Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 401: Magnetare
Ein Magnetar ist ein Pulsar mit einem extrem starken Magnetfeld. Und was ein Pulsar ist, habe ich ja schon in Folge 142 ausführlich erklärt. Womit man diese Folge des Podcasts auch schon wieder beenden könnte. Was ich aber natürlich nicht tue. Denn es gibt über die Magnetare noch viel mehr zu erzählen. Vor allem über das, was man über diese Objekte noch nicht weiß.
Sicherheitshalber fange ich noch einmal mit einer kurzen Zusammenfassung der Grundlagen an. Alles geht mit einem Stern los. Der muss mehr Masse haben als unsere Sonne, aber auch nicht zu viel mehr. So zwischen der 8 und 12fachen Sonnenmasse. Und er muss alt sein, beziehungsweise er muss das Ende seines Lebens erreicht haben. Das heißt die Kernfusionsreaktionen in seinem Inneren müssen zum Erliegen kommen weil nichts mehr da ist, was fusioniert werden kann. Wenn das passiert, gibt es auch keine Strahlung mehr die aus dem Kern des Sterns nach außen dringt und den Stern stabil hält. Er fällt nun unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen. Es gibt einen gewaltigen Rumms den wir “Supernova-Explosion” nennen und übrig bleibt ein Neutronenstern. Hätte der Stern weniger Masse, dann gäbe es diesen Rumms nicht, er würde einfach nur ein bisschen in sich zusammensacken und auskühlen. Das was da übrig bleibt nennt sich “Weißer Zwerg” und es ist auch das was aus unserer Sonne einmal werden wird. Aber nicht das, was uns jetzt interessiert. Hätte der Stern sehr viel mehr Masse, dann gäbe es zwar auch ein gewaltiges Rumms. Aber es würde kein Neutronenstern übrig bleiben sondern ein schwarzes Loch. Das können wir jetzt auch nicht brauchen, wir bleiben beim Neutronenstern.
Das ist ein Himmelskörper, der eine Masse hat die irgendwo zwischen dem 1,4 und 3fachen der Sonnenmasse liegt. Der ganze Rest ist bei der Supernova-Explosion beziehungsweise davor ins All geschleudert worden. Diese aber immer noch recht ordentliche Restmasse ist nur noch eine Kugel mit dem Durchmesser von ein paar Dutzend Kilometern. Die ganze Masse eines Sterns auf einen Raum zusammengequetscht der so groß wie eine Stadt ist! Ein Neutronenstern ist also ein höchst außergewöhnlicher Himmelskörper. Er besteht nicht mehr aus normaler Materie. Beziehungsweise schon, aber nicht mehr aus normalen Atomen. Ein normales Atom hat einen Kern, der aus elektrisch positiv geladenen Protonen und elektrisch nicht geladenen Neutronen besteht. Um diesen Kern herum befindet sich eine Schale aus elektrisch negativ geladenen Elektronen. Für so ein ausgewachsenes Atom ist in einem Neutronenstern aber kein Platz mehr. Das ganze Ding wurde ja beim Kollaps enorm stark zusammengequetscht. So stark, dass auch die Elektronen aus der Atomhülle quasi in die Protonen des Atomkerns gedrückt wurden. Negative Elektronen und positive Protonen ergeben neutrale Neutronen. In Wahrheit ist zwar alles ein wenig komplizierter – aber das reicht fürs erste.
