Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 384: Das Graviton
Ohne Gravitation geht in der Astronomie gar nichts. Ok, ohne Gravitation geht nirgendwo irgendwas. Die Gravitation ist eine der vier Grundkräfte im Universum und ohne sie würde es keine Sterne geben, keine Planeten, keine Menschen; kein Universum. Daher ist es auch verständlich wenn wir die Gravitation sehr gerne verstehen würden. Ich habe in den Sternengeschichten schon von Isaac Newton erzählt der als erster eine mathematische Beschreibung der Gravitation gefunden hat und von Albert Einstein, der mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie unser Verständnis der Gravitation und des gesamten Kosmos komplett revolutioniert hat. Aber nur weil wir die Gravitation damit schon sehr gut beschreiben können, heißt das noch lange nicht, dass wir sie komplett verstehen. Und es stimmt wirklich: Wir verstehen die Gravitation wirklich gut. So gut auf jeden Fall, dass wir zum Beispiel die Bewegung der Himmelskörper exakt genug beschreiben können um Raumsonden punktgenau auf dem Mars landen zu lassen. Um Sonnenfinsternisse auf die Sekunde genau vorherzusagen. Und so weiter.
Trotz allem gibt es ein fundamentales Problem mit der Gravitation und das hat direkt mit dem Graviton zu tun. Ein Graviton ist das Eichboson der Quantentheorie der Gravitation. Das klingt sehr kompliziert und das ist auch sehr kompliziert. Fangen wir mit dem einfachen an, mit dem Eichboson. So nennt man Teilchen, die Kräfte vermitteln. Das Photon ist zum Beispiel dasjenige Eichboson das die elektromagnetische Kraft vermittelt. Ein bisschen salopp könnte man sagen, das Photon IST die elektromagnetische Kraft. Was aber vermutlich zu salopp ist, also tut am besten so, als hättet ihr das nicht gehört.
Um Eichbosonen zu verstehen muss man wissen, was Quantenfelder sind. Davon habe ich in Folge 247 ausführlich erzählt. “Normale” Felder kann man sich leicht vorstellen; Magnetfelder zum Beispiel. Die kann man auch wunderbar sichtbar machen, wie vermutlich alle schon mal im Physikunterricht erlebt haben. Man streut Eisenspäne in der Nähe eines Magneten aus und sieht wie sie sich entlang von Strukturen ordnen die man “Magnetfeldlinien” nennt. Allgemein ist ein Feld nichts anderes als die Beschreibung der räumlichen Verteilung einer physikalischen Größe. Das Magnetfeld sagt mir, wie stark die magnetische Kraft an bestimmten Punkten im Raum ist. Ein Temperaturfeld sagt mir das gleiche für die Temperatur. Und so weiter.
Quantenfelder sind genau so, nur etwas anders. Ich vereinfache das jetzt sehr stark, ansonsten müsste ich tief in die Quantenmechanik eintauchen und von dort unten kommt man nur schwer wieder hoch… Das elektromagnetische Feld kann man sich noch einigermaßen gut vorstellen. Elektromagnetismus ist etwas, was wir im Alltag ständig erleben. Licht ist eine elektromagnetische Welle. Die Theorie mit der wir Licht bzw. den Elektromagnetismus beschreiben ist eine Quantenfeldtheorie und das wichtige Wort hier ist “Quanten”. Das war ja die große Entdeckung von Max Planck im Jahr 1900: Er hat festgestellt, dass man die Energie die in einer elektromagnetischen Welle steckt nicht beliebig unterteilen kann. Es gibt kleinste Energieeinheiten, die Quanten und weniger Energie als in einem Quant kann es nicht geben.
