speichel der Mücke und eventuell in den Körper gelangte Krankheitserreger) und bekämpft diesen. Das was bei einem Mückenstich eher lästig ist, hilft unserem Körper dabei die Abwehr zu organisieren. Die Schwellung und die Rötung entstehen dadurch, dass die Durchblutung an der betroffenen Stelle verstärkt wird. Dadurch gelangen schnell viele Abwehrzellen in die Gefahrenzone. Auch Fieber wird durch die angeborene Immunantwort ausgelöst, ist also Teil der natürlichen Abwehrreaktion des Körpers.
Die adaptive Immunantwort zeichnet sich durch ihre Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen oder veränderten Erregern aus. Zentrales Element der Adaptiven Immunantwort sind die Antikörper. Das sind Eiweiße, die an ihrer Oberfläche zwei Stellen besitzen mit denen sie an bestimmte Oberflächenregionen von Erregern binden und diese so gezielt erkennen können. Das kann man sich vorstellen wie ein “Y” bei dem an den beiden oberen Armen die “Noppen” eines Legosteins befestigt sind. Die Noppen passen genau in die Unterseite von herumfliegenden Legosteinen und bleiben so an diesen haften. Die Anpassungsfähigkeit der Antikörper entsteht dadurch, dass der Körper die “Noppen” nach dem Zufallsprinzip herstellt. Das bedeutet, dass es im Körper sehr viele verschiedene Antikörper gibt, die alle unterschiedliche “Noppen” haben, die an unterschiedlichen Erregern haften bleiben.
Normalerweise wird jeder dieser verschiedenen Antikörper von genau einer Immunzelle im Körper hergestellt und ist daher nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Sobald dieser Antikörper aber an einen Krankheitserreger bindet, vermehrt sich die entsprechende Immunzelle stark und stellt so sehr viele gleiche Antikörper her, die dann alle den Erreger erkennen und dabei helfen ihn zu bekämpfen.
Antikörper haben drei Hauptfunktionen:
- Dadurch, dass jeder Antikörper gleichzeitig an zwei Erreger bindet, werden die Erreger verklumpt. So können sich die Erreger nicht mehr ungehindert im Körper bewegen und breiten sich nicht mehr so leicht aus.
- Antikörper aktivieren sogenannte Killerzellen, die Erreger und infizierte Körperzellen gezielt angreifen und töten.
- Antikörper verbleiben auch nach einer Infektion in größerer Zahl im Körper. Wird der Körper erneut von dem gleichen Erreger angegriffen, wird dieser Erreger durch die verbleibenden Antikörper sofort erkannt. Dadurch kann die Körperabwehr sofort reagieren, und den Erreger bekämpfen bevor er sich im Körper vermehren kann. So wird eine erneute Infektion mit demselben Erreger meistens verhindert. Diese Funktion sorgt dafür, dass das adaptive Immunsystem quasi ein Gedächtnis bekommt.
- Masern führen in 20-30% der Fälle zu Komplikationen und in ca. einem von 1000 Fällen zum Tode. Zu den schwersten Komplikationen gehört eine Hirnhautentzündung die in einem von ca. 2000 Masernfällen zu lebenslangen Lähmungen führt.
- Demgegenüber steht bei einer Impfung ein 5%iges Risiko leichte Masernsymptome zu bekommen, die aber in weniger als einem von einer Million Fällen zu schweren Komplikationen führen. Obwohl bisher über eine Milliarde Menschen gegen Masern geimpft wurden ist bisher kein Todesfall bekannt.
- Röteln sind am gefährlichsten für Frauen in der Schwangerschaft, da sie in 90% der Fälle zu Schädigung des Embryos führen. Außerdem treten in 40 bis 70% der Erwachsenen früher oder später teilweise anhaltende Gelenkentzündung und in einem von 6000 Fällen eine Hirnhautentzündung auf.
