Heute gibt es in der Serie “Fragen zur Astronomie” eine Frage, die mir oft gestellt wird und die eigentlich ziemlich simpel klingt: Wo beginnt der Weltraum? Und die Antwort darauf ist ebenfalls ganz einfach: Das kommt darauf an, wen man fragt!
Die US-Air-Force zum Beispiel definiert jeden als “Astronaut”, der es in eine Höhe von 50 Meilen, als 80 Kilometer über den Meeresspiegel geschafft hat. Einen wirklich guten physikalischen Grund dafür gibt es allerdings nicht. Die NASA dagegen hält sich an eine Definition, die von der Fédération Aéronautique Internationale festgelegt worden ist und die Grenze auf eine Höhe von 100 Kilometern gelegt hat. In diesem Fall allerdings mit ein wenig Überlegung und nicht völlig willkürlich. In den 1950er Jahren wollte der Physiker Theodore von Kármán herausfinden, wo der Unterschied zwischen Luftfahrt und Raumfahrt liegt und dazu einige Berechnungen angestellt.
Je höher ein Flugzeug fliegt, desto dünner wird die Atmosphäre und desto schneller muss es auch fliegen, damit es noch getragen wird und nicht abstürzt. Irgendwann wird die Luft aber so dünn und das Flugzeug müsste so schnell fliegen, dass es sich schneller bewegt als die Orbitalgeschwindigkeit. Die (dünne) Luft spielt dann also keine Rolle mehr für den Flug und allein die Zentrifugalkraft reicht aus, um es über der Erde und dann auch in einer Umlaufbahn zu halten. Das passiert in einer Höhe von etwa 100 Kilometern und darum wurde dort die Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum gezogen und Kármán-Linie genannt.
Die Fédération Aéronautique Internationale ist allerdings keine staatliche Behörde und ihre Definition nicht verbindlich. Und rein physikalisch auch nicht zwingend. Denn die Atmosphäre der Erde hört nicht irgendwo einfach abrupt auf. Sie wird einfach immer dünner und dünner, je weiter man nach oben kommt. Und reicht weit über die Kármán-Linie hinaus. In 400 Kilometer Höhe, dort wo sich auch die Raumstation ISS befindet, ist nicht mehr viel von ihr zu spüren. Es ist definitiv nicht mehr genug Atmosphäre da, um darin zu atmen – aber doch noch genug, um Objekte die sich dort bewegen, ein klein wenig abzubremsen. Sich selbst überlassen würden Satelliten oder eben die Raumstation dadurch irgendwann auf die Erde fallen. Damit das nicht passiert, muss die ISS regelmäßig von angedockten Raumschiffen wieder ein bisschen an- und auf eine höhere Umlaufbahn zurück geschoben werden. Und Satelliten, die aus bestimmten Gründen in diesen erdnahen Bereichen herumfliegen müssen (zum Beispiel, weil ein Staat ganz genau sehen möchte, was ein anderer Staat so treibt), überleben nicht lange. Auch das Hubble-Weltraumteleskop ist mit seiner Flughöhe von mehr als 500 Kilometer nicht sicher und wird irgendwann in den 2020er Jahren so tief gesunken sein, um in der dichteren unteren Atmosphäre der Erde zu verglühen. Früher wurde es bei den Service-Missionen mit dem Space Shuttle angehoben und eigentlich war geplant, es am Ende seines Lebens auch mit einen Shuttle einzusammeln und zur Erde zu bringen. Aber da es keine Shuttles mehr gibt, geht das nun nicht mehr und das Ende dieses berühmten Teleskops ist vorprogrammiert.
Die Frage “Wo beginnt der Weltraum?” lässt sich also nicht so einfach beantworten. Die Erde existiert nicht getrennt vom Rest des Universums sondern ist ein Teil davon. Der Weltraum ist nicht “irgendwo da draußen” – wir sind mitten drin! Jeder kann sich also im Prinzip selbst aussuchen, wo genau der Weltraum beginnt. Ich neige ja gerne dazu, zu sagen: Der Weltraum beginnt genau hier, direkt vor unseren Füssen. Natürlich sind die Bedingungen auf dem Erdboden andere als hoch oben auf der Raumstation. Und es wäre vermessen, uns alle als “Astronauten” zu bezeichnen. Aber anstatt irgendeine mehr oder weniger willkürlich gezogene Grenze zu definieren, können wir das Konzept so einer Grenze auch einfach ignorieren. Alles was im Universum passiert, betrifft auch uns hier auf der Erde (das habe ich ja auch ausführlich in meinem Buch “Der Komet im Cocktailglas” erklärt). Der Weltraum beginnt direkt vor unseren Augen!
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