Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 329: Die Plejaden
Alkyone, Asterope, Elektra, Kelaino, Maia, Merope und Tygete – das sind die sieben Töchter des griechischen Titanen Atlas und der Okeanide Pleione. Die sieben Schwestern aus der griechischen Mythologie werden auch die “Plejaden” genannt und sie sind das Thema der heutigen Folge der Sternengeschichten. Allerdings werde ich mich mehr auf die Astronomie konzentrieren anstatt auf die Mythologie. In diesem Fall kann man aber nur schwer voneinander trennen.
Die realen Plejaden am Nachthimmel sind ein sogenannter “offener Sternhaufen”, also die Ansammlungen von Sternen über die ich schon in Folge 60 der Sternengeschichten gesprochen habe. Die Plejaden sind aber mit Sicherheit der prominenteste Sternhaufen am Himmel und der, der die Menschen schon seit Jahrtausenden beschäftigt. Es gibt kaum eine Kultur, die keine Geschichten über diese sehr markante Gruppe von Sternen erzählt.
In der nordischen Mythologie der Wikinger waren die Plejaden die Hühner der Liebesgöttin Freya. Die Cherokee in Nordamerika sahen in den Plejaden sieben Jungen, die ihre religiösen Pflichten vernachlässigt hatten und lieber spielen wollten. Sie rannten so schnell durch die Gegend, dass sie in den Himmel aufstiegen, wo sie heute noch zu sehen sind. Die australischen Ureinwohner sahen in ihnen die sieben Karatgurk-Schwestern. Sie waren die ersten die das Geheimnis des Feuers entdeckten und alle trugen glühende Kohlen mit sich herum. Sie wollten das Geheimnis nicht mit den Menschen teilen, aber als sie der Held Waang doch noch austricksen konnte, wurden sie an den Himmel versetzt, wo ihre Kohlen heute noch glühen.
Es gibt noch jede Menge andere Geschichten, aus allen Teilen der Welt. Neben der Mythologie hatten die Plejaden aber auch ganz praktischen Wert für die Menschen. Ihre Sichtbarkeit am Himmel zeigte den Zeitpunkt von Aussaat und Ernte an und auf der 3600 Jahre alten “Himmelsscheibe von Nebra” nutzte man die Plejaden, um Schaltregeln zu definieren mit denen sich Mond- und Sonnenkalender in Einklang bringen lassen, wie ich schon in Folge 296 der Sternengeschichten erklärt habe.
In der griechischen Mythologie, aus der viele der heutigen Bezeichnungen am Himmel stammen, waren die Plejaden die schon anfangs erwähnten sieben Töchter des Titanen Atlas und der Pleione, aus der ersten Generation der griechischen Götter. Als ihr Vater Atlas gezwungen wurde, den gesamten Himmel auf seinen Schultern zu tragen und dementsprechend abgelenkt war, machte sich der Jäger Orion daran, die sieben Plejaden-Schwestern zu verfolgen. Um sie schützen, wurden sie von Obergott Zeus zuerst in Tauben verwandelt; später dann sicherheitshalber noch in Sterne und an den Himmel versetzt.
Aber genug von Mythologie. Schauen wir uns lieber an, was die Plejaden wirklich sind. Meistens und sicherlich auch aufgrund der griechischen Mythologie wird der Sternhaufen der Plejaden auch als “Siebengestirn” bezeichnet. Und tatsächlich kann man mit freiem Auge sieben Sterne erkennen; je nach Bedingungen aber auch nur sechs oder gleich neun. Tatsächlich enthält der gesamte Haufen um die 500 Sterne. Die unterschiedliche Zahl der mit freiem Auge sichtbaren Sterne kommt auch daher das einer davon ein veränderlicher Stern ist. Pleione ändert seine Helligkeit nur langsam und unregelmäßig. Ist er am dunkelsten, dann ist er nur in ganz klaren Nächten mit freiem Auge zu sehen. Der hellste Stern des Haufens ist Alkione, gefolgt von Atlas, Electra und Maia.
Man kann den ganzen Haufen am nördlichen Himmel fast das ganze Jahr über am Himmel sehen. Nur zwischen Ende April und Anfang Juli verschwindet er in der Nacht hinter dem Horizont. Man kann ihn leicht erkennen; er befindet sich im Sternbild Stier; ein wenig oberhalb des Sternbildes Orion und unterhalb des Sternbildes Perseus. Der Sternhaufen ist gut sehen, erscheint uns aber sehr klein – obwohl seine Ausdehnung am Himmel dem vierfachen des Vollmonds entspricht. Aber unser Auge neigt dazu, helle Objekte als größer wahrzunehmen, weswegen uns der Mond deutlich größer erscheint als die Plejaden.
Die Plejaden befinden sich in der Nähe der Ekliptik, also der scheinbaren Bahn die die Sonne im Laufe eines Jahres am Himmel beschreibt. Oder anders gesagt: Die an den Himmel projizierte Umlaufbahn der Erde um die Sonne. In oder in der Nähe dieser Ebene bewegen sich auch die Planeten und der Mond was dazu führt, dass diese anderen prominenten Himmelskörper immer wieder in der Nähe der Plejaden zu sehen sind. Das hat früher sicher auch zur großen mythologischen Bedeutung der Plejaden beigetragen und heute bietet sich dadurch die Möglichkeit interessanter Beobachtungen. Alle knapp 19 Jahre werden die Plejaden beispielsweise durch den Mond bedeckt, was sich auch mit freiem Auge gut sehen lässt.
