Von 1. bis 20. April bin ich auf Reisen, halte Vorträge in der Pfalz und in Baden-Württemberg und mache auch ein wenig Urlaub. Für die Zeit meiner Abwesenheit habe ich eine Artikelserie über wissenschaftliche Paradoxien vorbereitet. Links zu allen Artikeln der Serie findet ihr hier.
———————————————————
Letzte Woche ging es in der Pardoxien-Serie um die Frage, ob es eine kleinste interessante Zahl gibt. Auch heute spielen Zahlen mit seltsamen Definitionen eine wichtige Rolle, denn da ist das Berry-Paradoxon an der Reihe. Es wurde nach George Godfrey Berry benannt, einem Bibliothekar aus Oxford und Anfang des 20. Jahrhunderts vom großen Logiker Bertrand Russell erstmals ausführlich besprochen.

Bei dem Paradoxon geht es um einen Ausdruck der Form

“Die kleinste positive ganze Zahl, die nicht mit unter vierzehn Wörtern definierbar ist.”

Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Definition, die eine ganze Zahl beschreibt, die positiv ist und für deren Definition mindestens 14 Wörter gebraucht werden. Es gibt nur endlich viele Wörter und damit kann es auch nur endlich viele Sätze mit 14 Wörtern geben. Und logischerweise auch nur endlich viele positive ganze Zahlen, die durch Sätze mit 14 Wörtern beschrieben werden können. Da es aber unendlich viele positive ganze Zahlen gibt, müssen da auch welche dabei sein, die nicht mit einem Satz von 14 Wörtern beschrieben werden können.

Definitionen sind knifflig! (Bild: gemeinfrei)

Definitionen sind knifflig! (Bild: gemeinfrei)

Diese Zahlen haben alle die Eigenschaft “nicht durch Sätze mit weniger als 14 Wörtern beschreibbar” zu sein und eine von ihnen muss die kleinste sein. Genau diese Zahl wird durch den ursprünglichen Ausdruck “Die kleinste positive ganze Zahl, die nicht mit unter vierzehn Wörtern definierbar ist” definiert.

So weit, so klar – aber wenn man nun die Wörter der Definition zählt, dann sind das 13! Die kleinste positive ganze Zahl, die nicht mit unter vierzehn Wörtern definierbar ist, wird also durch dreizehn Wörter definiert. Ein logischer Widerspruch, und genau darin besteht das Berry-Paradoxon. Es muss eine Zahl geben, die von der Definition definiert wird, aber aus der Definition folgt, dass diese Zahl nicht existiert.

Wo liegt hier der Fehler, der das Paradoxon verursacht? Das Problem liegt an der Beziehung zwischen Sprache und Mathematik beziehungsweise der exakten Definition dessen, was “Definition” bedeutet. Eine Definition sollte eindeutig sein und das ist hier nicht der Fall. Übersetzt man das Berry-Paradoxon in eine formale, mathematische Sprache (was zum Beispiel nicht allzu unverständlich getan wurde), dann zeigt sich, dass die verwendete Definition unvollständig ist. Der Ausdruck “Die kleinste positive ganze Zahl, die nicht mit unter vierzehn Wörtern definierbar ist” ist NICHT eindeutig und genügt nicht, um eine bestimmte Zahl eindeutig zu beschreiben! Und darum landet man auch bei einem logischen Widerspruch.

Berrys Paradox ist durchaus nicht nur eine intellektuelle Spielerei, sondern hat auch Auswirkungen über Überlegungen zur künstlichen Intelligenz. Denn dabei geht es ja gerade darum, Sprache und formale Mathematik in Übereinstimmung zu bringen und wenn man dabei nicht aufpasst, landet man bei genau den Widersprüchen, die Berrys Paradox aufzeigt.

