Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 366: Wie kalt kann es im Universum werden?
Wie kalt können Dinge werden? Das Weltall ist enorm kalt und manche Dinge darin sind noch viel kälter. Aber wie kalt können Dinge wirklich werden? Was ist niedrigste mögliche Temperatur?
Im Alltag haben wir es mit Temperaturen zu tun die in Grad Celsius gemessen werden. Wenn man mal von den USA, Belize, den Bahamas und den Cayman-Inseln absieht, wo offiziell immer noch die eher seltsame Fahrenheit-Skala verwendet wird. Aber alle anderen messen Temperaturen in Celsius und da haben wir ein recht gutes Gefühl dafür, was kalt ist und was nicht. Kalt ist es auf jeden Fall, wenn die Temperaturen negativ werden. Bei Minusgraden gefriert auch das Wasser und wir müssen uns warm anziehen, wenn wir uns draußen herumtreiben. Die tiefste Temperatur die bis jetzt auf der Erde gemessen wurde betrug -89 Grad Celsius. So frisch war es am 21. Juli 1983 in Wilkesland, einer Region an der Ostküste der Antarktis. In Deutschland ist die Temperatur am 12. Februar 1929 in Oberbayern auf -38 Grad gesunken; die Schweiz hat am 12. Januar 1987 -42 Grad geschafft und in Österreich war es am 19. Februar 1932 in Lunz am See -52 Grad kalt. Aber es geht natürlich noch kälter!
Im Weltall ist es -270 Grad kalt. Und da fangen die Probleme schon an. Nicht wegen der tiefen Temperaturen. Sondern weil es da langsam schwierig wird, das alltägliche Konzept der Temperatur zu verwenden. Denn da verstehen wir ja normalerweise das, was wir auch entsprechend spüren. Das hat jeder schon mal erlebt, zum Beispiel wenn man eine Sauna besucht. Da kann die Luft durchaus Temperaturen von 90 bis 100 Grad Celsius haben und wir halten das nicht nur aus sondern gehen da sogar noch freiwillig rein. Wohingegen niemand freiwillig in 100 Grad heißes Wasser hüpfen würde und wenn doch, würde man mit schwersten Verbrennungen wieder rauskommen. Dass heißes Wasser bei gleicher Temperatur so viel heißer erscheint als heiße Luft liegt an der Dichte. Im Wasser finden wir im gleichen Volumen sehr viel mehr Atome beziehungsweise Moleküle als in der Luft. Die bewegen sich um so schneller, je mehr Energie sie haben und sie haben um so mehr Energie je größer die Temperatur ist. Diese Energie übertragen die Teilchen dann durch Stöße aufeinander beziehungsweise eben auf uns und wenn da mehr Teilchen sind, fühlt es sich heißer an.
Das Weltall ist aber ja bekanntlich ziemlich leer. Und wo nichts ist, kann man auch keine Temperatur spüren. Die Temperaturen im Weltall von denen ich jetzt reden werde darf man also nicht direkt mit den Temperaturen vergleichen die wir von der Erde kennen. Unsere Sonne schleudert zum Beispiel ständig Teilchen ihrer Atmosphäre ins All. Das nennt sich Sonnenwind bzw. kosmische Strahlung und ich habe davon schon in den Folgen 10 und 317 der Sternengeschichten gesprochen. In diesen Teilchen steckt jede Menge Energie, sie haben eine Temperatur von einigen Millionen Grad. Da es aber eben vergleichsweise wenig Teilchen sind, haben sie auch wenig Chance im Vakuum des Alls auf irgendwas zu treffen und diese Energie zu übertragen. Würde man sich im Weltall aufhalten, müsste man sich also keine Sorgen machen in der “Hitze” des Sonnenwindes zu verbrennen. Die Teilchen sausen an uns vorbei und wenn doch mal das eine oder andere trifft kann es nicht viel ausrichten.
Ein Vakuum wie im All ist also zwangsläufig kalt weil da nichts ist, das eine Temperatur haben kann bzw. Energie übertragen könnte. Nur ist das All kein perfektes Vakuum. Ein bisschen was ist immer da. Im ganzen Universum finden wir zum Beispiel die kosmische Hintergrundstrahlung die ich in Folge 316 ausführlich erklärt habe. Es handelt sich – vereinfacht gesagt – um Strahlung die kurz nach dem Urknall entstanden ist, sich seitdem überall durchs Universum bewegt und deswegen heute dort noch immer überall zu finden ist. In jedem Kubikzentimeter des Alls ein paar hundert Photonen der Hintergrundstrahlung, was aber immer noch enorm wenig ist denn so ein Photon ist winzig und ein Kubikzentimeter im Vergleich dazu gigantisch. Aber man kann dieser Hintergrundstrahlung eine Temperatur zuordnen, denn eine Strahlung entspricht ja immer auch einer Energie. Und in dem Fall ist es eben eine Temperatur von -270 Grad Celsius. Die Hintergrundstrahlung ist überall im All und deswegen hat es auch überall eine Temperatur von -270 Grad Celsius.
