Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 327: Zirkumpolare Sterne
Morgens geht die Sonne auf und abends geht sie unter. Das ist eine ziemlich simple Beobachtung und genau genommen ist sie falsch. Denn natürlich geht die Sonne nicht auf und unter. Sie bleibt immer dort wo sie ist und es ist die Erde, die sich um ihre Achse dreht. Je nachdem ob wir uns auf der der Sonne zugewandten oder der abgewandten Seite befinden, sehen wir sie oder nicht. Und welchen Weg sie – scheinbar! – am Himmel der Erde beschreibt, hängt davon ab, wo auf der Erde wir uns befinden. Ich will heute aber nicht über die scheinbare Bewegung der Sonne sprechen, sondern über zirkumpolare Sterne.
Die Sterne am Himmel werden ja oft auch “Fixsterne” genannt. Wer aber in einer klaren Nacht ein wenig länger zum Himmel schaut, der wird feststellen, dass die Sterne nicht fix an einem Ort bleiben. Sie bewegen sich – aber sie tun das ebenso scheinbar wie sich auch die Sonne bewegt. Natürlich bewegen sich die Sterne selbst schon auch durch das Weltall, aber da sie so weit entfernt sind, braucht es sehr genaue Messinstrumente bzw. muss man sie sehr lange – mehrere Jahrzehnte oder Jahrhunderte – beobachten, um diese Bewegung zu erkennen. Die Bewegung der Sterne die man im Lauf einer Nacht klar und deutlich sehen kann, ist die Bewegung die durch die Drehung der Erde um ihre Achse verursacht wird.
Man kann sich das sehr leicht vorstellen. Die Erde dreht sich um eine Achse, die vom Nordpol durch den Erdmittelpunkt bis zum Südpol verläuft. Verlängert man die Erdachse vom Nordpol an den Himmel, dann trifft sie dort auf den Polarstern. Wenn wir uns nun also auf sich drehenden Erde aufhalten und nach oben zum Himmel schauen, dann sieht es für uns so aus, als würde sich alles am Himmel um diesen Polarstern drehen. Das gilt zumindest für die nördliche Hälfte der Erde, über die Südhalbkugel werde ich später noch reden.
Jeder Stern am Himmel beschreibt im Laufe eines Tages einen Kreis um den Polarstern herum. Der Kreis ist um so größer, je weiter der Stern vom Polarstern entfernt ist. Nicht immer aber können wir den gesamten Kreis sehen. Stellen wir uns vor, wir stünden exakt am Nordpol der Erde und der Polarstern würde sich exakt über unserem Kopf befinden. Wenn sich die Erde in 24 Stunden einmal um ihre Achse dreht, dann bewegt sich der Polarstern überhaupt nicht. Der ganze restliche Himmel aber schon und ein Stern, der sich genau am Horizont befindet, wird im Lauf von 24 Stunden einer Kreisbahn folgen, die einmal um den kompletten Horizont herum bringt bevor er nach einem Tag wieder an seinem Ausgangspunkt angekommen ist.
Wenn wir nun aber den Nordpol verlassen, dann steht der Polarstern NICHT mehr direkt über unserem Kopf. Er ist nun ein wenig näher an den Horizont gerückt, um so weiter, je weiter wir uns vom Nordpol entfernen. Damit verschiebt sich auch die Position der Kreise, denen die Sterne im Laufe eines Tages folgen. Der Stern, der vorhin noch eine komplette Runde entlang des Horizonts gezogen hat, tut das nun nicht mehr. Wir können nur mehr einen Teil des gesamten Kreises sehen; ein Teil davon hat sich von uns aus gesehen hinter den Horizont geschoben. Oder anders gesagt: Wenn wir 24 Stunden warten, dann sehen wir diesen Stern nun einen Kreisbogen über den Himmel ziehen, dann verschwindet er hinter dem Horizont, bleibt eine Zeit lang verborgen und taucht dann wieder auf um seine Runde um den Polarstern zu vollenden.
