SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 341: Astronomie auf und mit dem Mond

Der Mond ist und war schon immer ein extrem lohnendes Forschungsobjekt für die Astronomie. Immerhin ist es der Himmelskörper der uns am nächsten ist und auf dem wir schon mit bloßem Auge Details wahrnehmen können. Und es ist der Himmelskörper auf dem wir selbst schon zu Besuch waren und vor Ort Forschung anstellen konnten. Der Mond ist aber nicht nur ein Objekt das erforscht werden kann sondern wäre auch ein guter Ort um von dort aus das Universum zu untersuchen. Beziehungsweise kann man den Mond sogar selbst als Messinstrument verwenden.

Aber fangen wir mal mit den simplen Methoden an. Am einfachste wäre es, genau die Instrumente die wir hier schon seit lange Zeit auf der Erde verwenden auch auf dem Mond einzusetzen. Unser Nachbar im All hat im Gegensatz zur Erde keine Atmosphäre die den Blick auf den Himmel verschleiert. Mit den gleichen Instrumenten könnte man vom Mond aus wesentlich bessere Bilder machen als von der Erde aus. Nach den erfolgreichen Landungen auf dem Mond in den 1960er und 1970er Jahren setzten sich daher viele Astronominnen und Astronomen für den Aufbau von Sternwarten auf dem Mond ein. Daraus wurde aber nichts – einerseits weil keine Menschen mehr zum Mond flogen und andererseits weil selbst automatisch und aus der Ferne von der Erde aus betriebene Observatorien für ihre Errichtung einen technischen Aufwand nötig gemacht hätten, der außerhalb dessen lag was man damals leisten wollte oder konnte.

Zusätzlich entwickelte sich die Technik so weit, dass man nun auch Teleskope direkt im All vernünftig einsetzen konnte und wie das Hubble-Teleskop eindrucksvoll demonstriert hat, sind die Bedingungen abseits der Mondoberfläche auch nicht schlecht. Trotzdem könnte man auf dem Mond Dinge machen, die im All selbst nicht möglich sind. Einer der außergewöhnlichsten Vorschläge sah die Errichtung eines Teleskops mit einem flüssigen Spiegel vor.

Large Zenith Telescope mit flüssigem Spiegel (Bild: NASA, gemeinfrei)

Schon Isaac Newton stellte im 17. Jahrhundert fest dass die Oberfläche einer rotierenden Flüssigkeit die Form einer Parabel annimmt, also genau die Form die man auch braucht wenn man ein Spiegelteleskop bauen will. Technisch gesehen war es damals aber nicht möglich, auch tatsächlich ein Teleskop zu bauen dessen Spiegel kein festes Stück Glas oder Metall sondern eine rotierende Flüssigkeit ist. Das gelang erst 1872 im Labor und 1908 baute Robert Wood von der amerikanischen Johns Hopkins University das erste Teleskop mit einem 50 Zentimeter großen Spiegel aus Quecksilber.

Damals gab es natürlich schon wesentlich größere und bessere Teleskope mit normalen Spiegeln. Aber trotzdem hat man weiter an dieser speziellen Art von Teleskop geforscht. Sie haben natürlich ein paar Nachteile die sofort auffallen. Man kann so ein Teleskop nur schlecht bewegen. Man kann es eigentlich gar nicht bewegen, da der flüssige Spiegel ansonsten einfach auslaufen würde. Es kann immer nur senkrecht nach oben blicken. Was aber nicht so schlimm ist wie es klingt, denn auch für Teleskope die immer nur an die gleiche Stelle des Himmels schauen gibt es jede Menge sinnvolle Einsatzbereiche, wie ich ja gerade erst in der letzten Folge der Sternengeschichten erklärt habe.

Neben den Nachteilen gibt es aber auch Vorteile. Zum Beispiel das für den Spiegel benötigte Material. Die Menge an reflektierender Flüssigkeit kann sehr klein sein; es muss ja nur eine dünne Flüssigkeitsschicht existieren. Man kann also für weniger Geld größere Spiegel bauen. Die Universität von British Columbia betreibt zum Beispiel das Large Zenith Telescope. Dessen Spiegel hat einen Durchmesser von 6 Metern und besteht aus flüssigem Quecksilber in einer Schale, die konstant sehr langsam rotiert. Es hat – wie schon gesagt – nur ein eingeschränktes Gesichtsfeld. War aber auch nur ein Zehntel so teuer wie es ein gleich großes Teleskop mit einem festen Spiegel gewesen wäre.

Die Materialmenge macht solche Teleskope auch für die Raumfahrt interessant. Hier hat man ja ersten meist wenig Platz. Was nicht in die Rakete passt, bleibt auf der Erde. Und zweitens wird der Flug umso teurer, je mehr Zeug man ins All schaffen will. Ein solider Teleskopspiegel kann nicht größer sein als der verfügbare Stauraum in einer Rakete. Ein flüssiger Spiegel braucht aber vorerst gar keine Form zu haben. Die Flüssigkeit kann irgendwie aufbewahrt werden und erst am Zielort in die Form geleert werden. Auf dem Mond könnte man so kilometergroße Spiegel bauen, wenn man die sowieso schon vorhandenen Krater als Schale für die flüssigen Teleskop benutzt.

