Ok. “Schwarze Löcher vom Anfang der Zeit” klingt ein wenig dramatisch. Aber deutlich besser als “primordiale schwarze Löcher”. Und primordiale schwarze Löcher sind genau genommen auch nichts anderes als schwarze Löcher vom Anfang der Zeit. Es sind keine schwarzen Löcher, die aus dem Kollaps großer Sterne resultieren. Sondern eben schwarze Löcher, die unmittelbar nach dem Urknall entstanden sind; bevor sich noch irgendwas anderes bilden konnte. Unmittelbar nach der Entstehung des Universums vor 13,8 Milliarden Jahren war der Kosmos noch klein und voll mit Materie. Keine Sterne, keine Galaxien, kein sonstwas; es gab nur Elementarteilchen und Energie. Und es gab Quantenfluktuationen, die dafür gesorgt haben, dass diese Materie nicht völlig gleichmäßig verteilt war. In manchen Regionen des Universums war dadurch zufällig so viel mehr Materie enthalten, dass die kritische Dichte zur Bildung eines schwarzen Lochs überschritten war. Im frühen Universum entstanden dadurch jede Menge “primordiale schwarze Löcher” die so auch deutlich kleinere Massen haben können, als die schwarzen Löcher, die wir bis jetzt beobachtet haben.
Das zumindest ist die Theorie. Wir wissen nicht, ob das wirklich so passiert ist, denn bis jetzt haben wir die Existenz primordialer schwarzer Löcher nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Wir haben noch keine “kleinen” Löcher entdeckt. Aber immerhin indirekte Hinweise, dass es sie geben könnte. Und so lange wir noch auf der Suche sind, kann es nicht schaden, zu wissen, wonach man suchen sollte. Es gibt diverse Methoden, mit denen man die zu erwartenden Eigenschaften primordialer schwarzer Löcher einschränken kann. Direkt sehen kann man sie natürlich nicht. Aber sie üben ebenso natürlich eine Gravitationskraft aus. Auf diese Weise können sie als Gravitationslinsen wirken; sie können also durch die von ihnen verursachte Raumkrümmung das Licht von Sternen oder Galaxien verstärken beziehungsweise verändern. Auf diese Weise wurden schon schwarze Löcher “beobachtet” (aber auch diverse andere Entdeckungen gemacht) und mit dieser Methoden kann man zumindest einschränken, wie viele primoridiale schwarze Löcher es gibt. Denn man kann ja abschätzen, wie viele Gravitationslinsenereignisse man bei einer bestimmten Beobachtungskampagne sehen sollte, wenn die Häufigkeit primordialer schwarzer Löcher einen gewissen Wert hat. Und je nachdem was man dann tatsächlich beobachtet, lässt sich dieser Wert dann entsprechend korrigieren.
Es gibt aber auch andere Wege! Die Astronomie war schon immer recht gut darin, aus der Beobachtung dessen, was sichtbar ist, auf das zu schließen, was man nicht sehen kann. Die beste Geschichte darüber ist die Entdeckung des Planeten Neptun. Im 19. Jahrhundert war dieser Himmelskörper unbekannt. Aber man konnte den Uranus sehen. Und sah, dass seine Bewegung nicht so ablief, wie sie es sollte. Etwas musste die Bewegung des Uranus beeinflussen und aus den beobachtbaren Störungen hat man die Eigenschaften des unsichtbaren Störers geschloßen. Der dann dank dieser Vorhersagen auch tatsächlich entdeckt werden konnte: Neptun.
Genau diesen äußersten Planeten des Sonnensystems haben nun Amir Siraj und Abraham Loeb benutzt, um die Häufigkeit primordialer schwarzer Löcher abzuschätzen (“Constraining Primordial Black Holes Based on The Dynamics of Neptune”). Neptun hat eine sehr geringe Exzentrizität; bewegt sich also auf einer fast exakten Kreisbahn um die Sonne. Die Exzentrizität ist aber auch ein sehr guter Anzeiger für gravitative Störungen: Würde da etwas den Neptun regelmäßig zu nahe kommen, dann würde man das an seiner zunehmenden Exzentrizität merken. Siraj und Loeb haben also einfach berechnet, wie viele primordiale schwarze Löcher es höchstens geben darf, so dass Neptun im Laufe der vergangenen 4,5 Milliarden Jahren (also seit das Sonnensystem entstanden ist) nicht zu sehr gestört worden ist. Das Resultat sieht so aus:
Auf der x-Achse ist die Masse der potenziellen schwarzen Löcher aufgetragen. Auf der y-Achse der Anteil, den primoridale schwarze Löcher an der dunklen Materie haben können. Darüber habe ich bis jetzt noch nicht gesprochen: Denn primordiale schwarze Löcher könnten ja prinzipiell auch Teil der Dunklen Materie sein. Also der gravitativ wirksamen Masse deren Auswirkungen wir überall beobachten können, für die wir aber keine beobachtbare Entsprechung finden. Masse, die da ist, aber nicht direkt sichtbar: Eine Definition, die auf primordiale schwarze Löcher durchaus zutrifft. Wir wissen, dass nicht die komplette dunkle Materie daraus bestehen kann. Aber ein Teil vielleicht schon (sofern sie überhaupt existieren). Welchen Teil sie ausmachen können, gibt die y-Achse an. Die blau markierten Bereiche im Diagramm wurden schon von anderen Beobachtungskampagnen (über den Gravitationslinseneffekt) ausgeschlossen; der rote Bereich zeigt die Einschränkungen aus der Bewegung des Neptun an.
Dank Neptun wissen wir nun also ein wenig besser als vorher, welche Eigenschaften die primordialen schwarzen Löcher haben könnten. Ob sie existieren, wissen wir dadurch aber natürlich immer noch nicht. Das wird sich erst ändern, wenn wir irgendwann einmal so ein Objekt konkret nachweisen.
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