Heute bin ich in der Rhön und halte am Abend einen Vortrag im “Haus der Schwarzen Berge”. Es ist mein erster Besuch in dieser Gegend und sie gefällt mir sehr gut! Ich habe mich vorab natürlich auch ein wenig informiert, was es hier für regionale Besonderheiten und vor allem für kulinarische Spezialitäten gibt. Und bin dabei auf den Zwiebelkuchen gestoßen, der in der Gegend um Fulda als Zwibbelsploatz besonders gut sein soll. Und da ich mich in letzter Zeit ja öfter mit der Verbindung zwischen Essen und der Astronomie beschäftigt habe, habe ich mir auch Gedanken darüber gemacht, wie der Zwiebelkuchen mit dem Kosmos zusammenhängen könnte. Dabei bin ich überraschenderweise auf die fundamentale Frage der Entstehung des Lebens gestoßen…
Für einen Zwiebelkuchen braucht man natürlich vor allem erst einmal Zwiebeln. Und wie jeder weiß, der schon einmal mit Zwiebeln gekocht hat, kommen einem dabei leicht die Tränen. Der Grund dafür ist ein Inhaltsstoff, der Isoalliin genannt wird. Es besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel (daher auch der Geruch) und hat die chemische Summenformel C6H11NO3S. Das Isoalliin an sich tut uns nichts, aber wenn die Zwiebelzellen verletzt werden, kann es mit einem Enzym namens Alliinase in Kontakt kommen und erzeugt dabei unter anderem etwas, das Chemiker Propanthial-S-oxid nennen. Dieser Stoff ist es, der unsere Augen reizt und die Tränen verursacht und das ganze System ist eigentlich ein Verteidigungsmechanismus, der die Zwiebel vor dem Gefressenwerden schützen soll.
Das ist zwar interessant, hat aber mit Astronomie an sich noch nicht viel zu tun. Um die Verbindung zum Kosmos zu finden, müssen wir zuerst noch den Knoblauch betrachten. So wie die Zwiebel gehört auch der zu den Lauchgewächsen; enthält aber kein Isoalliin – was man ja auch daran merkt, dass man beim Knoblauchschneiden nicht weinen muss. Dafür riecht es ein wenig streng und der Grund ist das im Knoblauch enthaltene Alliin, mit der chemische Summenformel C6H11NO3S. Wer aufgepasst hat, wird feststellen, dass das exakt die gleiche Formel wie auch beim Isoalliin ist. Die beiden Stoffe bestehen also aus der gleichen Anzahl der gleichen Atome. Sie haben aber unterschiedliche Namen und unterschiedliche Eigenschaften.
Das liegt an einem Phänomen namens Isomerie. Es kommt bei Molekülen nicht nur darauf an, aus welchen einzelnen Atomen sie bestehen, sondern auch wie diese Atome angeordnet sind! Sie können sich auf verschiedene Art und Weise verbinden; spiegelbildlich zueinander aufgebaut oder sonst irgendwie räumlich anders angeordnet sein. Und wirken daher auch ganz unterschiedlich auf andere Moleküle ein, was ihre chemischen und biologischen Eigenschaften beeinflusst.
Ein tragisches Beispiel dafür ist der Contergan-Skandal. In den 1960er Jahren wurde ein Beruhigungsmittel auf der Basis des Moleküls Thalidomid vertrieben. Thalidomid existiert aber in zwei verschiedenen Varianten, die sich nur durch die räumliche Anordnung der Atome unterscheiden, so wie Alliin und Isoalliin. Die eine Variante des Thalidomid erzeugt den beruhigenden Effekt, für den das Medikament entwickelt wurde. Die andere Variante dagegen führt zu schweren Schäden bei Embryos, wenn das Mittel von Schwangeren eingenommen wird. Diese Chiralität hat man nicht berücksichtigt und erst nachdem das Medikament großen Schaden angerichtet hat, wurde es verboten.
Viele Moleküle können diese Chiralität aufweisen und auch diejenigen, auf denen das Leben insgesamt basiert können in zwei Varianten vorliegen. Sie werden “linkshändige” und “rechtshändige” Moleküle genannt, da unsere Hände genau die gleiche räumlich unterschiedliche Anordnung zeigen wie die Moleküle. Das Leben auf der Erde basiert fast ausschließlich auf linkshändigen Molekülen obwohl es genau so aus rechtshändigen Molekülen entstehen hätte können. Warum das so ist, weiß man nicht. Es könnte sein, dass es einfach Zufall ist. Als vor ein paar Milliarden Jahren die chemischen Vorgänge auf der jungen Erde immer komplexer wurden und sich irgendwann zu etwas entwickelt haben, dass nicht mehr nur Chemie war, sondern “Leben”, könnte einfach eine Reaktion die auf einem Enzym mit einer bestimmten räumlichen Struktur basiert, zufällig besser funktioniert haben als die Version mit dem Spiegelbild. Diese zufällige Selektion hat sich dann selbst verstärkt, so dass das die biochemischen Vorgänge der Lebewesen heute eben alle mit einer Variante von Molekülen arbeiten, aber nicht mit der anderen.
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