- Demgegenüber steht bei einer Impfung ein Risiko von eins zu Zehntausend, dass es zu einer vorübergehenden Gelenkentzündung kommt. Fälle von Hirnhautentzündung oder Schädigungen von Embryos nach Impfung gab es noch keine.
- Windpocken Führen in 6% der Fälle zu Komplikationen. Dazu zählen eine Blutvergiftung ausgehend von der Haut (2-3/10000), eine Hirnhautentzündung. Die Sterblichkeitsrate bei Windpocken ist eins zu Einhunderttausend.
- Demgegenüber steht bei einer Impfung ein sehr geringes Risiko (1-10/10000) leichte “Impfpocken” zu bekommen, die aber ohne weitere Komplikationen verheilen
Wie genau funktioniert ein Impfstoff?
Impfstoffe setzen genau an der Gedächtnisfunktion der adaptiven Immunantwort an. Impfstoffe enthalten Teile der Hülle von Krankheitserregern. Diese Teile werden von der Körperabwehr als fremd erkannt und es werden Antikörper gegen diese Teile gebildet. Diese Antikörper erkennen sowohl den Impfstoff als auch die Krankheitserreger aus denen der Impfstoff hergestellt wurde. Die Antikörper verbleiben über Jahre im Körper und schützen so vor Infektionen mit dem betreffenden Erreger. Ein Impfstoff schützt um so besser, je mehr Antikörper gebildet werden. Daher werden Impfstoffe gezielt darauf optimiert, eine starke Reaktion der Körperabwehr hervorzurufen. Diese starke Reaktion bewirkt, dass die Stelle an der wir Geimpft wurden noch für einige Stunden oder sogar noch am nächsten Tag weh tut. Außerdem kann die Immunantwort bewirken, dass wir einige Stunden nach der Impfung Gliederschmerzen und Fieber bekommen. Diese Nebenwirkungen lassen sich kaum vermeiden, da sie die Schutzwirkung des Impfstoffes verbessern.
Woraus besteht ein Impfstoff?
Der allererste Impfstoff bestand aus einem vergleichsweise harmlosen Vacciniavirus, das mit dem tödlichen Pockenvirus verwandt ist und dessen Oberfläche Teilen der Oberfläche des Pockenvirus gleicht. Dadurch konnte der Körper nach einer Infektion mit dem Vacciniavirus auch Antikörper gegen Pockenviren erzeugen, die dann vor zukünftigen Pockeninfektionen schützen. Das englische Wort für Impfung (vaccination) ist deshalb eng verwandt mit dem Namen des Vacciniavirus.
Manche Impfstoffe werden hergestellt, indem die Krankheitserreger im Labor vermehrt und anschließend z.B. durch radioaktive Strahlung ganz oder teilweise abgetötet wurden. Gerade solche Impfstoffe enthalten häufig auch Wirkverstärker (Adjuvantien), die darauf abzielen, die Immunantwort zu verstärken. Dadurch muss jede Impfdosis weniger Krankheitserreger enthalten, was die Herstellung vereinfacht und das Risiko senkt, dass man durch die Impfung erkrankt.
In modernen Impfstoffen wie z.B. dem Masern Mumps Röteln Impfstoff werden Eiweißbruchstücke aus den Hüllen der Erregerviren mit Hilfe moderner Molekularbiologie in die Hüllen harmloser Viren eingebaut, sodass diese harmlosen Viren quasi als Boten agieren, die die Erkennungsmerkmale der Krankheitserreger im Körper verteilen. Das hat den Vorteil, dass die harmlosen Viren besonders gut die Körperabwehr aktivieren und so ein langfristiger Schutz (oft ein Leben lang) erreicht werden kann. Außerdem werden zu keinem Zeitpunkt im Herstellungsprozess noch Erreger verwendet, die potentiell krank machen könnten. Auch Adjuvantien sind bei solchen Impfstoffen nicht enthalten.
Wie sicher sind Impfungen?
