Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 342: Warum die Asteroiden Asteroiden heißen
Ich habe in den Sternengeschichten schon sehr oft über Asteroiden gesprochen. Über diese kleinen Himmelskörper gibt es ja auch jede Menge zu erzählen. Es sind höchst faszinierende Objekte von denen man jede Menge über das Universum lernen kann. Was ich aber noch nicht im Detail erzählt habe, ist der Ursprung ihres Namens. Also nicht warum einzelne Asteroiden so heißen, wie sie es tun (worüber ich ja auch schon gesprochen habe). Sondern wo das Wort “Asteroid” selbst her kommt.
Als der italienische Astronom Giuseppe Piazzi im Jahr 1801 den ersten Asteroid entdeckte hatte, nannte er ihn “Ceres”, wie ich in Folge 186 ausführlich erzählt habe. Und er nannte ihn “Planet”. Es gab damals gute Gründe davon auszugehen, dass sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter ein weiterer, noch unbekannter Planet befindet. Und als Ceres genau dort entdeckt wurde, hielt man ihn zuerst natürlich für genau diesen gesuchten planetaren Himmelskörper.
Man kannte ja auch nichts anderes. Man kannte Sterne, das waren die Objekte die am Nachthimmel leuchten und sich nicht bewegen zu scheinen. Man kannte die Planeten, also die Objekte, die am Nachthimmel leuchten und sich im Vergleich zu den Sternen bewegen. Und man kannte Kometen, die sich auch bewegen, aber völlig anders aussehen als Sterne und Planeten. Kometen waren verwaschene Wolken, mit langem Schweif; Sterne und Planeten waren Lichtpunkte. Und ein sich im Vergleich zu den Sternen bewegender Lichtpunkt wie Ceres, der sich genau da befand wo man einen Planeten gesucht hatte, wurde natürlich auch als Planet betrachtet.
1802 wurde ein weiteres neues Objekt entdeckt dessen Umlaufbahn zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter lag. Das war Pallas, den wir heute auch als Asteroid bezeichnen und der damals so wie Ceres “Planet” genannt wurde. 1802 mischte sich aber auch Wilhelm Herschel in die Angelegenheit ein. Herschel war kein Unbekannter, er wurde berühmt als er 1781 den Uranus entdeckte. Der war ohne jeden Zweifel ein Planet und es war damals das erste Mal, das ein Mensch einen neuen Planeten des Sonnensystems entdeckt hatte.
Herschel war unzufrieden damit, die neuen Objekte ebenfalls als “Planeten” zu bezeichnen. Er hatte Beobachtungen von Ceres und Pallas angestellt und wollte einen Artikel darüber veröffentlichen. Und suchte ein neues Wort, um diese beiden Himmelskörper bezeichnen zu können. Er schrieb damals seinem Freund, dem Naturforscher William Watson und erklärte, dass Ceres und Pallas deutlich kleiner sein müssen als die Planeten. Herschel konnte in seinem großen Teleskop erkennen, dass die Objekte zwar als kleine Scheibchen sichtbar waren, aber eben deutlich kleiner als die der Planeten und sie leuchteten auch schwächer. Auch die Bahnen von Ceres und Pallas waren gegenüber den Bahnen der anderen Planeten geneigt. Er war der Meinung, es handle sich um eine grundsätzlich andere Kategorie von Himmelskörper die auch anders benannt werden muss.
Er bat Watson in einem Brief darum eine Wort zu finden, dass einen “flinken, kleinen Eindringling der sich schräg durch die majestätischen Umlaufbahnen der großen Körper des Sonnensystems bewegt” zu finden. Watsons Vorschläge fand Herschel allerdings nicht so gut. Watson dachte sich verschiedene Verkleinerungsformen des Wortes “Planet” aus. Zum Beispiel “Planetel”, “Planeret”, “Planetkin”, “Planetine” und “Planetling”. Unzufrieden damit schrieb Herschel nun an Sir Joseph Banks, dem Präsidenten der Royal Society. Wenn sich einer damit auskennt, Dingen Namen zu geben, dann dieser Botaniker der haufenweise neu entdecke Pflanzen benannt hat. Banks gab diese Aufgabe an den Sprachwissenschaftler Stephen Weston weiter und der schickte ihm tatsächlich ein paar Namen, die aber leider nicht überliefert sind.
