Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 377: Morgenstern, Abendstern und Venuslichter
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich über die Atmosphäre der Venus gesprochen und über die enorm höllischen und lebensfeindlichen Bedingungen die auf unserem Nachbarplaneten herrschen. Dass es auf der Venus so extrem unfreundlich ist können wir von der Erde aus aber nicht sehen. Die Venus an sich sehen wir aber sehr gut. Tatsächlich ist die Venus nach der Sonne und dem Mond das dritthellste Objekt an unserem Himmel. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade die Venus – so wie Sonne und Mond – in der Geschichte der Menschheit und in den Geschichten die wir uns über die Welt erzählen immer schon eine wichtige Rolle gespielt hat.
So gut wie jede Kultur hat in ihrer Religion eine Gottheit die mit der Venus assoziert wird. Manche sogar zwei, denn die Venus spielt an unserem Himmel gewissermaßen eine Doppelrolle. Sie kann sowohl der Morgenstern als auch der Abendstern sein. Und bevor uns weiter der Venus widmen sollten wir diese Begrifflichkeiten zuerst einmal klären. Ganz allgemein ist ein “Morgenstern” ein Objekt am Himmel das – wie der Name sagt – am Morgen hell leuchtend gut sichtbar ist; kurz bevor die Sonne aufgeht. Umgekehrt ist ein “Abendstern” ein hell leuchtendes Objekt das am Abendhimmel zu sehen nachdem die Sonne untergeht. Die Rolle von Morgen- und Abendstern können im Prinzip unterschiedliche und verschiedene Objekte spielen. Merkur zum Beispiel wäre ein guter Kandidat. Dieser Planet ist von allen der Sonne am nächsten. Was nichts anderes heißt, dass er am Himmel auch nie weit entfernt von der Sonne zu sehen sein kann. Es ist zum Beispiel unmöglich, den Merkur irgendwann um Mitternacht am Himmel zu beobachten. Denn da ist die Sonne schon weit hinter dem Horizont verschwunden und mit ihr auch der Merkur. Nur kurz bevor die Sonne aufgeht beziehungsweise kurz nachdem sie untergeht kann der Merkur beobachtet werden. Allerdings ist er am Himmel oft schwer zu sehen; einerseits weil er sich morgens und abends in der Nähe des Horizonts befindet wo Gebäude, Berge und anderes Zeug uns den Blick verstellen kann. Andererseits weil er klein ist und schwach leuchtet und das ganze noch dazu in der Morgen- bzw. Abenddämmerung wo die Sonne schon anfängt unseren Blick auf den Nachthimmel zu stören.
Der Jupiter kann auch ab und zu mal vor Sonnenaufgang bzw. nach Sonnenuntergang hell am Himmel leuchten; aber der wahre Abend- und Morgenstern ist die Venus. Sie ist der zweite Planet von der Sonne aus gesehen; ist also so wie der Merkur nie weit von ihr entfernt am Himmel. Sie ist der Erde aber sehr viel näher als der Merkur und deutlich größer. Die Venus ist fast so groß wie die Erde und ständig von einer dicken Wolkenschicht eingehüllt die mehr als drei Viertel des einfallenden Sonnenlichts reflektiert. Das alles führt dazu, dass die Venus extrem hell leuchten kann und das vor allem in der Morgen- bzw. der Abenddämmerung tut.
Ob die Venus morgens oder abends am Himmel zu sehen ist, hängt natürlich davon ab, wo sie sich entlang ihrer Bahn gerade befindet. Wenn die Venus von uns aus gesehen im Westen der Sonne steht, dann geht sie auch vor der Sonne auf und ist als Morgenstern sichtbar. Das macht sie dann circa ein halbes Jahr lang; danach hat sie sich so weit bewegt, dass sie von uns aus gesehen hinter dem Stern verschwindet und vom Sonnenlicht überstrahlt wird. Erst drei Monate später ist die Venus auf ihrer Bahn so weit östlich der Sonne gelangt dass sie wieder von der Erde aus sichtbar ist und zwar nun am Abendhimmel kurz nachdem die Sonne untergegangen ist. Jetzt spielt sie ein halbes Jahr lang die Rolle des Abendsterns bevor sie von uns aus gesehen vor der Sonne vorbei zieht und nicht mehr gesehen werden kann. Mit einer Periode von 19 Monaten wiederholt sich dieses Wechselspiel von Morgenstern zu Abendstern. Diese Beziehung war den Menschen schon früh bekannt; der erste der herausgefunden haben soll dass Morgen- und Abendstern beide der gleiche Himmelskörper sind soll der griechische Mathematiker Pythagoras von Samos gewesen sein; im 6 Jahrhundert vor Christus.
