Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 338: Capella, die kleine Ziege
Der Fuhrmann hat eine Ziege. Zumindest in der Astronomie. Denn heute geht es um Capella, den hellsten Stern im Sternbild des Fuhrmanns. Dieses Sternbild kann man leicht erkennen, es liegt gleich neben dem Sternbild Stier und besteht aus jeder Menge heller Sterne die ein unregelmäßiges Sechseck bilden. Capella ist von ihnen der hellste und am Nachthimmel der nördlichen Hemisphäre der Erde sogar der dritthellste Stern (nach Sirius und Wega). Insgesamt ist es der sechsthellste Stern der irgendwo am nächtlichen Himmel zu sehen ist. Selbst wenn die Lichtverschmutzung schon die meisten anderen Sterne überblendet ist Capella immer noch gut zu sehen.
Es ist daher auch nicht verwunderlich dass Capella schon immer die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen hat. Wann genau die ersten Lebewesen bewusst zum Himmel geschaut und Capella gesehen haben, wissen wir natürlich nicht. Vor ungefähr 200.000 Jahren hätten unsere Vorfahren den Stern aber auf jeden Fall bemerkt, denn damals war er sogar der hellste Stern des Nachthimmels. Die ersten konkreten Aufzeichnungen sind knapp 4000 Jahre alt und stammen aus Mesopotamien. Die Babylonier zählen den Stern zu ihrem Sternbild des Wagenlenkers und dieses Bild hat sich über die griechische Antike bis heute erhalten. Mit einer Ziege kann so ein Fuhrmann aber eher wenig anfangen; der Eigenname von Capella, der tatsächlich “kleine Ziege” bedeutet, geht auf einen anderen Mythos zurück bei dem der Fuhrmann als Hirte angesehen wird, der eine junge Ziege auf der Schulter trägt. Diese Ziege soll Amalthea gehören, die in der griechischen Mythologie den Gott Zeus mit Ziegenmilch aufgezogen hat. Eines ihrer abgebrochenen Hörner wurde dann sogar zum berühmten “Füllhorn”, aus dem ohne Ende immer wieder genau das heraus kommt, was der Besitzer des Horns sich wünscht.
Wenn wir die Mythologie jetzt aber mal beiseite lassen, dann ist Capella immer noch ein höchst interessanter Stern. Mit einem Abstand von 42,9 Lichtjahren ist Capella uns vergleichsweise nahe. Das ist ein Grund, warum der Stern so hell ist; der andere ist seine Größe. Beziehungsweise die Größe der beiden Sterne. Denn der amerikanische Astronom William Wallace Campbell fand 1889 heraus, dass es sich um einen Doppelstern handelt. Die beiden Sterne die wir mit bloßem Auge als “Capella” wahrnehmen, stehen extrem nahe beieinander. Die Distanz zwischen ihnen beträgt nur 111 Millionen Kilometer, das entspricht in etwa dem Abstand zwischen der Sonne und der Venus in unserem Sonnensystem. Noch dazu sind beide Sterne deutlich größer als die Sonne. Der eine hat die 2,5fache Masse und die 12fache Größe der Sonne, der andere ebenfalls die 2,5fache Masse aber nur die 9fache Größe der Sonne. Beide sind auch deutlich heller; die Leuchtkraft des größeren Sterns beträgt das 78fache der Sonnenleuchtkraft, beim anderen ist es immer noch das 73fache.
Es handelt sich bei beiden Sternen um Himmelskörper die gerade dabei sind, ihr Leben als normale Sterne zu beenden beziehungsweise es schon fast beendet haben. Wie ich in anderen Folgen der Sternengeschichten ja schon oft erklärt habe, beginnen alte Sterne sich aufzublähen. Sie werden immer heißer und heißer und erzeugen immer mehr Strahlung. Die drückt aus dem Inneren des Sterns nach außen gegen seine Materie und führt zu einer Ausdehnung. Am Ende entsteht so ein Riesenstern und beide Sterne von Capella sind gerade dabei, sich zu so einem Objekt entwickeln. Dabei sind sie, verglichen mit der Sonne, noch gar nicht so alt. Sie müssen irgendwann vor 590 bis 650 Millionen Jahren entstanden sein – das ist eine viel kürzere Lebensdauer als die 4,5 Milliarden Jahre die unsere Sonne schon existiert. Aber vermutlich waren es zu Beginn extrem heiße Sterne die den Wasserstoffvorrat in ihren Kernen daher auch extrem schnell durch Kernfusion verbraucht haben. Jetzt findet dort die Kernfusion von Helium statt, was höhere Temperaturen im Kern und damit die Ausdehnung der Sterne verursacht hat. Die äußeren Schichten sind dagegen eher kühl, weswegen der Stern auch eher gelblich leuchtet und nicht weiß oder blau wie die heißen Sterne.