Damit sind wir schon fast bei dem Wert angelangt, an dem es nicht mehr kälter geht. Denn so einen absoluten Nullpunkt gibt es tatsächlich. Er liegt bei -273,15 Grad Celsius und ist gleichzeitig der Nullpunkt einer Temperaturskala die in der Wissenschaft verwendet wird. Diese “absolute Temperaturskala” misst Temperaturen nicht in Grad Celsius sondern in Kelvin (man sagt hier “Grad” nicht mehr dazu) und der absolute Nullpunkt liegt bei 0 Kelvin oder eben -273,15 Grad Celsius. Wieso geht es aber nicht kälter? Das liegt an den Eigenschaften der Materie selbst. Ich habe vorhin ja schon erklärt, dass die Temperatur um die es hier geht mit der Bewegung zusammenhängt. Will man wissenschaftlich korrekt sein, muss man jetzt erklären, was “Entropie” ist. Das werde ich jetzt nicht in vollem Umfang tun, denn dann wird es wirklich kompliziert. Aber vereinfacht gesagt wird die Entropie eines Systems immer geringer, je geringer auch die Temperatur wird. Das kann man sich anschaulich mit einem Eiswürfel vorstellen. Damit Wasser fest sein kann, müssen sich die Moleküle auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu einem Kristall anordnen. Ansonsten wirbeln die Moleküle einfach durcheinander und wir haben flüssiges Wasser. Je mehr Energie, desto schneller bewegen sich die Atome und desto schwieriger bzw. desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie genau den einen geordneten Kristallzustand einnehmen der festes Eis bedeutet. Je höher die Temperatur, desto mehr Energie steckt in den Molekülen, desto mehr mögliche Zustände können sie einnehmen und desto größer ist die Entropie, die ein Maß für die Menge der möglichen Zustände ist. Umgekehrt betrachtet sinkt die Anzahl der möglichen Zustände je weniger Energie in den Teilchen steckt und je geringer also ihre Temperatur ist.
Wieder vereinfacht gesagt: Je kälter etwas ist, desto weniger Bewegungsenergie steckt in den Teilchen, desto weniger Möglichkeiten haben sie sich anzuordnen und desto geringer ist die Entropie. Und wenn es überhaupt keine Bewegung; keine Vibration, kein gar nichts mehr gibt, hat das System gar keine Entropie mehr und keine Temperatur. Das ist der absolute Nullpunkt und er existiert wirklich nur in der Theorie. Man kann sich einer Temperatur von 0 Kelvin zwar theoretisch beliebig weit annähern, sie aber nie erreichen. Das liegt im wesentlichen an der Quantenmechanik die sagt, dass ein Teilchen nie ganz “still” sein kann, weil es in der Quantenmechanik ja auch keine “Teilchen” mehr gibt. Ein Teilchen das nix tut hätte einen fixen Ort und eine fixe Geschwindigkeit (nämlich null). Das kann aber nicht sein, weil es “Teilchen” eben eigentlich nicht gibt; zumindest nicht in Form der kleinen Kügelchen die wir uns immer so gern vorstellen. “Teilchen” sind “etwas” das man nicht genau lokalisieren kann; das immer ein wenig im Raum verteilt ist – weswegen uns Teilchen ja auch immer ein wenig wie eine Welle erscheinen können – und keinen fixen Ort und keine fixe Geschwindigkeit HAT. Genau das besagt die berühmte Heisenbergsche Unschärferelation: Es ist schlicht und einfach unmöglich sowohl den Ort als auch die Geschwindigkeit eines Teilchens exakt zu kennen. Das wäre aber bei einer Temperatur von 0 Kelvin der Fall und deswegen kann sie nie erreicht werden.
Wir kommen aber schon ziemlich weit ran. Zum Beispiel durch “Laserkühlung”. Simpel gesagt beschießt man dabei die Atome eines Gases mit einem Laser, also mit Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge. Die ist so auf die Atome abgestimmt, dass sie die Energie des Laserlichts aufnehmen und gleich wieder abgeben, wobei sie eine Art “Rückstoß” erfahren, also ein wenig Bewegungsenergie verlieren. Wenn der Laser genau richtig abgestimmt ist, kann man alles so einrichten, dass der Rückstoß immer in die gleiche Richtung geht, die Atome also immer weiter abgebremst und damit gekühlt werden. Es gibt noch andere ähnliche Techniken die zur maximalen Kühlung eingesetzt werden können und damit erreicht man Temperaturen die nur noch ein paar Milliardstel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt liegen.
Das ist mehr als das Universum schafft! Der kälteste Ort den wir da bis jetzt gefunden haben liegt 5000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Zentaur. Es handelt sich um einen Stern der schon am Ende seines Lebens angekommen ist und jede Menge Gas und Staub hinaus ins All schleudert. So hat sich ein großer, bunter kosmischer Nebel gebildet der “Bumerangnebel” genannt wird und – wie die Europäische Südsternwarte 1995 gemessen hat – mit einer Temperatur von 1 Kelvin der kälteste bekannte Ort des Universums ist. Das liegt daran, dass sich das Gas in diesem Nebel mit mehr als einer halben Million km/h vom Stern fortbewegt. Der ganze Nebel expandiert also enorm schnell und das führt zu einer starken Abkühlung. Das kennt man auch aus dem Alltag: Wenn man etwa Gas aus einer Deodose sprüht, dehnt sich das ja auch sehr schnell sehr stark aus. Und die Dose kühlt deswegen spürbar ab. Es braucht Energie, damit sich die Teilchen des Gases alle voneinander entfernen können und die Temperatur sinkt.
Es kann gut sein, dass es irgendwo anders im Universum noch kälter ist. Vielleicht sogar kälter als in den irdischen Labors mit ihren Laserkühlanlagen. So einen Ort haben wir bis jetzt noch nicht gefunden. Aber aus menschlicher Sicht ist es sowieso egal, ob es irgendwo 3 Kelvin, 1 Kelvin oder ein Milliardstel Kelvin hat. Wir frieren schon viel früher und wenn unsere Körpertemperatur unter 293 Kelvin – was 20 Grad Celsius sind – sinkt, dann sind wir tot…
Kommentare (16)