Wie bei jeder wirksamen medizinischen Behandlung gibt es auch beim Impfen Risiken. Neben den oben erwähnten Nebenwirkungen (Schmerzen, Fieber), die bei vielen Geimpften auftreten und nach einigen Tagen wieder verschwinden, kann es in seltenen Fällen auch zu schweren Komplikationen kommen. Solche schweren Komplikationen treten bei modernen Impfstoffen jedoch bei Millionen Geimpften nur in wenigen Einzelfällen auf. Es sind aber in der Vergangenheit schon Impfstoffe wieder vom Markt genommen worden, weil sie zu viele Nebenwirkungen hatten. Zum Beispiel wird in Deutschland seit 1998 der orale Polio-Impfstoff gegen Kinderlähmung nicht mehr verwendet, da er abgeschwächte Erreger enthält. Stattdessen wird ein Totimpfstoff verwendet. Der schützt zwar wirksam vor einer Erkrankung, kann aber die Ausbreitung nicht verhindern. Deshalb wird in Ländern in denen Polio noch vorkommt weiterhin der Lebendimpfstoff verwendet. Die abgeschwächten Erreger des Lebendimpfstoffes können in der nicht geimpften Bevölkerung zirkulierten und konnten sich mit der Zeit so verändern, dass sie wieder krank machten. Seit dem Jahr 2000 wurden weltweit 3 Milliarden Impfdosen dieses Impfstoffs verabreicht dadurch wurden 24 Ausbrüche von Polio verursacht, bei denen insgesamt 786 Personen an Polio erkrankten. Das mag im ersten Moment viel klingen. Man sollte sich aber vor Augen führen, dass ohne Impfung bei 3 Milliarden Kindern geschätzt 10 Millionen Fälle von Kinderlähmung aufgetreten wären. Das Risiko mit Impfstoff an Kinderlähmung zu erkranken war also selbst mit dem Lebendimpfstoff um den Faktor 12000 kleiner als ohne.
Dieses Beispiel zeigt, dass man sich bei der Risikobewertung von Impfungen niemals von Einzelfällen leiten lassen sollte. Man sollte sich immer die Wahrscheinlichkeit anschauen, dass dieser Einzelfall bei einem selbst oder den eigenen Kindern auch eintritt. Dieses Risiko sollte man für jeden Impfstoff dem Risiko durch die eigentliche Krankheit gegenüberstellen. Genau diese Risikoabschätzung wird bei jedem Impfstoff vor der Zulassung von Experten vorgenommen. Das bedeutet, man kann sich guten Gewissens auch einfach auf die Impfempfehlungen des Robert-Koch Institutes verlassen.
Bei Pocken war diese Risikoabschätzung ziemlich einfach, obwohl gerade die Pockenimpfung Lebendimpfstoffe verwendete, die im Vergleich zu modernen Impfstoffen nicht gerade risikoarm waren: Pocken führten je nach Erregerstamm in 10%-90% zum Tode. Da haben die Menschen nicht lange gezögert sich impfen zu lassen. Auch Impfpflichten (In Bayern 1807 eingeführt, in Baden und Preußen 1815) waren wenig umstritten. So konnten die Pocken dann auch 1980 für ausgerottet erklärt werden und seitdem muss niemand mehr gegen Pocken geimpft werden.
Bei nicht so schweren Krankheiten ist die Risikoeinschätzung nicht mehr so einfach und es ist verständlich, dass manche Zweifel bekommen, ob sie ihrem Kind wirklich etwas Gutes tun, wenn sie es dem (sehr geringen aber eben doch vorhandenen) Risiko einer Impfung aussetzen. Deshalb möchte ich hier gerade am Beispiel der Kinderkrankheiten näher auf die Risiken der Krankheiten im Vergleich zu den Risiken der Impfung eingehen.
Sollte ich meine Kinder gegen Kinderkrankheiten impfen lassen?
