Der Artikel ist Teil einer Serie zum Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* von Harald Meller und Kai Michel. Die restlichen Artikel der Serie findet man hier.
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Wer einen archäologischen Sensationsfund machen will, der sollte auf Volksfesten nicht zu wenig Bier trinken! Oder in Kellerbars sehr genau nachsehen was Realschullehrer unter ihren Pullovern haben!
Vermutlich hat kaum ein archäologisches Objekt eine so faszinierende und gleichzeitig seltsame Geschichte wie die berühmte “Himmelsscheibe von Nebra”. Obwohl es einige Zeit gedauert hat, bis man wusste, was man da eigentlich hat. Dieses Objekt wurde nicht in Indiana-Jones-Manier von abenteuerlustigen Archäologen aus einem geheimnisvollen Tempel geborgen. Sondern gelangte auf der Herrentoilette des Hotel Hilton in Basel in die Hände der Wissenschaft. Bis dahin war es aber ein langer Weg.
Der erste Wissenschaftler der von der Existenz der Himmelsscheibe erfuhr, war der Berliner Landesarchäologe Wilfried Menghin. Im wurden von zwei anonym bleiben wollende Männern – ziemlich schlechte – Fotos gezeigt. Darauf zu sehen waren zwei Schwerter, Beile, Armringe, ein Meißel und eine 30 Zentimeter große Scheibe; mit Patina verkrustet und goldenen Applikationen die unter dem Dreck kaum zu erkennen war. Die Männer boten den Fund zum Kauf an; waren aber leider so unklug zu erwähnen, dass er aus Sachsen-Anhalt stammte. Und dort gilt: Alle archäologischen Funde gehören dem Staat. Menghin hätte sich also strafbar gemacht, hätte er solche Raubgräberstücke offiziell angekauft. Also zeigte er die Bilder am 10. Mai 2001 seinem Kollegen Harald Meller, dem Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt.
Der war begeistert und überlegte, wie er an die Stücke kommen konnte. Es gab zwei Probleme: Erstens war da eben die Tatsache, dass man es mit Raubgräbern zu tun hatte. Man benötigte also die Kooperation mit der Polizei um an die Stücke zu kommen. Zweitens war es mit den Objekten allein nicht getan. Wenn das alles irgendeinen wissenschaftlichen Wert haben sollte, dann war es absolut nötig, auch den Fundort und die genauen Fundumstände zu kennen. Man musste also nicht nur die Verkäufer der Scheibe finden sondern auch diejenigen, die sie tatsächlich und illegal aus der Erde gegraben hatten.
Nach diversen Nachforschungen gelang Meller der Kontakt mit einer gewissen Hildegard B. Sie sei im Besitz der “Sternenscheibe”; sie habe sie nur angekauft um sie zu “retten” und sei bereit, sie an Meller weiter zu verkaufen. Für 700.000 DM und ablaufen sollte alles in der Schweiz. Als Treffpunkt war das Hilton in Basel vereinbart; womit Meller nicht gerechnet hatte, war der Besuch in der Kellerbar des Hotels. Dort saß er am 23. Februar 2002, mit Hildegard B. und Reinhold S., einem Realschullehrer. Vorgeblich, um die Echtheit der Stücke zu prüfen; in Wahrheit um der Schweizer Polizei den Zugriff auf die Scheibe und ihre Verkäufer zu ermöglichen. Nur war von der Polizei nichts zu sehen. Meller beschreibt, das sonst nur noch ein “Einbeiniger und eine junge Frau” anwesend waren aber nicht die versprochene Polizei in Zivil.
Hildegard B. und Reinhold S. hatten die Fundstücke dabei; das wertvollste – die “Sternenscheibe” – trug S. unter seinem Pullover direkt an seinen Körper gebunden. Meller entschuldigte sich auf die Toilette, um dort die Polizei zu alarmieren. Sein Handy hatte allerdings keinen Empfang! Schließlich gelang es, eine SMS abzusetzen und natürlich war die Polizei sowieso immer da gewesen, auch wenn Meller das nicht mitbekommen hatte. Das Resultat: Die Scheibe war nun offiziell im Besitz der deutschen Archäologie und beiden Verkäufer in Gewahrsam der Polizei.
Was noch fehlte war der Fundort; eine seltsame Situation weil das ja i.A. zu den wenigen Informationen in der Archäologie gehört, die zweifelsfrei fest stehen. Dazu brauchte man die ursprünglichen Raubgräuber. “Wir werden euch finden!”, versprach daher auch der Innenminister von Sachsen-Anhalt bei der Pressekonferenz die anläßlich des geglückten Einsatzes in Basel abgehalten wurde. Und aufgeschreckt dadurch meldete sich ein gewisser Achim S. Er stellte sich freiwillig der Polizei und war derjenige, der damals Wilfried Menghin die Fotos des Fund gezeigt und den Fund zum Kauf angeboten hatten. S. hatte die Stücke selbst direkt von den Raubgräbern, sie von ihnen für 32.000 DM gekauft und dann für 230.000 DM an Hildegard B. weiter verkauft.
Die Raubgräber selbst waren Henry W. und Mario R. Eigentlich hatten sie damals vorgehabt, in Brandenburg nach Stücken aus dem zweiten Weltkrieg zu suchen. Weil sie aber am Vortag beim Seefest in Röblingen am See in Sachsen-Anhalt ein paar Bier zu viel getrunken hatten, war ihnen der Weg nach Brandenburg zu weit. Sie entschlossen sich, in den nahen Ziegelrodaer Forst zu fahren und dort mit den Metalldetektoren auf die Suche zu gehen. Das war am 4. Juli 1999, am frühen Nachmittag. Und genau dort stieß Henry W. auf die Scheibe, die aufrecht stehenden und gegen einen Stein gelegt unter der Erde verborgen war; zusammen mit den Schwertern, Beilen und Armreifen. Sie boten den Fund ihrem Kumpel Achim S. zum Kauf an und der griff zu.
Mit diesen Informationen war die Fundgeschichte der “Himmelsscheibe von Nebra” endlich lückenlos aufgedeckt. Aber damit fing die eigentliche Geschichte dieses einmaligen Objekts erst an. Im März 2002 gelangte die Scheibe in das Landesmuseum in Halle – und seitdem arbeitet die Wissenschaft daran, ihre Vergangenheit aufzudecken und ihre Botschaft zu entschlüsseln.
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