Aber trotzdem die Plejaden schon seit Jahrtausenden aufmerksam von den Menschen beobachtet werden, verbergen sie immer noch das eine oder andere Geheimnis. Da ist zum Beispiel die Sache mit ihrer Entfernung. Wie man Entfernungen der Sterne messen kann, habe ich ja schon in den Folge 19, 20 und 21 erklärt. Die simpelste Methode ist dabei die Parallaxenmethode. Wenn man unter verschiedenen Blickrichtungen auf ein Objekt schaut, scheint es seine Position vor dem Hintergrund zu verändern. Das können alle leicht ausprobieren, wenn man den Daumen der ausgestreckten Hand mal mit dem linken und mal mit dem rechten Auge betrachtet. Der Daumen scheint dann vor dem Hintergrund hin und her zu springen und aus der Größe dieser scheinbaren Bewegung kann man den Abstand berechnen. Mit Auge und Daumen kommt man bei den Sternen natürlich nicht weit. Aber die Erde bewegt sich ja um die Sonne und man kann die Sterne zum Beispiel mal im Januar und mal im Juli betrachten. In diesem halben Jahr hat die Erde ihre Position um 300 Millionen Kilometer verändert und damit blicken wir aus einer ganz anderen Richtung auf die Sterne. Mit dieser Methode – und anderen Methoden – ist man auf eine Entfernung zu den Plejaden gekommen, die knapp 440 Lichtjahren entspricht. Die verschiedenen Methoden stimmen auch alle überein – mit einer Ausnahme.
In Folge 87 der Sternengeschichten habe ich vom Hipparcos-Satelliten gesprochen und seiner, zumindest damals noch, genauesten Vermessung von Sternpositionen die es gab. Hipparcos kam bei den Plejaden auf eine Entfernung von 390 Lichtjahren – also ein Unterschied von mehr als 10 Prozent zu den anderen Messungen. Das lässt sich nicht mehr einfach durch die Ungenauigkeiten der verschiedenen Methoden erklären. Da muss irgendwas anderes schief gelaufen sein.
Wenn Hipparcos – die extrem genaue Messung vom Weltall aus – richtig lag, dann stimmt irgendwas mit den Sternen selbst nicht. Denn wir können ja sehen, wie hell die Sterne der Plejaden leuchten. Diese scheinbare Helligkeit ist aber eben nur die scheinbare Helligkeit. Die hängt vom Abstand ab; ihre wirkliche Helligkeit ist die absolute Helligkeit. Wenn wir den Abstand und die scheinbare Helligkeit kennen, dann können wir diese absolute Helligkeit leicht berechnen. Wir wissen außerdem, dass die Plejaden noch sehr jung sind; nur knapp 100 Millionen Jahre. Und wir haben Modelle, die uns sagen, wie sich solche jungen Sterne verhalten sollten. Diese Modelle stimmen wunderbar mit den Beobachtungen aller möglichen Sterne überein und auch wunderbar mit den Plejaden. Aber nur dann, wenn wir einen Abstand von 440 Lichtjahren zugrunde legen. Nehmen wir den Hipparcos-Abstand von 390 Lichtjahren, dann passt die daraus berechnete absolute Helligkeit nicht mehr zu den Modellen. Die funktionieren dann nur noch, wenn wir davon ausgehen, dass sich die Zusammensetzung der Plejaden deutlich von der anderer Sterne unterscheidet. Sie müssten dann sehr viel mehr Helium enthalten als es üblich ist; fast 40 Prozent mehr. Und vielleicht müsste man die Modelle komplett umschreiben und ganz neue physikalische Phänomene einführen, um die Sterne korrekt zu beschreiben.
Das ist aber alles ein wenig unwahrscheinlich. Andererseits ist eben Hipparcos nicht einfach irgendein Meßgerät, sondern das beste, das wir bis dahin je gebaut haben um Sternpositionen zu vermessen. Diese Unterschiede zwischen den Messwerten haben die Wissenschaftler damals mehr als nur ein wenig nervös gemacht. Denn mittlerweile war ein NOCH besseres Weltraumteleskop im Einsatz: GAIA, das ich in Folge 88 der Sternengeschichten vorgestellt habe. Und das basiert auf den gleichen Prinzipien wie Hipparcos. Wenn man dort irgendeinen Fehler gemacht hatte, dann auch bei GAIA. Und ein Fehler, den man nicht identifizieren kann, ist die unangenehmste Art von Fehler.
Mittlerweile hat GAIA die ersten Daten geliefert und die gemessene Distanz zu den Plejaden passt genau zu all den anderen Messungen die die Plejaden in einem Abstand von 440 Lichtjahren sehen. GAIA scheint also korrekt zu messen und Hipparcos nicht. Welchen Fehler Hipparcos gemacht hat, ist aber immer noch unbekannt. Und ganz ausschließen kann man irgendeinen anderen Grund, der nicht mit den Teleskopen der Astronomen zu tun, immer noch nicht.
Die Plejaden beschäftigen uns also weiter. Vor Jahrtausenden haben wir unsere Vorstellungen von Göttern, Dämonen und Helden an den Himmel projiziert. Und heute sehen wir dort unsere wissenschaftlichen Kontroversen und vielleicht die Möglichkeit, ganz neue Dinge über die Sterne herauszufinden…
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