Kinderkrankheiten gelten vielfach als harmlos (ich warte erst einmal die Kinderkrankheiten ab bevor ich die neueste Version des Betriebssystems installiere) und am Ende schützt auch so eine Kinderkrankheit ein Leben lang vor der Erkrankung. Das ist doch eigentlich ganz natürlich, früher hat doch auch jeder Mensch Kinderkrankheiten durchgemacht und es hat nicht geschadet – oder?
Die Bezeichnung Kinderkrankheit kommt leider nicht daher, dass diese Krankheiten harmlos sind – im Gegenteil der Verlauf von Kinderkrankheiten ist alles andere als Harmlos. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Kindersterblichkeit früher auf Kinderkrankheiten zurückzuführen ist. So galten z.B. auch die Pocken im Mittelalter als Kinderkrankheit (Kindsblattern) an der alleine bis zu 10% der Kleinkinder starben in manchen Regionen galten Kinder erst als Familienmitglied nachdem sie die Pocken überstanden hatten.
Der Name Kinderkrankheit kommt im Übrigen daher, dass Kinderkrankheiten so extrem ansteckend sind, dass früher jeder Mensch schon als Kind damit angesteckt wurde. Auch bei den meisten Kinderkrankheiten genügt es (falls man nicht geimpft ist) sich ca. 1h im selben Raum wie ein Erkrankter aufzuhalten um sich mit fast 100 prozentiger Sicherheit anzustecken. Erschwerend kommt hinzu, dass alle Kinderkrankheiten schon einige Zeit vor dem Auftreten der ersten Symptome ansteckend sind. Da die meisten Kinderkrankheiten Viruserkrankungen sind, gibt es abgesehen von der vorbeugenden Impfung keine Therapie. Daher lässt sich die Ausbreitung von Kinderkrankheiten nur durch Impfen eindämmen.
Alle Kinderkrankheiten können zu schwerwiegende Komplikationen führen, die zum Teil lebenslange Folgen haben oder sogar tödlich enden:
Insgesamt ist das Risiko der Impfung mindestens tausendmal geringer ist als das Risiko der eigentlichen Kinderkrankheit. Da Kinderkrankheiten vor der Einführung der Impfungen so gut wie jeden Menschen betrafen, kann man mit Sicherheit sagen, dass durch Impfungen weltweit schon Millionen von Menschenleben gerettet wurden und mindestens ebenso vielen Menschen lebenslanges Leid erspart wurde.
Ich kann sehr gut verstehen, dass manche Eltern zögern ihr Kind “absichtlich” den unvermeidlichen Schmerzen und dem (geringen) Risiko einer Impfung auszusetzen. Bei der Impfung fühlt man sich voll verantwortlich für die Folgen. Im Gegensatz dazu ist es bei einer Kinderkrankheit viel einfacher, die Folgen als “natürlichen” Teil des Lebens abzuschreiben und sich so nicht verantwortlich zu fühlen.
Wenn man sich aber vor Augen führt, wie ansteckend Kinderkrankheiten sind und wie gut Impfungen schützen, dann kommt man eigentlich nicht umhin, sich für die Folgen der Kinderkrankheit – inklusive der schweren Komplikationen und Todesfälle – genauso verantwortlich zu fühlen. Hinzu kommt noch die Gefährdung anderer: Da Kinderkrankheiten so ansteckend sind, gefährden nicht geimpfte Personen nicht nur sich selbst (oder ihre Kinder), sondern auch Personen in ihrem Umfeld, die nicht geimpft werden können (z.B. Säuglinge im ersten Lebensjahr, Schwangere, Menschen mit Immunschwäche). Geimpfte schützen also nicht nur sich selbst sondern auch andere. Diesen Schutz der Allgemeinheit nennt man auch Herdenimmunität. Eigentlich wollte ich auch einen Abschnitt zur Herdenimmunität schreiben, aber der Artikel ist auch so schon zu lang. Deshalb lege ich Euch ans Herz dieses Onlinespiel auszuprobieren, dass die Herdenimmunität sehr gut veranschaulicht.