Oder noch einmal anders gesagt: So wie die Sonne wird auch dieser Stern einmal in 24 Stunden auf- und einmal untergehen. Sterne, die sich näher am Polarstern befinden, können wir aber immer noch auf ihrer kompletten Runde um den Himmel beobachten. Solche Sterne, die IMMER am Himmel stehen und die niemals untergehen, nennt man “zirkumpolare Sterne”. Welche Sterne das sind, hängt von ihrer Postion am Himmel und unserer Position auf der Erde ab. Für den Stern ist die sogenannte “Deklination” wichtig. Darüber habe ich in Folge 135 der Sternengeschichten ein wenig genauer gesprochen. Simpel gesagt ist die Deklination eines Sterns eine Koordinate die seinen Abstand vom Himmelsäquator beschreibt beziehungsweise kann man sie auch als Abstand vom Himmelspol oder eben dem Polarstern auffassen. Ein Stern mit einer Deklination von 90 Grad steht direkt am Himmelsnordpol; sein Abstand vom Polarstern wäre also gleich Null.
Wie weit kann sich ein Stern nun vom Himmeslnordpol entfernen, damit er von uns aus gesehen nicht untergeht? Das hängt von der geografischen Breite ab. Stellen wir uns noch einmal vor, wir stünden direkt am Nordpol, also bei einer geografischen Breite von 90 Grad. Genau über uns ist der Polarstern; genau vor uns der Horizont. Ein Stern der sich genau am Horizont befindet hätte eine Deklination von 0 Grad und damit einen Abstand vom Polarstern von 90 Grad. Gehen wir jetzt weiter nach Süden. Wenn wir uns ein Grad entlang der Erdkugel vom Nordpol entfernen, also eine geografische Breite von 89 Grad nördlicher Breite erreichen, hat sich auch der Polarstern um ein Grad von seiner Position direkt über unserem Kopf entfernt und wir müssen den Kopf nun nicht mehr senkrecht nach oben, also um 90 Grad nach oben richten sondern nur noch um 89 Grad. Bei zwei Grad Abstand, auf einer Breite von 88 Grad, ist auch der Polarstern 88 Grad über dem Horizont zu sehen. Und so weiter. Die Höhe des Polarsterns über dem jeweiligen Horizont entspricht immer der geografischen Breite. In Deutschland, etwa in Berlin das auf einer geografischen Breite von circa 52 Grad liegt steht also auch der Polarstern 52 Grad über dem Horizont.
Wenn er das tut, dann kann ein Stern aber auch nur noch maximal 38 Grad Abstand vom Polarstern haben, ohne unter dem Horizont zu verschwinden. Von Berlin aus gesehen sind also nur Sterne zirkumpolar, die diesen Abstand nicht überschreiten. Da die Deklination eines Sterns nicht vom Himmelspol sondern vom Himmelsäquator aus gemessen wird, sind in diesem Fall alle Sterne zirkumpolar, deren Deklination größer als 90 Grad minus die geografische Breite ist, also hier 90 minus 52, also 38 Grad.
Das gilt für alle Sterne und Beobachtungsorte auf der Nordhalbkugel: Ist die Deklination eines Sterns größer als 90 Grad minus die geografische Breite, dann geht dieser Stern nicht unter sondern ist immer am Himmel zu sehen. Die Anzahl der Sterne auf die das zutrifft, ist natürlich immer unterschiedlich. Wir haben schon gesehen, dass am Nordpol selbst ALLE Sterne die man von dort am Himmel sehen kann, zirkumpolar sind. Selbst ein Stern der sich am Horizont befindet, also maximal weit vom Polarstern entfernt ist, wird von dort aus gesehen immer am Horizont entlang wandern und immer sichtbar sein. Je weiter man sich vom Nordpol entfernt und sich dem Äquator der Erde nähert, desto weniger Sterne sind dauerhaft am Himmel sichtbar. Wenn wir am Äquator stehen und den Himmel beobachten, dann gibt es gar keine Zirkumpolaren Sterne mehr. Von dort aus sehen wir ja den Polarstern nicht mehr direkt über unserem Kopf; seine Position am Himmel hat sich nun direkt auf den Horizont verschoben. Alle anderen Sterne beschreiben aber weiter Kreise um ihn herum, von denen wir vom Äquator aus aber immer nur die Hälfte sehen können. Jeder Stern ist also, vom Äquator aus beobachtet, einen halben Tag über und einem halben Tag unter dem Horizont.