Würd sich auch gut auf dem Mond machen…Bild: CSIRO, CC-BY-SA 3.0

Aber das ist zwar alles technisch möglich, aber angesichts des Aufwands doch eher unrealistisch. Etwas einfacher erscheint es, den Mond für die Radioastronomie zu benutzen. Die können wir zwar auch von der Erde aus betreiben, aber nicht vollständig. Manche Radiowellen werden von der Atmosphäre der Erde komplett blockiert. Es würde in dem Fall auch nicht nützen Teleskope im Weltall zu platzieren. Die Ionosphäre, also die entsprechende sehr dünne aber eben auch störende Schicht der Atmosphäre, reicht viele 100 Kilometer weit nach oben – und übt auch dort noch ihren störenden Einfluss aus, wo sich Weltraumteleskope vergleichsweise leicht in einer erdnahen Umlaufbahn platzieren lassen. Aber die Rückseite des Mondes wäre ein idealer Ort für solche Teleskope. Sie ist immer von der Erde abgewandt und der 3600 Kilometer dicke Mond ist ein mehr als ausreichendes Schutzschild gegen jegliche störende Radiostrahlung die von der Erde kommt.

Aber auch da muss man erst mal hinkommen und entsprechende Instrumente installieren. Am realistischten ist derzeit wohl der Vorschlag, der am seltsamsten klingt: Den Mond selbst als Teleskop zu benutzen. Natürlich nicht als klassisches Instrument; immerhin ist er ja nicht durchsichtig. Der Mond könnte uns nicht als Teleskop zur Beobachtung elektromagnetischer Strahlung dienen, sondern um Neutrinos zu beobachten. Über diese Elementarteilchen habe ich in Folge 289 der Sternengeschichten schon ausführlich gesprochen und in Folge 103 auch schon die Neutrinoastronomie vorgestellt, also den Versuch diese Teilchen zu detektieren und als astronomische Informationsquelle zu benutzen. Das ist gar nicht so einfach, denn Neutrinos treten so gut wie nie mit dem Rest der normalen Materie in Wechselwirkung. Sie werden zwar ständig bei allen möglichen astrophysikalischen Vorgängen im Universum erzeugt; bei der Kernfusion im Inneren von Sternen, bei Supernovaexplosionen; in der Umgebung schwarzer Löcher, und so weiter. Das Universum ist voll mit den Dingern! In jeder Sekunden fliegen 100 Millionen davon durch jeden Quadratzentimer hier auf der Erde. Aber sie reagieren eben so gut wie nie mit etwas. Wenn sie es doch ausnahmsweise einmal tun, laufen teilchenphysikalische Prozesse ab, die ich jetzt nicht im Detail erklären will, an deren Ende aber ein Lichtblitz auftritt, den man im Prinzip messen kann.

Ein Neutrinodetektor von innen (steht aber nicht auf dem Mond) (Bild: Public Domain)

Um Neutrinos zu detektieren nimmt man also – sehr vereinfacht gesagt – einen Haufen Materie, stattet ihn mit Sensoren aus und hofft, dass ein paar Neutrinos da drin hängen bleiben. In der Realität sind das zum Beispiel gigantische Tanks voller Wasser und Lichtsensoren. Aber es geht auch mit dem Mond. Der armenische Physiker Gurgen Askaryan hat 1962 untersucht was passiert, wenn Neutrinos auf den Staub treffen, der die Mondoberfläche bedeckt. Da entsteht auch eine Art Lichtblitz, nur handelt es sich in dem Fall um nicht um für uns sichtbares Licht sondern um Radiowellen. Er war damals der Meinung, so was könne man nur sehen, wenn man die Teleskope auch direkt auf dem Mond aufstellt. Aber mittlerweile ist man der Meinung das man mit der aktuellen Technik auch eine Chance hätte, das Auftreffen von Neutrinos auf dem Mond mit Radioteleskopen von der Erde aus detekieren zu können. Gelungen ist es noch nicht – aber es ist wesentlich einfacher die Teleskope hier auf der Erde zu verbessern als sie zum Mond zu fliegen. Vielleicht wird der Mond also in Zukunft tatsächlich nicht nur Forschungsobjekt der Astronomie sein, sondern auch eines ihrer Messinstrumente.

Und wer weiß: Wenn wir irgendwann zu unserem Nachbarn im All zurück kehren, dann können wir dort vielleicht auch all die wissenschaftlichen Instrumente und Einrichtungen bauen von denen ich heute erzählt habe. Lohnen würde es sich auf jeden Fall…

Kommentare (1)

  1. #1 Captain E.
    7. Juni 2019

    Mithilfe der aufgestellten Laserreflektoren (Lunar Laser Ranging – LLR) wird der Mond ja außerdem noch als Testkörper verwendet.