Aber stärken Kinderkrankheiten nicht auf natürliche Art und Weise das Immunsystem?
Das ist schlicht und ergreifend falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Generell schwächt eine Virusinfektion das Immunsystem, weshalb man häufig auch nach einem Virusinfekt auch Bakterielle Infektionen bekommt. Die meisten Leser werden den Effekt kennen, dass bei einer (durch Viren verursachten) Erkältung der Auswurf beim Schnupfen zuerst durchsichtig und flüssig ist, aber nach einiger Zeit eitrig gelb wird. Der gelbe Eiter ist ein sicheres Zeichen für eine bakterielle Infektion. Auch Mandelentzündungen, Stirnhöhlenvereiterungen und sogar Lungenentzündungen beginnen oft mit einem viralen Infekt.
Insbesondere Masern waren schon lange dafür bekannt, dass sie das Immunsystem nicht nur während der Krankheit schädigen, sondern Betroffene für einige Wochen bis Monate anfälliger für andere Krankheiten machen. Eine großangelegte Studie, die kürzlich im renommierten Fachmagazin “Science” veröffentlicht wurde hat gezeigt, dass Masern das “Gedächtnis” des Immunsystems für zwei bis drei Jahre schädigen. Dadurch liegt die Sterblichkeit bei nicht gegen Masern geimpften Menschen deutlich höher als bei geimpften. Dabei wurden nur Menschen verglichen, die in wohlhabenden Ländern unter vergleichbaren Bedingungen leben.
Kinderkrankheiten schwächen das Immunsystem also nicht nur während der eigentlichen Krankheit, sondern (mindestens im Fall der Masern) auch langfristig. Der einzige langfristige Vorteil von Kinderkrankheiten ist die Immunität gegen die Kinderkrankheit. Diese Immunität kann aber viel einfacher und Risikoärmer auch durch eine Impfung erreicht werden.
Wie informiere ich mich am besten über das Impfen im Allgemeinen und einen bestimmten Impfstoff im speziellen?
Das allerwichtigste zuerst: Lasst Euch nicht von Einzelfallschilderungen verunsichern!!!
Aus Einzelfällen kann man prinzipiell nicht ableiten, wie wahrscheinlich so ein Fall eintritt. In den allermeisten Fällen kann man nicht einmal feststellen ob diese Einzelfälle wirklich mit der Impfung zusammenhängen und nicht einfach nur Zufall waren. Einzelfälle ergeben spannende Schauergeschichten – mehr aber auch nicht. Wenn Euch also jemand so einen Einzelfall auftischt, dann fragt immer dazu, ob es denn seriöse Studien (im besten Fall mehr als nur eine Studie von verschiedenen Autoren) gibt, die belegen, dass solche Fälle bei Geimpften häufiger auftreten als bei nicht Geimpften.
Wenn Euch dann jemand mit Verschwörungstheorien kommt, dass die Studien doch alle gefälscht seien, dann könnt Ihr dagegenhalten, dass es ist schlicht und ergreifend nicht möglich ist, eine Mehrheit der Wissenschaftler zu kontrollieren/bestechen/beeinflussen. Es war ja nicht einmal dem Geheimdienst NSA möglich, ihre Überwachungspraxis die sie heimlich durchgeführt haben für mehr als einige Jahre geheim zu halten. Wie sollen da Millionen von Wissenschaftlern und Ärzten – die in aller Öffentlichkeit arbeiten – dazu gebracht werden ihre Studien zu fälschen und danach noch dicht zu halten? Einzelnen Wissenschaftlern und Ärzten mag das schnelle Geld wichtiger sein als ihre Reputation. Den Meisten ist aber bewusst, dass sie mit gefälschten Studien nicht nur ihre Integrität und ihr Gewissen belasten, sondern langfristig auch ihre Karriere zerstören, da solche Manipulationen früher oder später auffliegen.
Das oben gesagte gilt im Übrigen generell für und populistische Panikmache und “Fake News”, ist also in der heutigen Zeit besonders wichtig.