Es ist auch ein wenig verwirrend wenn ich jetzt einerseits von Photonen, also von den Lichtteilchen spreche und andererseits von elektromagnetischen bzw. Lichtwellen. Aber genau das ist die Grundlage dessen worum es geht. Licht ist weder eine Welle, noch ein Teilchen. Sondern – und wieder sehr vereinfacht – ein Quantenfeld in dem elektromagnetische Kraft steckt. Wenn ich jetzt ein elektromagnetisches Feld betrachte, dann ist das an unterschiedlichen Orten unterschiedlich stark. Die Stärke kann sich natürlich auch verändern. Aber nicht beliebig: Wenn sich die Feldstärke von einem Wert zu einem anderen verändert, dann muss das auf jeden Fall mit einer gewissen Mindestenergie passieren. Die Stärke muss sich mindestens um ein Quant ändern; weniger geht nicht weil das eben die kleinste Energieeinheit ist. Diese kleinste Energiemenge die in einem Feld vorliegen kann bzw. um die sich die Stärke eines Feldes verändern kann wird “Feldquant” genannt und das Photon ist das Feldquant des Elektromagnetismus. Wenn sich also jetzt eine elektromagnetische Welle ausbreitet; wenn sich ein elektromagnetisches Feld verändert, dann kann man sich das als jede Menge Photonen vorstellen, die sich durch die Gegend bewegen und das Feld hier schwächer machen und dort stärker. Das ist in etwa damit gemeint wenn man sagt dass ein Teilchen eine Kraft vermittelt und die Feldquanten die so etwas bei den Quantenfeldern tun nennt man “Eichbosonen”.
Der Elektromagnetismus ist aber nur eine der vier Grundkräfte im Universum. Ich habe sie alle in Folge 46 der Sternengeschichten ausführlich vorgestellt. Neben dem Elektromagnetismus haben wir noch die Kräfte die das Innere von Atomkernen bestimmen, die starke und die schwache Kernkraft. Auch die werden durch Quantenfelder beschrieben und auch hier gibt es Eichbosonen die diese Kraft vermitteln. Bei der starken Kernkraft sind das die sogenannten “Gluonen”, bei der schwachen Kernkraft Teilchen die “W-Boson” und “Z-Boson” heißen. Womit langsam klar wird was gemeint war als ich vorhin gesagt habe “Ein Graviton ist das Eichboson der Quantentheorie der Gravitation”. Wenn wir die Gravitationskraft als Quantenfeld beschreiben, dann braucht es auch hier ein passendes Feldquant das die Kraft vermittelt. Dieses Eichboson hat den Namen “Graviton” bekommen und das einzige Problem an der Sache ist, dass kein Mensch weiß ob es dieses Teilchen wirklich gibt oder nicht.
Denn uns fehlt nicht nur ein Nachweis des Gravitons, wir haben noch nicht mal eine quantenmechanische Beschreibung der Gravitation. Bei den anderen drei fundamentalen Kräften ist uns das in den letzten Jahrzehnten gelunden; die Gravitation weigert sich hartnäckig quantenmechanisch beschrieben zu werden. Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, die ja seit mehr als 100 Jahren extrem erfolgreich die Gravitation beschreibt ist eine seltsame Theorie. Die Gravitation wird dabei nicht als klassische Kraft beschrieben sondern als Eigenschaft der Raumzeit selbst. Massen krümmen die Raumzeit und wenn sich andere Massen durch die Raumzeit bewegen folgt ihre Bewegung diesen Krümmungen was wir so sehen und wahrnehmen wie eine Kraft die von einer Masse auf eine andere wirkt. Die Gravitation so zu beschreiben war eine äußerst geniale Idee von Albert Einstein. Aber weil sie so anders ist als das, was wir üblicherweise unter einer “Kraft” verstehen, ist es auch enorm schwer sie in das Schema der Quantenmechanik zu pressen. Bis heute ist es nicht gelungen, die Gravitation zu quantisieren, also durch eine Theorie zu beschreiben die mit Quantenfeldern und Feldquanten funktioniert.
Wir wissen auf jeden Fall, dass das Graviton ein Teilchen sein muss, dessen Ruhemasse gleich Null ist. So wie auch die Ruhemasse von Photonen gleich Null ist. Denn die Gravitation wirkt – so wie auch der Elektromagnetismus – unendlich weit. Die beiden Kernkräfte haben begrenzte Reichweiten; ihre Eichbosonen sind Teilchen mit einer Masse. Kräfte die unendlich weit wirken können müssen aber Vermittler
teilchen haben die keine Ruhemasse haben. Wir wissen auch, dass die Gravitationskraft sich – so wie der Elektromagnetismus – mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Daraus folgt ebenfalls, dass Photonen ebenso wie Gravitonen masselos sein müssen denn wenn sie eine Masse hätten, könnten sie sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen.