Herschel war aber jedenfalls auch damit unzufrieden. “Keiner davon kann für die neue Art von Objekten verwendet werden, die wir zu benennen haben.”, schrieb er. In der Zwischenzeit hatte Herschel auch selbst über das Problem nachgedacht. Das Wort auf das er kam war “Asteroid” und er war damit nicht absolut zufrieden. Aber da all die anderen Vorschläge seiner Meinung nach noch unbrauchbarer waren, blieb er dabei.
Schon am 22. Mai 1802 schrieb er einen Brief an die wissenschaftlichen Größen der damaligen Zeit. Carl Friedrich Gauss, Jerome Lalande, Heinrich Olbers, Johan Elert Bode, Johann Schroeter, Giuseppe Piazzi, Pierre-Simon Laplace und einige andere wurden von ihm informiert, dass die neuen Himmelskörper zwischen all den Sternen am Himmel stehen und auch in einem guten Teleskop so sehr wie punktförmige Sterne aussehen, dass er sie “Asteroiden” als “Sternähnliche” nennen möchte.
Die Wahl dieses Wortes wurde nicht sonderlich begeistert aufgenommen. Piazzi schrieb an Herschel, dass er lieber das Wort “Planetoid” verwenden würde. Andere, wie der Chemiker Thomas Thomson waren ihm sogar Eifersucht vor. Herschel wäre nur deswegen so dringend auf der Suche nach einem anderen Namen für Ceres und Pallas, weil er selbst der einzige sein wollte, der als Entdecker eines echten Planeten bezeichnet werden kann. Anderswo, vor allem im deutschsprachigen Raum wo viele der damaligen Asteroidenbeobachter lebten, ignorierte man den Begriff vorerst komplett.
Aber die Liste der immer noch weit verbreitet als “Planeten” bezeichneten Objekte wurde immer länger. 1803 kam “Juno” dazu, 1807 “Vesta”. Es dauerte bis 1845, als “Astrea” entdeckt wurde und von dann an ging es rasch voran. Die Begriffe “Asteroid” und “Planet” wurden wild durcheinander verwendet. So schrieb zum Beispiel der Astronom William Thynne Lynn im Jahr 1867 “Professor C.H.F. Peters hat einen weiteren kleinen Planeten gefunden. Diese Entdeckung ist einigermaßen bedeutsam, weil es nun 100 bekannte hauptsächliche Planeten im Sonnensystem gibt.” Später, als er die Geschichte der Planetenentdeckungen zusammenfasst verwendet er aber die Wörter “Asteroid” und “Kleinplanet”.
Als 1846 der wiederum zweifelsfrei als solcher erkennbare Planet Neptun entdeckt wurde, wurde er als 13. Planet des Sonnensystems geführt. Das Wort “Asteroid” hatte dank Herschel zwar Einzug in die Astronomie gehalten, aber es hatte noch nicht die klare Bedeutung, die es heute hat. In den Berichten über die Entdeckung und Beobachtung weiterer kleiner Himmelskörper zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter wurde weiterhin von “Planeten” geschrieben, von “kleinen Planeten”, von “Planetoiden” und so weiter. Bis zu einem gewissen Grad haben diese Begriffe bis heute überlebt. Gerade im Deutschen sind die Wörter “Planetoid” und “Kleinplanet” immer noch als Synonym für “Asteroid” in Verwendung und die international anerkannte Stelle an der alle Informationen über Asteroiden und Kometen zusammen getragen und analysiert werden, heißt heute noch das “Minor Planet Center”, also das “Kleinplanetenzentrum”.
