Als wäre die Sache mit der Definition des Begriffs “Planet” nicht schon komplex und umstritten genug, haben japanische Wissenschaftler jetzt “Blaneten” ins Spiel gebracht. Oder “Blanets” wie es in ihrer auf englisch verfassten Facharbeit heißt (“Formation of “Blanets” from Dust Grains around the Supermassive Black Holes in Galaxies”). Und meinen damit Himmelskörper, die sich in der Umgebung supermassereicher schwarzer Löcher bilden.
Das braucht ein wenig Hintergrund! Fangen wir mit den schwarzen Löchern an. Es geht hier um die Variante, die sich in den Zentren aller großen Galaxien befindet. Also die Art von schwarzem Loch, von dem im letzten Jahr das erste Mal ein echtes Bild gemacht werden konnte. Diese schwarzen Löcher sind millionen- bis milliardenfach massereicher als unsere Sonne und entstehen nicht aus dem Kollaps eines schweren Sterns (wie die “normalen” schwarzen Löcher). Wie sie tatsächlich entstehen wissen wir allerdings noch nicht.
Was wir allerdings wissen ist, dass schwarze Löcher keine “Staubsauger” sind. Sie “saugen” nicht gnadenlos alles an; es ist durchaus möglich dass Objekte so ein schwarzes Loch stabil umkreisen können (sie dürfen ihm halt nicht zu nahe kommen). “Blaneten” können sich dort also rumtreiben – nur: Wie sollen sie entstehen?
Normale Planeten entstehen ja so (in der super-kurzen Version): Eine große kosmische Wolke aus Gas und Staub fällt in sich zusammen und verdichtet sich. Aus dem Hauptteil der Masse der Wolke entsteht dadurch ein Stern; ein bisschen was bleibt übrig und bildet eine Scheibe um den jungen Stern. Das Zeug in der Scheibe stößt miteinander zusammen, verklumpt zu immer größeren Brocken und am Ende hat man ein paar Planeten die den Stern umkreisen. Diesen Prozess können wir bei diversen Sternen im Universum beobachten – aber wie soll das bei schwarzen Löchern laufen?
Im Prinzip genau so! Denn auch schwarze Löcher sind oft von einer Scheibe aus Material umgeben. Und zwar immer dann, wenn sie nicht völlig isoliert in der Gegend herumexistieren sondern in ausreichend großer Gesellschaft sind. Zum Beispiel supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren junger Galaxien. Im Zentrum ist sowieso alles immer ein wenig dichter gedrängt; in jungen Galaxien ist zwischen den Sternen auch noch jede Menge Gas und Staub. All das bewegt sich und ab und zu kommt es dem schwarzen Loch zu nahe. Dann fallen Sterne, Wolken, Gas, Staub und so weiter ins Loch. Aber nicht sofort und auf direktem Weg. Alles bewegt sich auf spiralförmigen Bahnen immer näher an das Loch heran und bildet dabei eine sogenannte “Akkretionsscheibe”.
Und mit dem ganzen Zeug in der Scheibe kann theoretisch genau das passieren, was auch in den Scheiben um junge Sterne passiert: Es kann zusammenklumpen und größere Himmelskörper bilden. “Blaneten” also, und wie das genau funktioniert haben sich Keiichi Wada von der Kagoshima Universität in Japan und seine Kollegen genauer angesehen. Auf die mathematischen Details der Computersimulationen will ich jetzt nicht eingehen. Das Resultat lautet auf jeden Fall: Ja, es können sich “Blaneten” bilden und wie gut das funktioniert hängt unter anderem von der radialen Strömung ab, die in der Scheibe herrscht. Denn das ganze Zeug wirbelt da ja nicht nur herum. So lange es noch nicht im schwarzen Loch verschwunden ist, kann es durch dessen Gravitationskraft auch so stark beschleunigt werden um weit hinaus ins All geschleudert zu werden.
Die Bedingungen in der Akkretionsscheibe sind auch nicht unbedingt mit denen zu vergleichen die während der Planetenentstehung um junge Sterne herrschen. Weswegen die “Blaneten” auch etwas “anders” sind. Massereicher vor allem. Die Simulationen liefern Himmelskörper mit 20facher bis 3000facher Erdmasse (für ein schwarzes Loch mit einigen Millionen Sonnenmassen). Je weiter weg vom schwarzen Loch, desto größer werden die “Blaneten”; der Bereich in dem sie sich bilden können liegt circa zwischen 3,5 und 13 Lichtjahren Abstand. Bis so ein massiver Blanet fertig ist, dauert es circa 70 bis 80 Millionen Jahre, was ausreichend viel Zeit ist. Denn die supermassereichen Löcher sind zwar enorm langlebig, die Akkretionsscheiben die sie umgeben dagegen nicht. Irgendwann ist das Zeug im Loch verschwunden oder aber von der starken Strahlung die aus der Umgebung der Löcher ins All hinaus abgegeben wird in alle Ecken des Universums verstreut worden. Aber ein paar hundert Millionen Jahre können die Bedingungen für die “Blanetenentstehung” durchaus gut sein.
Bevor jetzt jemand anfängt zu spekulieren: Über die Entstehung von Leben auf “Blaneten” muss man eher nicht sehr intensiv nachdenken. Denn einerseits sind das WIRKLICH große Brocken. Irgendwas zwischen Gasriesen wie Neptun oder Uranus bis hin zu Himmelskörper die eher schon braune Zwerge oder kleine Sterne sind. Und andererseits ist den Blaneten auch keine sonderlich lange Lebensdauer beschert. In der Umgebung eines supermassereichen schwarzen Lochs ist es einfach zu unmöglich. Die Gezeitenkräfte, die Strahlung, und so weiter: Irgendwann landet der “Blanet” im Loch, wird ins All hinaus geschleudert oder aber bleibt wo er ist, allerdings in einer Umgebung die alles andere als lebenfreundlich ist. Was in der Arbeit noch fehlt (und den Autoren zufolge dringend noch gemacht werden sollte) ist eine dynamische Studie von “Blanetensystemen”: Wie bewegen sich die Dinger in der turbulenten Umgebung eines schwarzen Lochs und wie lange können sie dort tatsächlich auf stabilen Bahnen existieren?
Abgesehen davon handelt es sich ja um ein theoretische Überlegung. Niemand hat bis jetzt “Blaneten” entdeckt und in naher Zukunft wird das auch nicht passieren. Es ist verdammt schwer schwarze Löcher selbst oder ihre unmittelbare Umgebung direkt zu beobachten. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Wenn es Blaneten gibt, werden wir sie irgendwann auch finden!
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