Wenn wir uns vom Äquator nun Richtung Südpol bewegen, ändert sich die Situation wieder. Zuerst einmal ist nun der Polarstern natürlich gar nicht mehr sichtbar. Von der Südhalbkugel aus betrachtet steht er immer unter dem Horizont. Je weiter wir uns vom Äquator Richtung Süden entfernen, desto mehr Sterne teilen sein Schicksal. All die Sterne des Nordhimmels verschwinden für immer längere Zeiten hinter dem Horizont und tauchen irgendwann gar nicht mehr auf. Dafür können wir nun aber all die Sterne des Südhimmels sehen, die uns von der Nordhalbkugel aus verborgen bleiben. Diese Sterne ziehen ihre scheinbaren Kreise nun um den Himmelssüdpol. Einen “Polarstern” der im Zentrum dieser Kreise steht, gibt es hier aber leider nicht.
Die Bewohner der Nordhalbkugel haben Glück, dass die Erdachse hier zufällig genau in Richtung des hellen und auch mit freiem Auge gut sichtbaren Polarsterns zeigt. Der einzige mit freiem Auge sichtbaren Stern, der sich in der Nähe des südlichen Himmelpols befindet ist, ist “Sigma Octantis”. Der liegt aber erstens nicht direkt in der Verlängerung der Erdachse sondern knapp ein Grad daneben und ist zweitens auch nur gerade so mit freiem Auge sichtbar. Selbst in einer klaren Nacht muss man sich anstrengen ihn sehen zu können und im Gegensatz zum Polarstern im Norden kann man ihn nicht gebrauchen, um den himmlischen Südpol zu finden.
Man kann sich ein wenig helfen, wenn man in der Lage ist, das Sternbild “Kreuz des Südens” zu identifizieren. Das geht normalerweise recht gut, weil die vier Sterne recht hell und das Sternbild sehr markant ist. Dann sucht man noch Alpha Centauri und Beta Centauri, zwei weitere sehr helle und benachtbarte Sterne des Südhimmels. Wenn man nun eine Linie durch die längere Achse des Kreuz des Südens zieht und eine zweite Linie, die genau senkrecht zur Verbindungslinie von Alpha und Beta Centauri läuft und dann den Schnittpunkt dieser beiden Linien am Himmel sucht, dann hat man den Himmelssüdpol zwar immer noch nicht gefunden, ist aber immerhin schon ziemlich knapp dran.
Aber egal ob nun ein Stern diesen Punkt markiert oder nicht: Es ist der Punkt um den sich alle Sterne des Südhimmels drehen und auch hier gelten die gleichen Regeln für zirkumpolare Sterne wie ich sie für die Nordhalbkugel erklärt habe. Nur muss man hier alle Berechnungen umdrehen. Auf der Südhalbkugel sind Sterne also genau dann zirkumpolar, wenn ihre Deklination kleiner als -90 Grad minus die südliche Breite ist.
Zirkumpolare Sterne – egal ob im Norden oder im Süden – sind nicht nur eine astronomische Spielerei, sondern hatten lange Zeit eine ziemlich wichtige Bedeutung. Da es sich um Sterne handelt, die nie untergehen, sind es auch Sterne, die man in jeder Nacht die ganze Nacht sehen kann. Das hat sie zu idealen Objekten für die Orientierung und Navigation gemacht. Heute braucht man sich darum dank GPS und Navigationsgeräten nicht mehr kümmern. Es kann aber trotzdem immer noch sehr schön sein, sich in einer klaren Nacht einfach ein wenig auf den Rücken zu legen und den Sternen bei ihrer Umkreisung des Himmelspols zuzusehen.
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