Das hat die Menschen aber nicht daran gehindert, die Venus in jede Menge Mythen einzubauen. Im antiken Griechenland nannte man den Morgenstern “Eosphoros” oder “Phosphoros”, also “Bringer der Morgendämmerung” beziehungsweise “Lichtbringer”. Er war der Sohn von Eos, der Göttin der Morgenröte, und Astraios, dem Gott der Abenddämmerung. Der Abendstern dagegen war “Hesperos” (vom griechischen Wort für “Abend”). In diversen altorientalischen Religionen waren Abendstern und Morgenstern Brüder; bei uns am bekanntesten sind aber sicherlich die Geschichten die sich auf die lateinische Übersetzung des Wortes “Lichtbringer” beziehen: Luzifer. Damit assozieren wir heute den Teufel; Satan, den gefallenen Engel und Gegenspieler Gottes in der christlichen Mythologie. Wie die Verbindung zwischen dem Morgenstern und dem Teufel zustande gekommen ist, ist nicht restlos geklärt. Wenn man nach dem geht was in der Bibel steht, dann hilft das wenig. Im zweiten Petrusbrief kann man folgende Stelle lesen:
“Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden und ihr tut gut daran, es zu beachten, wie ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen. (2. Petrus, 1.19)”
In der Offenbarung des Johannes steht
“Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. (Offenbarung 22,16)”
Der Name “Luzifer” taucht nirgendwo auf und die beiden Stellen wirken auch nicht sonderlich teuflisch. In der letzten sagt Jesus immerhin von sich selbst, dass er der Morgenstern; “Phosphorus”, der Lichtbringer, also “Luzifer”. Die Stelle die zu der Verbindung mit dem gefallenen Engel geführt hat findet man in Buch Jesaja:
“Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie bist du zur Erde gefällt, der du die Heiden schwächtest! Gedachtest du doch in deinem Herzen: ‘Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen auf den Berg der Versammlung in der fernsten Mitternacht; ich will über die hohen Wolken fahren und gleich sein dem Allerhöchsten.’ Ja, zur Hölle fährst du, zur tiefsten Grube. (Jesaja 14,12-15)”
Der, der da “gefallen” ist, ist allerdings ein heidnischer “König von Babylon” und nicht der rebellische Engel Luzifer. Geschichten von Königen die zum Himmel aufsteigen aber dann tief gefallen sind gab es aber auch schon früher, zum Beispiel im sumerischen Etana-Mythos. Oder in der Geschichten von ‘Athtar, einer alten semitischen Gottheit und Verkörperung der Venus. Auch dieser Gott wollte den Himmel regieren, scheiterte und stürzte zurück zu Erde.
Die Sternengeschichten sind aber nun kein Theologie- oder Mythologie-Podcast; insofern kann und will ich die Herkunft des teuflischen Luzifer und seine Verbindung mit der Venus nicht letztgültig aufschlüsseln – etwas, was die Wissenschaft sowieso noch nicht vollständig herausgefunden hat. Vermutlich haben sich die diversen Geschichten; die offiziellen und die inoffiziellen christlichen Quellen und jede Menge andere Überlieferungen im Laufe der Zeit vermischt und am Ende war nicht mehr Jesus der Morgenstern sondern eben Luzifer, der gefallene Engel. Ich bleibe lieber bei der Himmelsmechanik, die nämlich auch noch ein kleines satanisches Detail zu bieten hat.
