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Grüne Gentechnik und warum man vor ihr keine Angst haben sollte
von CC-103
Ich bin ein deutscher Schüler, der allerdings momentan in Frankreich zur Schule geht. In meiner Freiziet beschäftige ich mich viel mit Mathematik und Naturwissenschaften. Man findet mich auch unter dem Pseudonym Gelbstern.
Jeder hat vermutlich schon einmal von Gentechnik gehört und viele haben auch eine klare Meinung zu ihr: Gentechnik, den Scheiß brauchen wir nicht. In diesem Artikel möchte ich darlegen, warum diese Ablehnung, teilweise auch Angst, vermutlich in vielen Fällen ungerechtfertigt ist. Konzentrieren werde ich mich dabei auf die grüne Gentechnik, also die Gentechnik, die in der Landwirtschaft verwendet wird, da diese deutlich stärker abgelehnt wird als die rote Gentechnik, die in der Medizin verwendet wird, oder die weiße Gentechnik, die in der Industrie Anwendung findet.
Gentechnik genießt in Europa kein hohes Ansehen, würde man verschiedene Leute die Wahl zwischem genmanipuliertem und konventionellem Essen geben, die meisten würden vermutlich letzteres nehmen, auch wenn das erste für sie billiger wäre und sonst keine merkbaren Unterschiede gegenüber dem konventionellen aufweist. Auch darf genmanipuliertes Essen nicht als Bio verkauft werden, selbst wenn es gesünder und umweltfreundlicher ist. Um zu verstehen, warum diese Hysterie in der Regel unberechtigt ist sollte man aber vielleicht erst einmal verstehen, worum es sich bei der Gentechnik konkret handelt.
Im Grunde wird Gentechnik schon seit der Entwicklung der Landwirtschaft verwendet, wenn auch nicht in der heutigen Form, die man normalerweise unter dem Begriff Gentechnik versteht. Die Rede ist natürlich von Kreuzung, also der kontrollierten Fortpflanzung von Tieren und Pflanzen, bei der man Abkömmlinge mit den bestmöglichen Eigenschaften erhalten möchte. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Mais, der aus der Teosinte entstanden ist, eine Pflanze, die dem heutigen Mias kaum ähnlich sieht.
Verständlicherweise gilt jegliche Aufregung über die Gentechnik natürlich nicht der Kreuzung und es ist auch klar, dass Gentechnik-Gegener nicht gegen Kreuzung sind, da Kreuzung letztendlich doch konventionelle Züchtung ist. Trotzdem ist es aber interessant, zu wissen, dass auch Kreuzung nicht immer ungefährlich ist. Ein klassische Beispiel ist die Lenape-Kartoffel, welche konventionell gezüchtet wurde, deren Zulassung aber aufgrund eines zu hohen Solanidinglycosiden-Gehalts zurückgezogen wurde (Frage 13)[1]. Natürlich bedeutet das nicht, dass Kreuzung grundsätzlich gefährlich ist, aber es können eben auch bei dieser konventionellen Züchtung Gefahren auftreten.
Eine andere Form der Gentechnik ist die Mutagenese, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts großflächig Anwendung findet, auch wenn die Idee schon deutlich älter ist. Aus irgendeinem Grund ist diese Technik im Gegensatz zur modernen Gentechnik und der Kreuzung recht unbekannt. Bei der Mutagenese nimmt man im Grunde Saatgut einer Pflanze und bestrahlt sie mit ionisierender Strahlung oder setzt sie mutagenen Chemikalien aus. Das veränderte Saatgut pflanzt man dann an und guckt, ob sich irgendwo Eigenschaften verbessert haben. Auch wenn diese Art der Pflanzenzüchtung der modernen Gentechnik deutlich stäerker ähnelt, als die klassische Kreuzung, werden mithilfe von Mutagenese gezüchtete Pflanzen in Europa nicht anders behandelt als konventionell gezüchtete Pflanzen, sie müssen also nicht die gleichen langwierigen und teuren Zulassungsprozesse durchlaufen, wie Pflanzen, die mithilfe der modernen Gentechnik gezüchtet wurden. Außerdem hat die Mutagenese einen großen Nachteil: Die Mutationen sind unkontrolliert, neben der gewünschten Mutation hat man noch zahlreiche ungewünschte, die man erst auskreuzen muss, bevor man die veränderte Pflanze ernsthaft verwenden kann, weswegen die moderne Gentechnik im Grunde besser für die Pflanzenzüchtung geeignet ist.
