Kurz vor Weihnachten und mitten in all dem Rummel um den heute sichtbaren “Weihnachtsstern” der zwar extrem cool ist aber nix mit Weihnachten zu tun hat lohnt sich ein kurzer Blick ein wenig weiter hinaus in das Universum. Und zwar ins Sternbild Schlangenträger: Dort hat Clémence Fontanive von der Uni Bern mit ihren KollegInnen in 450 Lichtjahren Entfernung etwas sehr außergewöhnliches entdeckt: Zwei Braune Zwerge (“A wide planetary-mass companion to a young low-mass brown dwarf in Ophiuchus”).
Ok, braune Zwerge sind jetzt nicht soooo ungewöhnlich. Wir kennen die Dinger zwar auch erst seit 1995; haben seitdem aber schon viele dieser Objekte gefunden. Es handelt sich um ein Mittelding zwischen Stern und Planet: Damit ein Himmelskörper als echter Stern durchgeht, muss er ausreichend lange zu ausreichend viel Kernfusion in der Lage sein um selbst Energie zu produzieren. Dazu braucht es mindestens die 75fache des Jupiters; nur dann kriegt man im Inneren des Objekts die Temperaturen hin die nötig sind um über Milliarden Jahre hinweg Wasserstoff zu Helium und Energie zu fusionieren. Ist die Masse eines Himmelskörpers kleiner als die 13fache Jupitermasse, dann passiert gar nix und wir nennen die Objekte “Planeten”. Aber dazwischen ist es interessant: Da kann zwar ein bisschen Kernfusion stattfinden. Allerdings nicht die übliche Wasserstofffusion, sondern die Fusion von Deuterium-Atomen. Von denen gibt es aber viel weniger als Wasserstoff weswegen diese Objekte nur wenig Energie produzieren und auch nicht so lange wie Sterne. Sie leuchten nicht, sie “glimmen” und man hat sie “Braune Zwerge” genannt.
Von denen man, wie gesagt, schon einige entdeckt hat. Das was nun aber im Sternbild Schlangenträger gefunden wurde ist außergewöhnlich. Zwei Braune Zwerge die einander umkreisen und das in Abwesenheit eines Sterns. Der eine davon hat die 15fache Masse des Jupiter, der andere knapp die 8fache Masse. Und jetzt wird der eine oder die andere vielleicht Einspruch erheben und mich daran erinnern wollen, dass ich gerade erst erklärt habe, dass alles mit weniger als der 13fachen Jupitermasse ein Planet ist und kein Brauner Zwerg. Das stimmt auch. Aber die Sache ist komplizierter und genau das macht die aktuelle Entdeckung so interessant.
Braune Zwerge können auf unterschiedliche Weise entstehen. Zum Beispiel so wie auch Planeten entstehen und gemeinsam mit den Planeten eines Sterns. Also durch die Zusammenballung von immer mehr Material zu immer größeren Massen. Wenn sich in unserem Sonnensystem so etwas wie Jupiter bilden kann, dann kann auch etwas entstehen das ein wenig größer ist. Dann kriegt man einen Stern, der von einem Braunen Zwerg umkreist wird (und noch ein paar Planeten als Draufgabe). Es kann aber auch sein, dass ein Brauner Zwerg so entsteht wie ein Stern. Also durch den Kollaps einer kosmischen Wolke unter ihrer eigenen Gravitation. Wenn dann zu wenig Material vorhanden ist, reicht es nicht für echte Kernfusion und wir kriegen einen Braunen Zwerg.
Das Doppelzwergsystem im Schlangenträger versammelt gleich ein paar Besonderheiten. Zuerst einmal sind die beiden Braunen Zwerge sehr jung; kaum 3 Millionen Jahre alt. Das System ist quasi gerade erst geboren worden und wir kennen kaum Braune Zwerge die noch jünger sind. Außerdem sind beide Komponenten vergleichsweise leicht; beide befinden sich knapp an (einmal über, einmal unter) der Massengrenze bei der die Deuteriumfusion einsetzen kann. Und dann sind die beiden Braunen Zwerge auch noch sehr weit voneinander entfernt: Der Abstand in dem sie sich umkreisen beträgt 200 Astronomische Einheiten, also das 200fache des mittleren Abstands zwischen Sonne und Erde. Das ist mehr als die vierfache Entfernung des Neptun, des sonnenfernsten Planeten. Aufgrund der Distanz sind die beiden Braunen Zwerge nur schwach aneinander gebunden und das bedeutet, dass in der Vergangenheit des Systems keine sonderlich extremen Ereignisse stattgefunden haben können. Es kann zum Beispiel sein, dass eine sehr große kosmische Wolke kollabiert und dabei nicht nur einer sondern viele Sterne entstehen (das ist sogar der Normalfall). Wenn diese Sternenembryos einander in die Quere kommen, können einige von ihnen aus ihrer Geburtswolke geschleudert werden, bevor sie echte Sterne geworden sind und müssen den Rest ihres Lebens als Braune Zwerge verbringen. Solche Auswürfen kann es auch geben, wenn sich Himmelskörper in Planetensystemen bilden. Auch hier kommt es zu gravitativen Wechselwirkungen und ein sich wie ein Planet bildender Brauner Zwerg kann aus dem System geschleudert werden.
Beides kann im Fall der Braunen Zwerge aus dem Schlangenträger nicht passiert sein, denn dann wäre das Doppelsystem auseinander gerissen worden (und dass sie sich nachträglich gefunden und begonnen haben umeinander zu kreisen ist so unwahrscheinlich dass es quasi unmöglich ist). Also geht man davon aus, dass sie auf die gleiche Weise entstanden sind, wie auch Doppelsternsysteme entstanden: Dass also eine Wolke unter ihrem Gewicht kollabiert ist, dabei auch fragmentiert ist und sich so zwei Braune Zwerge gebildet haben die einander umkreisen. Das ist an sich schon interessant, vor allem aber zeigt es, dass auch vergleichsweise kleine, planetengroße Objekte durch den Kollaps einer Wolke entstehen können und sich nicht zwingend so bilden müssen wie es die Planeten in unserem Sonnensystem getan haben die langsam aus kleineren Objekten zu ihrer heutigen Größe angewachsen sind.
Systeme wie das jetzt gerade entdeckte zeigen, dass “Stern”entstehung sehr viel komplexer ist und vielfältigere Resultate liefern kann als man dachte. Sie zeigen auch, dass es gar nicht so einfach ist, eine harte Trennlinie zwischen “Planet” und “Stern” zu ziehen. Und sie zeigen, dass wir immer was neues entdecken können wenn wir hinaus ins Universum schauen!
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