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Sternengeschichten Folge 376: Die Atmosphäre der Venus
Unser Nachbarplanet Venus ist ein seltsamer Himmelskörper. Neben Sonne und Mond ist er das hellste Objekt das wir am Himmel sehen können. Den Namen hat er von der Göttin der Liebe; besser wäre aber wohl eine Bezeichnung gewesen, die sich auf Feuer und Höllenglut bezieht. Denn wenn es eine Welt im Sonnensystem gibt die so richtig lebensfeindlich ist, dann ist das die Venus.
Dabei sehen die Voraussetzungen eigentlich recht gut aus. Der Planet ist in etwa so groß und schwer wie unsere Erde. Er befindet sich halt nur ein wenig näher an der Sonne als unser Planet. Also könnte man ja auch glauben, dass es dort einfach nur ein wenig wärmer ist als bei uns; ansonsten aber recht ähnlich. Und tatsächlich war das in etwa auch das Bild, das man sich lange von der Venus gemacht. Eine Welt wie die Erde, nur ein bisschen wärmer. Eine heiße, tropische Dschungelwelt auf der durchaus auch Leben existieren kann. Wer einen Blick in die etwas ältere Science-Fiction-Literatur wirft, der findet dort auch oft genau dieses Bild der Venus. Noch bis in die 1960er Jahre war die “Dschungelvenus” auch aus wissenschaftlicher Sicht zumindest nicht völlig unplausibel.
1962 aber flog die Mariner 2 Sonde der NASA als erste Raumsonde an der Venus vorbei; 1966 machte Venera 3 der Sowjetunion die erste Bruchlandung auf der Oberfläche; 1967 erforschte Venera 4 als erstes die Atmosphäre des Planeten und 1970 erfolgte die erste sanfte Landung von Venera 7. Mittlerweile war klar: Auf der Venus ist es heiß. Im Mittel beträgt die Temperatur dort 464 Grad Celsius; die Maximalwerte liegen bei 497 Grad und es wird auf der Oberfläche nicht kälter als 437 Grad. Der Grund für diese extreme Hitze ist die Atmosphäre der Venus.
Die besteht zu 96,5 Prozent aus Kohlendioxid. Den Rest macht Stickstoff aus und dann gibt es noch Spuren von Schwefeldioxid, Argon und einigen anderen Gasen. Bei der Erde macht Stickstoff 78 Prozent der Atmosphäre aus – trotzdem hat die Venus insgesamt fast fünfmal so viel Stickstoff in ihrer Atmosphäre als wir. Was daran liegt, dass die Atmosphäre dort auch enorm umfangreich und dick ist. Insgesamt hat sie knapp 90 mal so viel Masse als die Erdatmosphäre; der Druck den man auf der Oberfläche der Venus spürt entspricht dem, den man auf der Erde in mehr als 900 Meter Tiefe unter der Meeresoberfläche spüren würde.
So wie auf der Erde wird auch die Venusatmosphäre nach oben hin immer dünner; um einen Luftdruck zu erreichen der dem auf der Erdoberfläche entspricht muss man sich aber circa 50 Kilometer von der Venusoberfläche entfernen. Bei uns auf der Erde spielen sich das Wetter und alle anderen relevanten Vorgänge im wesentlichen in den unteren 8 bis 10 Kilometern der Atmosphäre ab. Bei der Venus reichen die Wolkenschichten bis weit über 50 Kilometer nach oben und es sind auch keine Wolken aus Wasser so wie bei uns. Sondern aus Schwefelsäure und es sind auch keine vereinzelten Wolken die über den Himmel ziehen sondern es handelt sich um eine dauerhaft geschlossene Wolkenschicht die circa 20 Kilometer dick ist. Von dort aus regnet es Schwefelsäure, die aber die Oberfläche der Venus nicht erreicht sondern schon weit davor aufgrund der hohen Temperaturen verdampft. Sie zersetzt sich in Schwefeldioxid, Wasser und Sauerstoff und das Zeug steigt wieder nach oben bis es weit genug abgekühlt ist und in der Wolkenschicht neue Schwefelsäure bilden kann.
Die dicke und immer geschlossene Wolkenschicht ist auch der Grund warum wir die Oberfläche der Venus nicht sehen können. Bis auf die paar Bilder der sowjetischen Raumsonden aus den 1970er Jahren haben wir die Strukturen dort nur mit Radarstrahlen aus großer Entfernung abgetastet und rekonstruiert, aber nicht direkt “gesehen”. Der Blick auf die Venus zeigt uns nur eine gelb-weißliche, irgendwie cremig aussehende strukturlose Wolkendecke. Die wirft übrigens 77 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts zurück; der Rest wird zu einem großen Teil von der gewaltigen Wolkenschicht absorbiert. Dieser ständige Nachschub an Sonnenenergie führt dazu, dass sich die Wolken mit enorm hohen Geschwindigkeiten von um die 100 Meter pro Sekunde (aber oft auch noch schneller) um den Planeten herum bewegen. Die Wolkenschicht rotiert also in knapp 4 Tagen einmal um den Planeten, was 60 Mal schneller ist als sich der Planet selbst um seine Achse dreht.