Ein Beispiel für wissenschaftliche Manipulationen ist übrigens ausgerechnet eine Studie die von Impfgegnern gerne ins Feld geführt wird. Diese Studie wurde inzwischen vielfach widerlegt. Der Haupautor der Studie, Andrew Wakefield, hatte Gelder von Anwälten angenommen, die Menschen in den USA vertraten, die versuchten die Hersteller des Impfstoffes zu verklagen. Außerdem war er Teilhaber einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt zum untersuchten Impfstoff auf den Markt bringen wollte. Gegen Andrew Wakefield wurde inzwischen ein Berufsverbot erteilt, was ihn aber nicht daran hindert weiter seine kruden Theorien zu verbreiten, viel Geld damit zu verdienen und sogar einen Film zu dem Thema zu drehen. Jetzt mal Hand aufs Herz: Einige von Euch haben beim Lesen dieser Geschichte doch (ähnlich wie ich im ersten Moment) etwas gedacht wie: “Wenn dieser eine Wissenschaftler betrogen hat, dann doch bestimmt noch mehr” oder “Ist ja typisch, die Impfgegner lügen und betrügen”? Diese Geschichte ist aber auch nur eine interessante Anekdote die keine allgemeinen Schlüsse zulässt – das hat mir vor Augen geführt, wie einfach es ist mit so einer Geschichte die Fantasie anzuregen.
Wie ich selbst erfahren musste kann eine Internetrecherche über das Impfen schnell einschüchtern und Verunsicherung wecken. Daher empfehle ich Euch diese Seite des Robert Koch Institutes. Dort wird auf sachliche und kompetente Art auf die 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen eingegangen.
Auch Informationen zu einzelnen Impfstoffen findet man auf der Seite des Robert Koch Institutes. Das Robert Koch Institut ist übrigens eine staatlich finanzierte Stelle deren Aufgabe es ist die deutsche Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu schützen.
Gut gemachte einfache Erklärungen zum Thema Impfen findet man auch bei impfen-info.de. Diese Seite bitte nicht mit impf-info.de (absichtlich nicht verlinkt) verwechseln. Letztere sieht zwar auch sehr seriös aus, bei genauerer Recherche musste ich allerdings leider feststellen das einige der Quellen, auf die sich dort bezogen wird, äußerst fragwürdig sind.
Fazit:
Impfen ist wichtig! Jede Impfung schützt nicht nur den Geimpften, sondern auch sein Umfeld vor Krankheiten und den damit verbundenen, teilweise schweren Komplikationen. Wie eingangs erwähnt ist Impfen ein minimaler Eingriff in den Körper, der vorbeugend und nachhaltig vor Krankheiten schützt. Impfungen nutzen und stärken die natürlichen Abwehrkräfte unseres Körpers. Damit erfüllen Impfungen genau die Versprechen, die oft (fälschlicherweise) von sogenannter Alternativmedizin gemacht werden. Impfungen kosten weniger als eine Behandlung der eigentlichen Krankheit und ihrer Folgen. Es ist folglich für Pharmaunternehmen wirtschaftlich völlig uninteressant sich an irgendwelchen Verschwörungen zu beteiligen um Leuten Impfungen aufzuschwatzen. Im Gegenteil: viele Kinderkrankheiten gegen die geimpft wird haben schwerwiegende Komplikationen, die lebenslang Behandlung erfordern. Es wäre also für Pharmaunternemen deutlich lukrativer Impfgegner beim diskreditieren von Impfungen zu unterstützen (wie im Fall von Andrew Wakefield ja auch tatsächlich passiert). Ich finde es daher ethisch äußerst fragwürdig, wenn sich sogar einige (wenige!) Ärzte gegen Impfungen aussprechen, da genau diese Ärzte hinterher eine gute Chance haben an der Behandlung der eigentlichen Krankheit viel mehr zu verdienen als an der Impfung.
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