Maßgeblich dazu beigetragen, dass das Wort “Asteroid” seine heutige Bedeutung erlangt hat, hat der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt. All seine Leistungen aufzuzählen würde eine ganze Serie an Podcasts nötig machen. Aber in seinem Hauptwerk mit dem Titel “Kosmos” hat er auch alles zusammengefasst was man damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts über das Sonnensystem wusste. In Kapitel 14 des dritten Bandes beschreibt Humboldt das Sonnensystem so wie es damals bekannt war und zählt “22 Hauptplaneten” auf: Merkur, Venus, Erde, Mars; Flora, Victoria, Vesta, Iris, Metis, Hebe, Parthenope, Irene, Asträa, Egeria, Juno, Ceres, Pallas, Hygiea; Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun. In dieser Liste sind aber nur die acht Objekte die wir auch heute noch als Planet bezeichnen fett gedruckt und Humboldt erklärt:
“Bei der Aufzählung der 22 Hauptplaneten (…) sind die 14 Kleinen Planeten (bisweilen auch Coplaneten und Asteroiden genannt, und in unter einander verschlungenen Bahnen zwischen Mars und Jupiter liegend) (…) von den 8 größeren Planeten unterschieden worden.”.
In Kapitel 16 findet man dann auch eine Tabelle, die den Titel “Zeitfolge der planetarischen Entdeckungen (Haupt und Nebenplaneten) seit der Erfindung des Fernrohrs im Jahr 1608” trägt. Mit “Nebenplaneten” sind die Monde der Himmelskörper gemeint und zu den “Hauptplaneten” erklärt Humboldt:
“Ein Sternchen ist der Classe von Hauptplaneten beigefügt, welche eine eigene und sehr ausgedehnte Gruppe, gleichsam einen Ring von 33 Millionen geographischer Meilen Breite, zwischen Mars und Jupiter bilden; und gewöhnlich Kleine Planeten, auch wohl: telescopische, Coplaneten, Asteroiden oder Planetoiden, genannt werden.”
Und tatsächlich sind die damals 14 bekannten Objekte der Liste die wir heute zu den Asteroiden zählen mit einem Stern markiert. Viel wichtiger ist aber die Einteilung, die Humboldt danach vornimmt. Er fasst Merkur, Venus, Erde und Mars zu den “inneren Planeten” zusammen und Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun zu den “äußeren Planeten”. Dazwischen platziert er die “mittlere Gruppe”, wo die 14 Asteroiden liegen. Er schreibt dazu: “Diese mittlere Planetengruppe hat den abweichendsten Charakter: durch ihre in einander verschlungenen, stark geneigten und excentrischen Bahnen; durch die beträchtliche Kleinheit ihrer Planeten.” Außerdem schreibt er ab nun von diesem Bereich als den “Ring der Asteroiden” und nimmt damit den Begriff “Asteroidengürtel” vorweg den wir heute verwenden.
Humboldt vermischt zwar ebenfalls noch die Begriffe “Asteroid” und “Planet”, weist aber immer wieder auf deren grundlegende Unterschiede hin und vor allem darauf, dass sich die Asteroiden alle zusammengedrängt in einem Ring zwischen den beiden Gruppen der inneren und äußeren Planeten befinden.
Wie populär Humboldt damals auf der ganzen Welt war und wie weit verbreitet seine Werke können wir uns heute nur noch schwer vorstellen. Aber er war extrem einflussreich und seine Beschreibung der Asteroiden hat dann dazu geführt dass wir darunter heute das verstehen, was sie tatsächlich sind. Keine Planeten, sondern kleine Objekte die es nicht geschafft haben, sich zu einem großen Planeten zusammenzufinden.
“Asteroid”, also “sternähnlich” ist allerdings trotzdem kein wirklich passender Begriff. Mit Sternen haben die Asteroiden nichts zu tun. Herschel hatte Recht mit seinem Unbehagen wegen dieses Wortes und seiner Suche nach besseren Begriffen. Aber er hatte auch Recht damit, die übrigen Vorschläge zu verwerfen. Immer noch besser wir reden von “Asteroiden” als von “Planetlingen”…
Mehr Informationen:
- Cunningham, C. J., Marsden, B. G., & Orchiston, W.: “How the first dwarf planet became the asteroid Ceres”
- Cunningham, C.J., Orchiston, W.: “Who Invented the Word Asteroid: William Herschel or Stephen Weston?”
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