Aber wie ist unser Nachbarplanet zu so einer enormen und lebensfeindlichen Atmosphäre gekommen? Denn an sich ist die Venus tatsächlich der Erde sehr ähnlich. Sie ist vor 4,5 Milliarden aus der gleichen Wolke aus Gas und Staub um die Sonne herum entstanden; ihr innerer Aufbau entspricht im wesentlichen dem der Erde; sie hat einen Metallkern mit einer Gesteinsschicht. Alles so wie bei uns, nur ein bisschen näher an der Sonne. Und genau das hat den Unterschied ausgemacht!
Man geht davon aus, dass die junge Venus und die junge Erde sich tatsächlich sehr ähnlich waren. Auf beiden Himmelskörpern hat es flüssiges Wasser und Ozeane gegeben. Aber auf der Venus war es eben immer ein wenig wärmer als auf der Erde. Wasser ist aus den Meeren der Venus verdampft und Wasserdampf ist ein sehr starkes Treibhausgas. Es wurde NOCH wärmer als vorher und ein unaufhaltsamer Treibhauseffekt hat eingesetzt bis das ganze Wasser in der Atmosphäre gelandet ist. Zusammen mit dem Kohlendioxid – davon hat die Venus jetzt an sich auch nicht unbedingt mehr als die Erde. Aber im Gegensatz zu unserem Planeten ist das CO2 auf der Venus mehr oder weniger komplett in der Atmosphäre zu finden.
Um das zu verstehen müssen wir noch ein wenig über Plattentektonik reden. Die haben wir hier auf der Erde, auf der Venus gibt es sowas aber nicht. Es gibt und gab dort verschiedene tektonische Aktivitäten und auf jeden Fall jede Menge Vulkanismus; unter Umständen sogar heute immer noch. Aber was auf der Venus fehlt ist das ständige Wandern der tektonischen Platten; es gibt keine Kontinentalverschiebungen wie auf der Erde. Dazu ist es auf der Venus zu heiß und zu trocken und das hat Folgen. Die Plattentektonik spielt auf der Erde eine wichtige Rolle beim Recycling des Kohlenstoffs. CO2 wird etwa aus der Atmosphäre vom Gestein aufgenommen und dann mit der Wanderung der Kontinente irgendwann in den Erdmantel tief unter die Oberfläche transportiert. Von dort kommt es dann lange Zeit später wieder durch Vulkanismus zurück in die Atmosphäre. Bei der Venus bleibt das Kohlendioxid das einmal in die Atmosphäre gelangt ist auch dort. Und wird immer mehr; bis wir bei einer Atmosphäre wie der heutigen angelangt sind, die fast nur aus CO2 besteht.
Die Venus ist also kein Ort für uns Menschen. Auf ihrer Oberfläche können wir nicht existieren. Was nicht heißt, das Leben dort völlig ausgeschlossen ist. Es gibt Hypothesen dass hoch oben in der Atmosphäre Bakterien und andere Kleinstlebewesen existieren könnten. In 50 Kilometer Höhe über der Oberfläche ist der atmosphärische Druck in etwa so stark wie hier bei uns auf der Erde und die Temperatur liegt bei 75 Grad Celsius. Noch weiter oben ist es dann schon fast angenehm kühl; es gibt auch Wasser in der Atmosphäre. Von außen kommt Energie aus dem Sonnenlicht und im Prinzip wäre alles da, was Leben braucht. Konkret nachgewiesen hat man solches Leben in der Venusatmosphäre aber noch nicht. Dazu müssten wir Raumsonden zu unserem Nachbarplaneten schicken die ganz konkret in diesen atmosphärischen Schichten auf die Suche gehen. Oder vielleicht doch selbst nachschauen: Denn man kann sich auch vorstellen, dass wir – wenn schon nicht auf der Oberfläche der Venus – zumindest in der Atmosphäre “landen”; in den Schichten die halbwegs angenehme Bedingungen bieten und dort eine Art schwebende Habitate bauen. Dann sollten wir aber auf jeden Fall die widerstandsfähigen Regenschirme nicht vergessen: Schwefelsäureregen ist auch dann unangenehm, wenn es nicht höllisch heiß ist.
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