Andererseits: Wenn irgendwann die Maschinen doch einmal die Herrschaft übernehmen, können wir sie vielleicht mit Berrys Paradox austricksen und zur Selbstzerstörung treiben (hat ja damals bei Captain Kirk auf der Enterprise auch immer gut geklappt, wenn er wieder mal einen irren Computer mit irgendwelchen Rätseln in Logik-Schleifen gefangen hatte…)

Kommentare (11)

  1. #1 Pilot Pirx
    16. April 2015

    Hmmm… kann man eine Künstliche Intelligenz, die sich in Logikschleifen fangen lässt, wirklich als intelligent bezeichnen?
    Eine richtige KI sollte doch eher sowas wie “Leckt mich, ich vernichte euch trozdem” oder so sagen.

  2. #2 PeterPan
    16. April 2015

    Es gibt auch genug Menschen die sich in Logikschleifen fangen lassen. Philosophen können das tendenziell sehr gut.

    Mit abgewandelten Logikschleifen gehen Polizeipsychologen auch schonmal an Personen die mit Suizid drohen oder an Amokläufer heran.

  3. #3 Stefan K.
    16. April 2015

    Hach wie ich es geliebt habe, wie Kirk in gefühlten 20 Episoden, die wildgewordenen Computer Jedes einzelne Mal mit dem exakt selben Trick überlistet hat. Wobei sich mir schon die FRage stellt, wieso er bei den späteren Anwendungsfällen auch immer eine ganze Episode gebraucht hat 😉

  4. #4 Silava
    16. April 2015

    In der deutschen Sprache ist es kein Problem mit 14 Wörtern auszukommen. Man kann ja einfach beliebig viel Information in einem einzigen Wort kodieren, z.B.:
    Donaudampfschifffahrtskapitänspatentsamtsanwärterbesoldungsvorschrift….
    Es gibt keine Höchstgrenze für die Wortlänge, insofern ist das Paradoxon ziemlich unspannend.

  5. #5 Karsten
    16. April 2015

    Bei mir scheitert es bereits an den Grundlagen. Wie beschreibt man denn eine Zahl mit 14 Wörtern? Welche Wörter sollen das sein??

  6. #6 UMa
    16. April 2015

    Das es nur endlich viele Wörter gibt, stimmt nicht. Zumindest im Deutschen kann man beliebig lange zusammengesetzte Substantive bilden.
    Beispielsweise könnte mit Hilfe der Binärkodierung Katze Eins und Klo Null bedeuten.
    Der Satz “Die Zahl Katzekatzekatzeklo.” definiert dann beispielsweise die Zahl vierzehn (binär 1110).
    Was ist dann die Zahl Katzeklokatzeklokatzekatzeklokatzekatzekloklokatze?
    Wenn es nach der Rechtschreibung zulässig wäre, lange Zahlen zusammenzuschreiben, könnte man auch einfach beispielsweise Vierzehnmillionenzweihundertsiebenundsechzigtausendvierhundertdreiunddreißig schreiben.
    Offensichtlich kann man zumindest im Deutschen alle Natürlichen Zahlen mit einem Satz aus wenigen Wörten beschreiben. Die Wortlänge ist dabei aber nicht beschränkt.

  7. #7 Tina_HH
    16. April 2015

    Seit ich “Superintelligenz” von Nick Bostrom gelesen habe, weiss ich nicht mehr, was ich von einer KI überhaupt halten soll.
    Statt Selbstzerstörung durch Logikschleifen steht ja wohl eher die Übernahme der Weltherrschaft zu befürchten… 🙂

  8. #8 Alderamin
    16. April 2015

    @UMa, Karsten

    Da Berry einen englischsprachigen Namen hat, wird das Problem wohl in Englsich formuliert sein, und da kann man nicht so ohne weiteres Wörter aneinander kleben. Einemilliondreihundertsiebenundsechzigtausendfünfhundertzweiundachtzig wird dann one million three hundred sixty-seven thousand five hundred and eighty-two”, das wären 12 Wörter.

