Wir haben schon jede Menge Supernova-Explosionen beobachtet. Schon vor Jahrhunderten und damals hat man noch keine Ahnung gehabt, was da überhaupt abgeht. Plötzlich war da ein “neuer” Stern am Himmel, der nach einigen Monaten wieder verschwand. In China hat man das Phänomen als “Gaststern” bezeichnet; heute hat sich der Begriff durchgesetzt, den der Astronom Tycho Brahe im 16. Jahrhundert verwendet hat. Er nannte das helle und plötzlich auftauchende Licht am Himmel “Nova”, weil er es für einen neuen Stern hielt. Heute wissen wir besser Bescheid und vor allem, dass es sich um das Gegenteil eines neuen Sterns handelt. Eine Supernova können wir sehen, wenn ein alter Stern sein Leben beendet. Das tun manche nämlich auf enorm explosive Weise und werden dabei kurzfristig so hell, dass sie das gesamte Licht aller Sterne einer ganzen Galaxie überstrahlen können. Dadurch kann man so eine Supernova auch noch in großer Entfernung sehen. Aber eben erst dann, wenn sie schon stattgefunden hat. Wir würden aber gerne auch wissen, was passiert bevor der Stern explodiert. Das ist schwierig, in einem speziellen Fall nun aber erstmals gelungen.
Das Problem: Da draußen sind sehr, sehr viele Sterne. Die kann man nicht alle rund um die Uhr überwachen. Und Supernova-Explosionen sind vergleichsweise selten; zumindest wenn wir uns auf unsere eigene Galaxie beschränken. Im Schnitt explodiert hier ein Stern alle 100 Jahre, aber eben nur im Durchschnitt. In der Realität warten wir seit der Erfindung des Teleskops darauf, dass wir mal “live” dabei sein können, wenn eine Supernova in unserer eigenen Ecke des Universums stattfindet. Am nächsten kam dem noch die Supernova 1987A, als ein Stern in der Magellanschen Wolke explodiert ist, einer kleinen Satellitengalaxie der Milchstraße. Es gibt aber ja auch noch andere Galaxien und wenn wir nur genug davon beobachten, stehen die Chancen gut, dass irgendwo gerade ein Stern explodiert. Dann aber sehen wir eben nur die Explosion und das was danach passiert. Bei SN 2020tlf war das anders. So lautet die offizielle Bezeichnung einer Sternexplosion, die am 16. September 2020 stattgefunden hat. Und zwar in der Galaxie NGC 5731, eine Spiralgalaxie die wir am Himmel in Richtung des Sternbilds Bärenhüter sehen können (mit einem großen Teleskop). Sie ist ungefähr 118 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, was viel ist. Aber gerade noch so reicht, dass man sehr große und sehr helle Sterne dort halbwegs beobachten kann. Ein so ein großer heller Stern ist dort schon im Sommer 2020 aufgefallen und deswegen hat man auch immer wieder mal das Teleskop auf ihn gerichtet. Das war Glück, denn genau dieser Stern wurde 130 Tage nach seiner ersten Beobachtung zur Supernova. Das erste Mal konnte der Übergang zur Explosion tatsächlich “live” beobachtet werden (“Final Moments. I. Precursor Emission, Envelope Inflation, and Enhanced Mass Loss Preceding the Luminous Type II Supernova 2020tlf”).
Entdeckt hat die Supernova übrigens das Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System das eigentlich dazu da ist, kleine (metergroße) Asteroiden zu finden bevor sie mit der Erde kollidieren. Nicht um sie abzuwehren, das ist bei den kleinen Dingern nicht nötig, sondern weil es cool ist, zu wissen, wo ein Ding herkommt, bevor es zusammenstößt. Genau so wie es cool ist, einen Stern zu sehen, bevor er zur Supernova wird. Und tatsächlich geht es in beiden Fällen darum, plötzlich auftauchende helle Lichter am Himmel zu finden, weswegen Asteroidensuchprogramme immer wieder Supernovae entdecken (und umgekehrt). So oder so: Die Supernova war entdeckt und man konnte jede Menge Teleskope auf den explodierenden Stern richten. Und diese Daten dann mit den Daten kombinieren, die man schon vorher gesammelt hatte.
Vor seiner Explosion hatte der Stern ungefährt die 10fache Masse der Sonne. So wie es der Sonne in Zukunft passieren wird, ging dem Stern irgendwann im Kern der Wasserstoff für die Kernfusion aus. Die hat sich dann in die äußeren Schichten des Sterns verlagert, wodurch es dort sehr heiß wurde. Der Stern hat sich immer weiter aufgebläht, sehr viel weiter als es die Sonne je tun wird. Die Endprodukte der Kernfusion sammeln sich im Kern an, der immer dichter und dichter wird und irgendwann kollabiert das ganze Ding und es gibt eine Supernova. Aus den Beobachtungen konnte man nun aber auch ein wenig von dem rekonstruieren, was davor geschehen ist. In den letzten paar Tagen vor der Explosion hat der Stern eine Energie freigesetzt, die ungefähr dem entspricht, was die Sonne in einer Million Jahre ins All hinaus schickt! Der Stern hatte sich auf eine Größe aufgebläht, die dem 1100fachen der Sonne entsprach. In den letzten Wochen vor der Explosion war er enorm heiß; er dehnte sich so sehr aus, dass Material aus seinen äußeren Schichten nicht mehr festgehalten werden konnte. Der Stern verlor Masse mit einer Rate von einem Hunderstel der Sonnenmasse pro Jahr, was 100 Trillionen Kilogramm pro Sekunde entspricht. Was wiederum circa die Hälfte der Masse der irdischen Ozeanen ist. Pro Sekunde! Die den Kern des Sterns umgebenen Schichten waren dabei auch noch überraschend dicht. Die Explosion an sich war “normal” – sofern so etwas überhaupt normal sein kann. Die Supernova lief so ab, wie man das von Supernovae dieses Typs erwartet hatte. Aber der Vorläuferstern war deutlich aktiver als man es bisher vermutet hat. Es scheinen dort also Prozesse abzulaufen, die man bis jetzt noch nicht auf dem Schirm hatte. Schock- oder Druckwellen könnten dafür sorgen, dass spezielle Kernfusionsprozesse angestoßen werden, die Energie in den Kern transferieren, wodurch dann die enorm hohe Rate an Massenverlust verursacht wird. So zumindest eine Vermutung der Forscherinnen und Forscher. Für Gewissheit wird man mehr Daten brauchen. Die liegen jetzt – und das zeigt das aktuelle Beispiel ja gut – aber im Bereich des technisch möglichen. Wir können also darauf hoffen, noch öfter bei den letzten Momenten eines Sternenlebens zusehen zu können!
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