Wir haben jetzt also eine ungefähr 20 Kilometer große Kugel aus Neutronen. Würde man ein Stückchen von diesem Neutronenstern abknapsen, nur so groß wie ein Zuckerwürfel, dann hätte das ein Gewicht das dem von einer Milliarde Autos entspricht! So weit, so erstaunlich. Diese Objekte sind aber noch viel erstaunlicher als das. Sie rotieren zum Beispiel enorm schnell um ihre Achse. Auch das kann man leicht verstehen, es ist die gute alte Drehimpulserhaltung! Der Stern hat sich ja schon um seine Achse gedreht als er noch ein Stern war. Tut unsere Sonne ja auch, einmal in ungefähr 27 Tagen. Wenn man ein rotierendes Ding nun aber komprimiert, also kleiner macht, dann muss es sich schneller drehen als vorher damit der Drehimpuls, also die Energie die in der Rotation steckt, erhalten bleibt. Das klassische Beispiel um das zu demonstrieren ist der Eiskunstläufer der seine Pirouetten dreht und dabei schneller wird, wenn er die Arme an den Körper zieht und langsamer, wenn er sie wieder ausstreckt. Nicht ganz so klassisch aber viel lustiger ist das Experiment das alle selbst auf einem Drehstuhl machen können: Einfach drehen, die Arme ausstrecken und schauen was passiert…
Weil ein Neutronenstern jetzt aber extrem stark komprimiert worden ist, dreht er sich auch extrem schnell. Ein paar Mal pro Sekunde schafft er locker, viele können sich auch ein paar tausend Mal pro Sekunde um ihre Achse drehen. Auch das ist erstaunlich, aber noch nicht erstaunlich genug. Denn jetzt müssen wir über die Magnetfelder von Neutronensternen reden. Was manche vielleicht ein wenig skeptisch werden lässt. Wo soll der das eigentlich her haben? Will man ein Magnetfeld bekommen, braucht man – vereinfacht gesagt – etwas das elektrisch geladen ist und das sich bewegt. Bei der Erde sind das zum Beispiel die Ströme aus flüssigem Metall im Inneren unseres Planeten. Auf der Sonne ist es das Plasma aus dem sie besteht und dass sich dort ständig bewegt. Aber der Neutronenstern besteht ja nur aus elektrisch ungeladenen Neutronen. Ja, das hab ich zwar gerade gesagt, aber das war nicht ganz richtig. Richtig ist: Ein Neutronenstern besteht zwar zu einem großen Teil aus Neutronen aber nicht komplett. Das Problem mit Neutronen ist ja: Die Dinger sind eigentlich nicht stabil. Ein freies Neutron, d.h. ein Neutron das nicht Teil eines Atomkerns ist, zusammen mit Protonen, überlebt nur ein paar Minuten, dann zerfällt es. Das Neutron wandelt sich in ein Proton und ein Elektron um und die einzige Möglichkeit es daran zu hindern ist, es eben in einem Atomkern einzusperren. Oder im Inneren eines Neutronensterns wo der Druck hoch genug ist. Da zerfällt das Neutron zwar auch, aber eben weil der Druck so groß ist, werden die dabei entstehenden Protonen und Elektronen sofort wieder zu Neutronen zusammengequetscht. Am Rand des Neutronensterns, in seinen äußeren Kruste, geht das nicht. Hier ist der Druck nicht groß genug und hier gibt es tatsächlich keine Neutronen. Dort treiben sich Elektronen und Protonen rum und sogar ein paar echte, elektrisch geladene Atome. Die erzeugen bei ihrer Bewegung das Magnetfeld.
Wir haben jetzt also einen Neutronenstern mit einem Magnetfeld der sehr schnell rotiert. Der sitzt normalerweise auch nicht völlig isoliert im leeren Raum. Da ist noch ein bisschen Zeug um ihn herum, Gas, Staub, ein Schwung Elektronen – alles noch vom ursprünglichen Stern übrig geblieben. In dieser Wolke dreht sich der Neutronenstern um seine Drehachse. Die Richtung des Magnetfelds muss jetzt aber nicht unbedingt mit der Drehachse übereinstimmen. Oder anders gesagt: Der Nord- und Südpol des Neutronensterns müssen nicht mit den magnetischen Polen übereinstimmen. Wenn der Neutronenstern jetzt also so vor sich hin durch die Gaswolke rotiert, schleppt er dabei auch ein sein Magnetfeld quer durch das ganze Zeug. Dabei können elektrisch geladene Teilchen eingefangen und mitgenommen werden. Wenn das passiert, geben die dabei Strahlung ab. Aber nicht in alle Richtungen sondern nur entlang des Magnetfeldes. Das sieht dann ein wenig so aus wie der Lichtkegel eines Leuchturms. Wenn dieser Strahlungskegel eines rotierenden Neutronensterns zufällig genau so liegt, dass er die Erde treffen kann, dann beobachten wir einen Pulsar. In regelmäßigen Abständen, entsprechend der Rotationsgeschwindigkeit des Neutronensterns, streicht der Strahlungskegel über die Erde und wir sehen ein “Blinken”. Beziehungsweise kein “Blinken” wie bei einem Leuchtturm; es ist meistens ein “Blinken” im Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums. Und weil so ein Neutronenstern dann aus unserer Sicht quasi pulsiert, haben wir ihn “Pulsar” genannt.
