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Seit gut 40 Jahren tobt der politische Grabenkrieg um die Kernkraft. Ein besonders blutiges Schlachtfeld ist dabei das große Feld der radioaktiven Abfälle.Irgendwann müssen wir mit unserem Atommüll etwas anderes machen, als ihn in Lagern zu lassen, die auf ein paar Jahrzehnte ausgelegt sind. Das wird schwierig. Wie schwierig genau – da gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Am offensichtlichsten ist die Idee, die Abfälle von einem Zwischenlagers in ein Endlager zu bringen.
Was ist ein Endlager? Ein Endlager ist alles, in dem Atommüll ist und in dem es auch bleiben soll – ohne die Absicht es jemals aus der Einrichtung herauszuholen. Das ist vielen nicht geheuer. Teilweise aus der grundsätzlichen Annahme heraus, dass man aus Prinzip nichts über die nächsten 100.000 oder 1 Million Jahre sagen kann. Teilweise aus mangelndem Vertrauen in die Verantwortlichen. Wechselnde Alternativen zur Endlagerung wurden immer diskutiert – und werden es noch.
Das hier soll ein kurzer Abriss der ernsthaft diskutierten Alternativen zur Endlagerung und ihrer Vor- und Nachteile sein.
EisEis Baby
In den 1960er Jahren wurde ernsthaft darüber nachgedacht, Atommüll in den Eiswüsten Grönlands oder der Antarktis abzuladen. Die grundsätzliche Idee dabei war etwas überzeichnet folgende: Der Atommüll wird über dem Eis abgeworfen und schmilzt (er ist ja meistens warm) in das Eis ein, wo er sicher eingeschlossen wird. Man ging dabei davon aus, dass Eis dick ist, sich kaum bewegt und darunter lebt nichts. Heute wissen wir, dass zumindest die letzten beiden dieser Aussagen nicht stimmen. Weder sind die Eisschilde unbeweglich noch sind die sogenannten Eiswüsten wirklich tot. Sie sind auch nicht von der übrigen Umwelt isoliert. Die Idee brauchte allerdings etwas länger um zu sterben. Auch nachdem der Antarktisvertrag 1959 diese Möglichkeit für die Antarktis ausschloss, wurde sie für Grönland weiter diskutiert. Ein vielleicht nicht repräsentatives aber zumindest bemerkenswertes Zitat aus einem Artikel aus dem Jahr 1976 (Karl Philbert, Polarforschung 46) zeigt die damals etwas andere Art über radioaktive Abfälle zu denken: “Aber selbst im allerschlimmsten Fall (…) würden die Abfälle die Biosphäre nicht verseuchen können. Höchstens kommen sie nach Jahrhunderten an die Eisoberfläcke und/oder sie werden nach vielen Jahrhunderten am Boden abgesetzt und können dort gegebenenfalls aufgesammelt werden.” Das schien damals vielleicht logisch zu sein und man darf über den Autor nicht mit dem Wissen von Heute die Nase rümpfen. Allerdings ist diese Idee ziemlich weit von dem heutigen Ansatz, Sicherheit über Jahrhunderttausende gewährleisten zu wollen entfernt. Schon damals war diese Meinung nicht mehr mehrheitsfähig und Deutschland hatte sich bereits auf eine geologische Endlagerung festgelegt.
Fly me to he moon….
Eher mit den heutigen Standards vereinbar ist vordergründig ein anderer – bis heute immer mal wieder in den sozialen Netzwerken belebter – Vorschlag zu sein. Warum schießen wir die Abfälle nicht auf den Mond oder in die Sonne? Im Januar 1959 flog die Sowjetische Sonde “Lunik” am Mond vorbei und dann weiter in Richtung Sonne. Unter anderem gelang mit ihr der Nachweis des Sonnenwindes. Damit hatte zum ersten Mal ein von Menschen gebautes Objekt das Schwerefeld der Erde verlassen. Theoretisch können wir also schon lange Gegenstände endgültig von der Erde entfernen. Auf dem Mond lägen unsere radioaktiven Abfälle natürlich sicher – der Weg dahin ist es leider nicht.
Die Fehlerquote oft geflogener amerikanischer Raketen wie SCOUT und DELTA lag bei drei Prozent. Die Sojus ist mit einer Erfolgsquote von 98 Prozent die derzeit wohl zuverlässigste Rakete der Welt. Das klingt schon fast ganz gut – wäre für unsere Zwecke aber verheerend. Eine Sojus kann knapp 7t in 200 km Höhe befördern. Wir ignorieren jetzt mal, dass wir damit der Schwerkraft der Erde noch nicht entkommen wären. Allein für die insgesamt anfallenden mehr als 20.000 t Brennelemente aus Deutschland wären das ca. 3000 Raketen. Bei einer Erfolgsquote von 98% bedeutet das 60 gescheiterte Starts. Und die anderen radioaktiven Abfälle sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Alles, was wir mit Atommüll machen, hat Vor,- und Nachteile. Aber es ist schwer möglich, etwas Dümmeres damit zu machen, als ein paar Tonnen hochradioaktiven Abfall zusammen mit einer beträchtlichen Menge Raketenbrennstoff explodieren zu lassen. Wir reden hier von nichts weniger als der Mutter aller schmutzigen Bomben. Verglichen damit ist jedes Endlager ein ungefährlicher Kinderspielplatz.
Ein weiteres Problem sind die Kosten. Es kostet 10.000 Euro, ein Liter Wasser auf die internationale Raumstation ISS zu bringen (darum wird dort Trinkwasser auch aus Urin zurückgewonnen). Für die 22.000 t angebrannter Brennelemente aus Deutschland (ohne den ganzen anderen Atommüll) kommt man da auf stolze 220 Milliarden Euro. Das entspricht 2/3 des Bundeshaushaltes – und wir sind noch immer nicht aus dem Schwerefeld der Erde und haben immer noch keine Lösung für die anderen radioaktiven Abfälle (mehr als 1/2 Million Tonnen).
Abfälle “auf den Mond zu schießen” ist viel zu unsicher um vertretbar zu sein und viel zu teuer um von irgendeiner Volkswirtschaft der Welt geleistet werden zu können.
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