Manche Fragen klingen simpel. Aber je länger man darüber nachdenkt, desto komplizierter und faszinierender wird es. Eine solche Frage ist “Wie viele Monde hat die Erde?”. Klingt einfach: Natürlich einen! Aber wenn man ein wenig genauer hinsieht, dann steckt ein wenig mehr dahinter und es gibt einen ganzen Haufen Himmelskörper die man zumindest zum Teil oder zeitweilig als “Monde” der Erde bezeichnen könnte.
Was es aber auf jeden Fall immer wieder gibt, sind sogenannte “Temporarily Captured Orbiters (TCOs)”. Also Objekte, die für eine gewisse Zeit die Erde umkreisen, aber das nicht dauerhaft schaffen. Von all den Asteroiden die im Sonnensystem rumfliegen gibt es immer mal wieder welche, die von der Gravitation der Erde beeinflusst und abgelenkt werden. Manchmal aber auch “eingefangen”: Nicht dauerhaft, sondern nur für ein paar Runden um die Erde bevor sie wieder ihre eigenen Wege gehen. Computersimulationen zeigen, dass im Schnitt zu jeder Zeit mindestens ein Objekt mit einer Größe von mindestens einem Meter so ein TCO der Erde ist. Beziehungsweise ein “Minimond”, wie sie ab und zu auch viel netter genannt werden. Beobachten lassen sich die Dinger aber kaum; dafür sind sie viel zu klein.
Mit Sicherheit wissen wir bisher nur von einem solchen TCO: Der Asteroid mit der Bezeichnung 2006 RH120. Das Ding ist nur zwei bis drei Meter groß, wurde am 14. September 2006 entdeckt und bis Juni 2007 in einer Umlaufbahn um die Erde. Das hat für vier Umläufe um unseren Planeten gereicht bevor das Objekt dann wieder eine eigene Umlaufbahn um die Sonne verfolgt hat. Australische Wissenschaftler von der Curtin Universität in Perth haben nun einen weiteren potentiellen Minimond ausgemacht. Beziehungsweise das Ende eines solchen
Patrick Shober und seine Kollegen haben einen Meteor untersucht der am 22. August 2016 über Australien zu sehen war (“Identification of a Minimoon Fireball”). Das Ereignis mit der Bezeichnung DN160822_03 ist jetzt erstmal nicht außergewöhnlich. Am Himmel der Erde sind ständig verglühende kleine Himmelskörper zu sehen; wir nennen das “Sternschnuppe” und freuen uns im Allgemeinen darüber. In diesem Fall hatten Shober und seine Kollegen allerdings festgestellt, dass das Ding sehr langsam war. Nur 11 Kilometer pro Sekunde war das Objekt schnell, bevor es verglühte. Und wenn das auch in alltäglichen Maßstäben recht flott ist, ist es aus kosmischer Sicht durchaus interessant. Denn die Fluchtgeschwindigkeit der Erde beträgt 11,2 Kilometer pro Sekunde. Das heißt, alles sich dauerhaft von der Erde entfernen will, muss schneller als 11,2 km/s sein. Oder anders gesagt: Alles was von außen auf die Erde fällt, muss mindestens 11,2 km/s schnell sein. Ist es langsamer, dann muss es zuvor auf die eine oder andere Art an die Erde gebunden gewesen sein.
Ob das bei dem Objekt das den Meteor über Australien verursacht hat auch so war, lässt sich mit absoluter Sicherheit nicht sagen. Es ist immer schwer aus der Beobachtung des Verglühens in der Atmosphäre auf die frühere Umlaufbahn des Objekts zu schließen dass da gerade verglüht. Shober und seine Kollegen haben es mit aufwendigen Computersimulationen versucht und kamen zu dem Schluss: Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 95 Prozent war der kleine Himmelskörper dessen Ende man im August 2016 beobachten konnte zuvor in einer Umlaufbahn um die Erde gewesen.
Wie viele Monde man der Erde nun auch immer zugestehen mag: Seit 2016 hat sie einen weniger! Beziehungsweise hat sie vermutlich in der Zwischenzeit auch schon wieder den einen oder anderen Minimond dazu bekommen – und andere verloren von denen wir nichts mitbekommen haben. Man kann darüber streiten ob die Bezeichnung “Mond” (selbst mit dem “Mini”-Zusatz) für solche winzigen, temporären Himmelskörper passend ist. Aber wir sollten definitiv mehr darüber herausfinden. Denn ihre Beobachtung kann uns etwas darüber verraten, was da in der unmittelbaren Umgebung unseres Planeten so vor sich geht. Wir werden also weiter die Meteore beobachten, die Dynamik der Minimonde am Computer erforschen und vielleicht in Zukunft mehr von ihnen finden bevor sie verglühen oder verschwinden. Denn Monde kann man ja eigentlich nie genug haben…
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