Photon und Graviton sind sich also sehr ähnlich. Sie müssen sich aber auch unterscheiden. Denn Elektromagnetismus kann man abschirmen; Teilchen können unterschiedlich elektrisch geladen sein. Gravitation dagegen wirkt IMMER, es gibt keine Gravitationsabschirmung; man kann nicht einfach irgendwas in die Gegend stellen und die Gravitationskraft blockieren. Gravitation wirkt außerdem immer anziehend; es gibt keine negative Gravitation die positive Gravitation ausgleichen könnte (sonst könnte man eine entsprechende Abschirmung bauen). Aus mathematischer Sicht bedeutet das, dass man elektromagnetische Quellen durch Vektoren beschreibt und Gravitationsquellen durch Tensoren, was aber zu sehr ins Detail gehen würde. Physikalisch folgt daraus, dass ein Graviton nicht einen Spin gleich 1 haben kann wie die derzeit bekannten Eichbosonen sondern einen Spin von 2. Und leider würde es auch viel zu weit führen zu erklären, was der Spin eines Teilchens ist. Man kann sich das ein wenig wie Rotation eines Teilchens vorstellen – was aber falsch wäre, weil die Dinger nicht im eigentlichen Sinn rotieren. Teilchen sind ja keine kleinen Kugeln, auch wenn wir sie uns immer gerne so vorstellen. Der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft die keine Entsprechung in unsere alltäglichen Welt hat und Gravitonen müssen einen anderen Spin haben als die bisherigen Eichbosonen.
Wir wissen also ein klein wenig darüber wie Gravitonen aussehen müssen. Aber solange wir keine Quantentheorie der Gravitation haben, bringt uns das nicht weiter. Es bringt auch nicht viel, irgendwelche Detektoren zu bauen um diese Teilchen zu finden. Die Gravitation ist eine enorm schwache Kraft. Ein simpler Kühlschrankmagnet reicht aus, um ein Stück Papier am runterfallen zu hindern obwohl die gesamte Erde mit ihrer gewaltigen Masse daran zieht. Auf die Eichbosonen umgelegt heißt das: Ein Graviton tritt nur sehr schwer mit anderer Materie in Wechselwirkung. Man könnte einen Gravitonendetektor bauen der so groß ist wie der Jupiter und ihn in die Nähe einer extrem starken Gravitationsquelle – zum Beispiel einem Neutronenstern – packen. Und selbst wenn der Detektor absolut effizient wäre, würde man höchstens ein Graviton pro Jahrzehnt nachweisen können.
Wir können höchstens indirekt probieren, mehr über die Teilchen herauszufinden. Entdecken können wir es nicht, aber wir könnten es eventuell nachweisen, wenn das Graviton DOCH eine Masse hätte. Dann müssten sich zum Beispiel Gravitationswellen – von denen ich in Folge 184 erzählt habe – langsamer als das Licht bewegen. Seit 2015 können wir diese Wellen ja direkt beobachten und bis jetzt haben wir da noch nichts gesehen, dass darauf hindeutet dass sie langsamer als das Licht wären. Eventuell könnte man auch durch die Beobachtung der Bewegung von Sternen in Galaxien feststellen, ob ein Graviton eine Masse haben muss.
Aber auch dann sind wir noch nicht viel weiter. Dann wissen wir nur, dass ein guter Teil dessen was wir bisher über die Welt der Elementarteilchen zu wissen geglaubt haben einer Korrektur bedarf. Und das wissen wir auch heute schon, denn ansonsten hätten wir schon längst eine Quantentheorie der Gravitation gefunden. Wenn so eine Theorie zu finden ist, dann schaffen wir das vielleicht irgendwann. Und wahrscheinlich werden wir auch erst dann so richtig verstehen können was ein Graviton ist. Oder ob es die Dinger überhaupt gibt.
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