Die moderne Gentechnik ist im Grunde das, woran die meisten Leute denken, wenn sie Gentechnik hören. Die größten Unterschiede zu den vorher beschriebenen Methoden sind, dass die Mutationen kontrolliert sind und die Artenbarriere überwunden werden kann, es können also Gene aus anderen Arten in die manipulierte Art eingefügt werden. Während bei Mutagenese und konventioneller Kreuzung keine “fremden” Gene in die Pflanzen kommen. Diese Überwindung der Artenbarriere und die Kontrolle über die Mutationen eröffnen zahlreiche Möglichkeiten. So können Pflanzen ganz einfach auf verschiedene Arten und Weisen verbessert werden, man kann sie zum Beispiel resistent gegen Herbizide oder Schädlinge machen, man kann Allergene entfernen, man kann dafür sorgen, dass sie auf salzigen Böden oder bei höherer Temperatur wachsen können, und so weiter und so weiter. Man kann zum Beispiel das Gen eines Bakteriums, das ein natürliches Insektizid produziert[2], in Mais oder Baumwolle einbauen, sodass diese Pflanzen das Insektizid selber produzieren.
Aber was ist jetzt das große Problem der Gentechnik? Eigentlich gibt es keins. Verschiedene Argumente werden gerne gegen die Gentechnik ins Feld geführt, allen voran natürlich das Argument, dass gentechnisch modifiziertes Essen gesundheitlich schädlich oder eine gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht ausreichend gesichert sei. Im Grunde ist diese Sorge unbegründet, da, obwohl bei Gentechnik durchaus gesundheitsschädliche Effekte auftreten können, gentechnisch manipulierte Lebensmittel vor der Zulassung genauestens geprüft werden, in diesem Punkt hat die Hysterie sogar einen Vorteil. Außerdem ist eine Pflanze nicht potenziell weniger gesundheitsschädlich, nur weil sie konventionell gezüchtet wurden (man betrachte das vorher genannte Beispiel der Lenape-Kartoffel). Ein anderes Argument, das man gelegentlich zu hören bekommt, ist, dass Bauern, besonders in Entwicklungsländer, nicht von Gentechnik profitieren würden, wobei diese Aussage nicht stimmt[3]. Tatsächlich verdienen Bauern, besonders in Entwicklungländern, mehr an gentechnisch modifizierten Pflanzen, als an nicht gentechnisch modifizierten. Dies liegt unter anderem daran, dass die Erträge höher und die Kosten für Spritzmittl geringer sind. Dann gibt es noch das Argument, dass sich der Anbau gentechnisch modifizierter Pflanzen negativ auf die Artenvielfalt auswirkt. Dies stimmt natürlich insofern, als sich jede Art der Landwirtschaft negativ auf die Artenvielfalt auswirkt, allerdings wirkt sich der Anbau gentechnisch modifizierter Pflanzen weniger negativ auf die Artenvielfalt aus als konventionelle Landwirtschaft[4].
Zusammenfassen kann man sagen, dass die grüne Gentechnik extrem spannend ist und uns in Zukunft noch viele weitere Möglichkeiten eröffnen wird. Leider wird das Thema häufig mit einer oft sachlich nicht haltbaren Hysterie überschattet, die in der Gesellschaft recht weit verbreitet ist. Wir sollten keine Angst vor der grünen Gentechnik haben, sondern uns lieber über die Möglichkeiten freuen, die sie uns eröffnet, was aber natürlich nicht heißt, dass wir jegliche kritische Distanz verlieren sollten.
Abschließend möchte ich mich noch bei Grzegorz Nieksche für seinen kritischen Blick beim Korrekturlesen dieses Artikels bedanken.
Referenzen:
- [1] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/4889
- [2] Bt-Toxin auf Spektrum.de
- [3] Klumper W, Qaim M (2014) A Meta-Analysis of the Impacts of Genetically Modified Crops. PLoS ONE 9(11): e111629. doi:10.1371/journal.pone.0111629
- [4] Janet E. Carpenter (2011) Impact of GM crops on biodiversity, GM Crops, 2:1, 7-23
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