    Durch Benennung geeigneter Präfixe kommt man (wohl auch im Englischen) mit einem Wort aber schon ziemlich hochm und dann gibt’s noch speziell definierte Zahlen wie Googolplex (10^10^100; aus der ersten Reihe von “Unser Kosmos” mit Carl Sagan).

    Aber es geht ja nicht um die größte Zahl, die man mit mindestens vierzehn Worten beschreiben muss, sondern die kleinste. Wenn man im Englischen bleibt, und nur Ziffern zulässt, wäre 21 121 121 “twenty-one million one hundred and twenty one thousand one hundred and twenty-one” ein Kandidat. Oder im Binärsystem one zero zero zero zero zero zero zero zero zero zero zero zero zero = 2^13 = 8192 (aber für diese Zahl wäre die englische Dezimalbeschreibung nur 7 Worte lang).

    Oder wenn man das Aufzählen der Ziffern wie im Binären auch im Dezimalsystem erlaubt, wäre 21 121 121 nur 8 Worte lang, aber one zero one zero one zero one zero one zero one zero one zero bräuchte 14 Worte (während one zero…zero = 10^13 nur zwei bräuchte: ten trillions). Nein, nicht wirklich, “seven successive one-zero pairs” beschriebe die Zahl mit nur fünf Worten, die Ziffern müssten komplizierter und unregelmäßiger sein und dürften sich nicht durch eine kurz zu beschreibende Rechenaufgabe ergeben. Sehr knifflig.

    Aber da alles, inklusive Selbstreferenz, zugelassen ist, entsteht das Paradoxon, das nicht erfüllt werden kann.

  9. #9 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/04/01/weltreligionen-erklart-die-garwoche/
    17. April 2015

    @Aldemarin:
    Mit “c k p 5 t base thirty six” wäre auch eine 8wörtige Beschreibung gefunden.

  10. #10 Alderamin
    17. April 2015

    @Stefan Wagner

    Wow, da hat aber einer fleißig gerechnet 🙂 Respekt.

  11. #11 Stefan M.
    Bergisch Gladbach
    17. April 2015

    “Bei mir scheitert es bereits an den Grundlagen. Wie beschreibt man denn eine Zahl mit 14 Wörtern? Welche Wörter sollen das sein??”

    Alle Wörter der deutschen Sprache. 😉 Die Zahl muss durch die Definition nur eindeutig sein. Beispiele:
    “Kleinste zusammengesetzte Zahl”
    “Punktanzahl der kleinsten affinen Ebene”
    “Maximaler Grad der allgemeinen algebraischen Gleichung, die mit Hilfe von Wurzelziehen lösbar ist”
    “Kleinste Ordnung einer nicht-zyklischen Gruppe (der Kleinschen Vierergruppe)”
    “Kleinste natürliche Zahl n, für die sich jede nichtnegative ganze Zahl als Summe von höchstens n Quadratzahlen darstellen lässt”
    da es nicht ausgenommen ist dürfte auch “Vier” erlaubt sein, welche übrigens durch obige Sätze ebenfalls beschrieben wird.

    Nun geht es darum eine Zahl zu finden, die man nicht(!) definieren kann mit einem Satz mit weniger als 14 Wörtern. Auf den letzten obigen Satz mit 19 Wörtern trifft dies zu. Jedoch letzt sich die Zahl auch kürzer definieren.
    Das Paradoxon ist, dass wenn man die kleinste Zahl findet für die man mindestens 14 Wörter zur Definition benötigt, dann kann man diese mit folgendem Satz definieren:
    “Die kleinste positive ganze Zahl, die nicht mit unter vierzehn Wörtern definierbar ist.”

    Und dieser hat eben nur 13 Wörter und schließt die Zahl damit aus. Dadurch ist die Zahl nicht mehr mit 13 Wörtern definierbar und es trifft wieder zu; Und damit schließt es die Zahl wieder aus; usw.