Heute wird es in der Serie “Fragen zur Astronomie” wieder einmal sehr philosophisch. Und auch ein wenig kosmologisch. Warum sind die Naturkonstanten so wie sie sind und nicht anders?, lautet die Frage, die mir gestellt wurde. Und vor allem: Warum sind die Naturkonstanten gerade so, dass in unserem Universum Leben entstehen kann? Die Frage ist tatsächlich interessant. Es gibt jede Menge fundamentale Parameter die bestimmen, welche Eigenschaften unser Universum hat. Und bei den meisten würde schon eine winzige Änderung reichen, um es völlig anders aussehen zu lassen. In den meisten Fällen so anders, das Leben nicht möglich sein würde. Warum ist das so?
In der Wissenschaft wird dieses Problem die “Feinabstimmung der Naturkonstanten” genannt. Diese Feinabstimmung begann schon kurz nach dem Urknall selbst. Das Universum dehnt sich aus und zwar mit genau der richtigen Expansionsrate. Hätte es sich anfangs weniger stark ausgedehnt, wäre alles wieder kollabiert und es gäbe nichts; hätte es sich stärker ausgedehnt, hätte sich die gesamte Materie zu weit verteilt und niemals Sterne, Planeten oder andere Strukturen gebildet. Der Raum für Fehler war minimal und das Universum musste die “richtige” Expansionsrate mit einer Genauigkeit von 1 zu 1057 treffen (eine absurd hohe Zahl mit 57 Nullen) damit alles passt.
Diese Frage wurde zwischenzeitlich durch die Inflationshypothese gelöst. Man geht davon aus, dass das Universum kurz nach Urknall eine Phase extrem starker Expansion durchlaufen hat und dann wieder langsamer wurde. Ohne auf die Details eingehen zu wollen (ich habe zum Beispiel hier mehr dazu geschrieben) würde dass das Problem dieser speziellen Feinabstimmung lösen. Allerdings nur, wenn die Inflation tatsächlich stattgefunden hat und auch dann ist man die Frage nach der Feinabstimmung nicht völlig los geworden. Es gibt noch jede Menge andere Parameter, die genau den Wert haben müssen, den sie haben, damit es uns geben kann.
Die Masse der Atombausteine zum Beispiel. Wäre das Verhältnis der Masse des Elektrons zur Masse des Protons ein klein wenig anders als es tatsächlich ist oder wäre das Verhältnis der Stärke der elektromagnetischen Kraft zur Stärke der starken Kernkraft (die die Atombausteine zusammenhält) ein klein wenig anders: Dann würde es Materie in der Form wie wir sie kennen, nicht geben. Es finden sich bei genauerer Betrachtung noch diverse andere Parameter, die wichtig sind – zum Beispiel die Eigenschaften der Atome, die bestimmen, wie die Kernreaktionen im Inneren der Sterne ablaufen. Und sie sind alle erstaunlich genau gerade so aufeinander abgestimmt, damit Leben im Universum entstehen kann.
Oder sind sie das vielleicht gar nicht? Denn das wäre schon die erste mögliche Antwort auf die Frage nach der Feinabstimmung: Vielleicht bilden wir uns die Feinabstimmung ja nur ein! Nur weil wir uns keine andere Möglichkeit des Lebens vorstellen können, die in einem Universum mit ganz anderen Eigenschaften existieren kann, folgt daraus nicht zwingend, dass es dieses Leben nicht geben könnte. Vielleicht hätte sich in anderen Universen ebenfalls irgendwann irgendeine andere Art von Leben entwickelt (das sich dann vermutlich ebenso verwundert gefragt hätte, wieso die Naturkonstanten gerade ihre Art von Leben zu bevorzugen scheinen).
Man kann der Frage nach der Feinabstimmung auch mit dem sogenannten anthropischen Prinzip aus dem Weg gehen. Vereinfacht gesagt lautet es: Die Dinge sind eben so wie sie sind, denn wenn sie nicht so wären, dann wäre auch niemand da, der sich fragen könnte, warum die Dinge so sind, wie sind. Wir könnten uns ja auch fragen, warum gerade die Erde alle Eigenschaften aufweist, die Leben ermöglichen und warum gerade wir das Glück haben, auf diesem lebensfreundlichen Planeten zu leben? Hier ist die Antwort recht offensichtlich: Es gibt im Universum sehr, sehr viele Planeten mit sehr, sehr vielen unterschiedlichen Eigenschaften. Und auf den Planeten, wo die Bedingungen lebensfeindlich sind, kann auch niemand existieren, der sich Fragen über das Universum stellt. Per Definition können nur dort Lebewesen entstehen und sich fragen, wieso sie gerade hier entstanden sind, wo die Bedingungen die Entstehung von Leben ermöglichen.
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