Dazu müssen wir uns die Bewegung der Venus am Himmel ansehen, so wie sie uns von der Erde aus betrachtet erscheint. Und die jeweiligen Umlaufzeiten der beiden Planeten um die Sonne anschauen. Die Erde braucht für eine Runde um die Sonne 365 Tage. Die Venus braucht 224 Tage was bedeutet, dass 8 Erdjahre ungefähr gleich lang sind wie 13 Venusjahre. Anders gesagt: Alle 8 Erdjahre wiederholt sich die relative Position von Venus und Erde am Himmel. Wenn die Venus also etwa den erdnächsten Punkt ihrer Bahn erreicht, dann steht sie 8 Jahre später wieder am erdnächsten Punkt. Da sich aber sowohl die Erde als auch die Venus bewegt haben, ist dieser erdnächste Punkt nicht mehr am selben Ort wo er zuvor war. Und die nächste Begegnung von Erde und Venus 8 Jahre später wird wieder an einem anderen Punkt stattfinden. Zeichnet man das ganze auf, dann sieht man, dass sich die erdnächsten Punkte in gleichen Abständen entlang der Venusbahn verteilen. Insgesamt sind es fünf Stück und verbindet man sie entsprechend, dann bekommt man einen fünfzackigen Stern, ein Pentagramm – also ein Symbol das immer schon große mythologische Bedeutung hatte und gerne in Verbindung mit dunkler Magie und dem Teufel gebracht wird. Dass es gerade ein fünfzackiger Stern ist, ist aber Zufall. Und liegt daran, dass die Umlaufzeiten von Erde und Venus in einem 8 zu 13 Verhältnis stehen. Der Unterschied zwischen 8 und 13 ist 5 und deswegen kriegt man fünf Begegnungspunkte entlang der Bahn. Wären die Umlaufzeiten in einem anderen ganzzahligen Verhältnis, dann würde man auch mehr oder weniger solcher Punkte kriegen. Und das Verhältnis ist auch nicht exakt ganzzahlig, das heißt in der Realität ist der gezeichnete fünfzackige Stern auch nicht ganz geschlossen.
Schauen wir zum Abschluss noch auf eine letzte mysteriöse Besonderheit der Venus: Die “Venuslichter”. Wie ich in Folge 331 der Sternengeschichten ja schon erzählt habe, zeigt auch die Venus Phasen. Das heißt, so wie wir von der Erde aus Vollmond oder Halbmond beobachten können, kann es auch “Vollvenus” oder “Halbvenus” geben. Wenn man die Venus im Teleskop beobachtet, kann man also zu bestimmten Zeiten eine helle und eine dunkle Hälfte sehen. Und 1643 behauptete der italienische Astronom Giovanni Riccioli, er hätte Lichter auf der Nachtseite der Venus entdeckt. Berichte über solche “Venuslichter” gab es seitdem immer wieder und durchaus von respektablen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Problem: Es ist nie gelungen eine zweifelsfreie Beobachtung zu machen; ein Venuslicht also auch fotografisch festzuhalten. Raumsonden die die Venus aus der Nähe untersucht haben, haben keine Hinweise auf Venuslichter entdeckt. Was man gefunden hat war so etwas ähnliches wie Gewitterblitze in der dicken Venusatmosphäre; man hat außerdem ein schwaches Leuchten beobachtet das entsteht wenn hochenergetisches Sonnenlicht die CO2-Moleküle in der Venusatmosphäre aufspaltet. Aber diese Effekte sind definitiv zu schwach um von der Erde aus beobachtet werden zu können; können also die “Venuslichter” nicht erklären. Vielleicht handelt es sich um ein noch unverstandenes, selten auftretendes Phänomen. Vielleicht ist es nur eine optische Täuschung wie sie durchaus auftreten kann wenn man ein sehr helles Objekt wie die Venus im Teleskop betrachtet. Vielleicht ist es etwas ganz anderes und vielleicht gibt es die Venuslichter auch nicht.
So oder so: Die Venus und ihr Licht haben die Menschheit von Anbeginn an fasziniert. Und daran wird sich so schnell nichts ändern.
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