Jetzt sind wir aber immer noch nicht beim Magnetar. Der ist, wie ich ganz zu Beginn gesagt habe, ein Pulsar mit einem extrem starken Magnetfeld. Ungefähr 1000 Mal stärker als das eines normalen Pulsars. Und übrigens ein paar Billiarden Mal stärker als das Magnetfeld der Erde. Oder ein paar Billionen mal stärker als ein normaler Kühlschrankmagnet. Sehr stark auf jeden Fall und die Frage die sich nun stellt ist natürlich: Wieso?
Das hat mit der Entstehung eines Neutronensterns zu tun. Der rotiert ja nach seinem Kollaps ziemlich schnell. Aber auch das Material aus dem er besteht kann lokal rotieren, also sogenannte “Konvektionszellen” bilden. Normalerweise regelt sich das alles ziemlich schnell; die ganzen turbulenten Flüsse aus elektrisch leitenden Material in den äußeren Schichten eines frischen Neutronensterns beruhigen sich schnell und dann ist alles im Gleichgewicht. Wenn die Rotation des Neutronensterns aber gerade auf die richtige Weise mit der Rotationsgeschwindigkeit solcher Konvektionszellen zusammenpasst, kann ein “magnetohydrodynamischer Dynamo” entstehen. Klingt kompliziert, ist es auch, aber es ist im Prinzip das gleiche wie ein normaler Fahrraddynamo. Da wird die Bewegungsenergie des Fahrrads in elektromagnetische Energie, also Strom umgewandelt. Hier sind es die Konvektionszellen die durch die Rotation des Sterns in seinem Magnetfeld quasi stabilisiert werden können und dann kann deren Bewegungsenergie in Energie für das Magnetfeld umgewandelt werden.
Jetzt haben wir also einen Magnetar. Die meisten davon sind vermutlich unauffällig. Manche aber auch nicht. Es kann bei Pulsaren auch zu so etwas ähnliches wie Erdbeben kommen. Zu Brüchen in der äußeren Kruste der extrem dichten Materie aus der er besteht. Dann sortiert sich das ganze Material in sehr kurzen Zeiträumen um; die Materieflüssen verändern sich und es kommt zu Störungen im Magnetfeld bei denen sehr viel Energie freigesetzt werden kann. So ein Magnetar zeigt dann in unregelmäßigen Abständen starke Helligkeitsausbrüche, vor allem im Röntgenlicht. Das macht er ein paar Stunden oder Tage lang, dann ist wieder Ruhe, weil sich die Kruste dann vorläufig geordnet hat. Solche Magnetare nennt man “Soft Gamma Repeater”, man hat aber auch schon Röntgenausbrüche am Himmel beobachtet, die nicht in dieses Muster passen. Das sind “anomale Röntgenpulsare”, die konstant hell im Röntgenlicht leuchten und dazwischen immer wieder mal für ein paar Sekunden deutlich mehr Energie abgeben als vorher oder nachher.
Magnetare sind noch nicht enorm intesiv erforscht. Wir verstehen vieles bei der internen Struktur von Neutronensternen noch zu wenig oder gar nicht um ihr Verhalten wirklich gut vorhersagen zu können. Wir wissen daher auch nicht, was für Strahlunsgausbrüche so ein Magnetar produzieren kann. Es gibt diverse hochenergetische Phänomene im Universum bei denen wir immer wieder Mal jede Menge Röntgen- oder Gammastrahlung sehen können. Bei vielen könnten Magnetare beteiligt sind. Oder auch nicht. Sie könnten zum Beispiel bei ganz speziellen Supernova-Explosionen eine Rolle spielen, die heller leuchten als man es eigentlich erwarten würde. Was sie vielleicht deswegen tut, weil der beim Kollaps des Sterns entstandene Magnetar durch das umliegende Material sehr schnell abgebremst wird und die dabei freiwerdende Energie die Supernova heller leuchten lässt. Oder vielleicht haben Magnetare auch nichts mit diesem Phänomen zu tun.
Klar ist nur: Magnetare sind extrem faszinierende Himmelskörper die die Grenzen unseres Wissens austesten.
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