Seit 1935 weiß man, dass Capella Aa und Capella Ab, wie die beiden Komponenten offiziell heißen, nicht allein sind. 10.000 Astromomische Einheiten von ihnen entfernt, was dem 10.000fachen Abstand zwischen Sonne und Erde entspricht oder dem Abstand zwischen der Sonne und der inneren Grenze der Oortschen Wolke unseres Sonnensystems, befinden sich zweite rote Zwergsterne. Die tragen die Bezeichnung Capella H und L – was ein wenig seltsam klingt. Wo sind Capella B, C, D, und so weiter? Das liegt daran, dass man in der Nähe von Capella am Himmel jede Menge andere Sterne sehen kann. So viele und so nah, dass es sich durchaus auch um Komponenten eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems handeln hätte können. In entsprechenden Katalogen sind die Sterne tatsächlich alphabetisch aufgelistet. Das, was wir mit freiem Auge als “Capella” sehen hat dort den Namen “Capella A”, dann kommt Capella B, und so weiter – bis Capella R. Bei Capella A stellte man, wie ich vorhin schon gesagt habe, fest, dass es sich um zwei Sterne handelt, weswegen die dann Capella Aa und Capella Ab genannt wurden. Die restlichen Capellas waren alle nur zufällig in der Nähe des eigentlichen Sterns sichtbar. Sie befinden sich alle viel weiter weg als Capella A und sind von der Erde aus nur zufällig in der gleichen Richtung zu sehen. Bis auf Capella H und L, die sich tatsächlich gemeinsam mit Capella A durchs Universum bewegen. Die beiden roten Zwergsterne sind deutlich kleiner als die Sonne und haben auch nur 30 beziehungsweise 10 Prozent der Sonnenmasse. Sie sind auch viel weiter voneinander entfernt als die großen Sterne von Capella A. Während die nur wenig mehr als 100 Tage brauchen um einander zu umkreisen, brauchen die beiden roten Zwerge dafür 300 Jahre.
Von den Sternen des Capella-Systems können wir jede Menge darüber lernen, wie diese Himmelskörper sich entwickeln. Für die Wissenschaft sind sie wichtig – aber ebenso wichtig für alle, die einfach nur gerne zum Himmel schauen. Der helle Stern Capella ist ein wunderbarer Orientierungspunkt. Hier in Mitteleuropa kann man zwischen September und April das sogenannte Wintersechseck beobachten. Das ist kein offizielles Sternbild sondern eine Figur die aus Sternen verschiedener Sternbilder zusammengesetzt ist. Die sechs Ecken des Sechsecks werden durch sehr helle Sterne gebildet die man auch am lichtverschmutzen Himmel einer Großstadt noch erkennen kann. Neben Capella im Fuhrmann besteht das Wintersechseck auch noch aus dem rötlich leuchtenden Aldebaran im Sternbild Stier, dem Stern Rigel im Fuß des Orion, dem Sirius im Sternbild Großer Hund, der immerhin der hellste Stern am Nachthimmel ist, dem Prokyon im kleinen Hund und Pollux im Sternbild des Zwillings. Wenn man gelernt hat Capella und das Wintersechseck am Himmel zu finden, dann kann man es als Ausgangspunkt für jede Menge interessante Beobachtungen benutzen.
Und Capella selbst ist, wie schon gesagt, wirklich nicht schwer zu finden. Den Großen Wagen kennen ja sicherlich alle. Und alle werden auch wissen, wie man von dort aus den Polarstern findet. Dazu muss man nur die beiden hellsten hinteren Sterne des Großen Wagens um das etwa fünffache verlängern und man landet fast direkt beim Polarstern. So ähnlich kann man auch Capella finden. Dazu muss man nicht die beiden hinteren Sterne verlängern, sondern die beiden Sterne, die die “Oberkante” des Wagens bilden. Das ist ohne Bilder ein wenig schwer zu erklären. Aber die Form des großen Wagens erinnert ja auch sehr an einen Kochtopf. Hinten ist der Griff des Topfs, also das was man normalerweise die “Deichsel” nennt. Und vorne die vier Sterne, die den Topf bilden, das was wir den “Kasten” des Wagens nennen. Wenn wir nun die beiden oberen Sterne des Topfs nehmen, also quasi den Deckel, und die von ihnen gebildete Linie um das etwa vierfache verlängern, landen wir zwar nicht direkt bei Capella. Aber zumindest fast und in dieser Gegend des Himmels ist Capella auf jeden Fall der hellste Stern.
Oder ihr verwendet einfach eine der vielen Handy-Apps mit denen man herausfinden kann wo welche Sterne sich am Himmel befinden. So oder so: Capella ist ein beeindruckendes Objekt und gehört zu den Sternen am Himmel die man finden können sollte, wenn man sich am Nachthimmel auskennen möchte. Viel Spaß beim Suchen!
Kommentare (33)